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in seine Brusttasche versenkt haben; diese Verlegenheit und dieses tiefe Erröthen machten ihn stuzig und eine Ahnung blizte in ihm auf. Er drohte scherzend mit dem Finger:
,, Mein lieber Krone, ich fürchte sehr, Sie wollen Sich in der letzten Viertelstunde untreu werden, das heißt, mich überlisten und mir ein für ein U machen. Die Hand auf's Herz- Sie wollen mir da Geld mitgeben, weil Sie mich für halb und halb gemaß regelt ansehen und fürchten, ich könnte drüben in Verlegenheit tommen. Sie haben Sich das sehr hübsch ausgedacht und alles sehr fein eingefädelt, aber Sie sind zum Diplomaten verdorben und werden in Ihrem ganzen Leben kein Schauspieler."
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Wolfgang lächelte." Ja, Sie wollten mir aber doch eine Ueberraschung bereiten?"
„ Ach, das hat Zeit, das ist nicht so wichtig; wenn ich nur wüßte, ob Fräulein Hoyer hier ist, Sie müßten sie doch gesehen haben."
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" Freilich habe ich sie gesehen; wir reisen sogar in einem Coupé, wie dies bei einem Brautpaar wohl selbstverständlich ist."
„ Verlobt?! Mit Fräulein Hoyer?" jauchzte die Kleine.„ Und sie fährt gleich mit? Da steht aber morgen früh bei uns das Haus auf dem Kopfe!"
„ Und daran sind eigentlich Sie schuld, denn wenn Sie ge„ Das ist ja eben das Unglück; Sie sollen die paar Thaler halten hätten, was Sie mir mit Hand und Mund versprochen als einen Vorschuß ansehen, fönnen es ja später wieder be- hatten, passirte die ganze Geschichte nicht. Aber ich danke Ihnen zahlen, ich hab' mit meiner Alten drüber gesprochen, sie für diesen Wortbruch, er hat mein Glück geschaffen, und daß Sie den Brief früher abgaben, als Sie durften, war der klügste Streich Ihres ganzen Lebens."
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ist sonst ein bissel zähe und mißtrauisch, aber diesmal war sie gleich dabei, und nun nehmen Sie's und sagen Sie kein Wort mehr ich bitte Sie inständigst."
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Wolfgang drückte ihm herzlich die Hand und erwiderte, eigen thümlich bewegt und doch auch wieder voll Uebermuth:
" Ich danke Ihnen und werde Ihnen diesen Zug nie vergessen; ich würde mich auch keine Minute zieren und das Geld von Ihnen ganz einfach annehmen, aber sehen Sie, erstens sind meine Finanzen noch ganz leidlich bestellt, zweitens habe ich drüben alte Freunde, die reicher sind als Sie, und drittens nehme ich eine reiche Frau mit, kann also garnicht in Noth kommen. Ja, ja, machen Sie nur große Augen, ich entführe dem Herrn Kommerzienrath eine von seinen Damen, ein Husarenstreich, der Ihnen gewiß zu ganz besonderer Genugthuung gereichen wird. Erst spiele ich ihm in der Wahlversammlung den ärgsten Possen und nun gehe ich ihm auch noch mit Fräulein Hoyer durch und das ist der Humor davon."
Er klopfte an das Fenster des Coupés, Martha ließ dasselbe nieder und Wolfgang stellte vor:
Hier, Martha, hast du meinen Steiger Krone, das treueste, bravste Herz in der ganzen Stadt und einen der prächtigsten Menschen, die ich je kennen gelernt habe; gib ihm die Hand, er hat es zwanzigfach um mich verdient."
Krone brachte es zu keiner Antwort, er drückte die zarte Damenhand, die ihm freundlich entgegengehalten ward, mit einer Energie, die wohl einer Milderung fähig gewesen wäre; er versuchte, Wolfgang das Wort abzuschneiden, und als dieser ihm die Hand drückie und ihn auf den bärtigen Mund küßte, obwohl er sonst kein Freund von Zärtlichkeiten unter Männern war, als er ihm sagte:„ Leben Sie wohl, Krone, und behalten Sie mich in gutem Andenken; ich hoffe, Sie werden noch so mancherlei von mir hören!" da wollte es ihm wieder einmal das Herz abdrücken, und er konnte doch nur wieder und immer wieder die Hand seines Hauptmanns schütteln und sich beschämt mit der Hand über die feuchten Augen fahren. Es war ihm fast will kommen, daß in diesem, bei seiner Weichheit für ihn so überaus kritischen Moment die kleine Anna am Arme des jungen Schlosser meisters, dem einst die beiden Alfrede so sehr im Wege waren, auf Wolfgang zukam; er trat diskret zurück, in die nächste Ecke, um nicht zu stören, und hörte Anna hastig und erwartungsvoll fragen:
Haben Sie Fräulein Hoyer nicht gesehen? Es ist möglich, daß sie mit diesem Zuge ebenfalls abreist; ich habe ihr Gepäck heimlich zur Bahn gebracht."
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„ Und nun sollen Sie auch gleich den dümmsten erfahren: ich habe mich hier mit diesem eifersüchtigen, immer rußigen und als Mann wohl zuweilen recht brummigen Menschen verlobt, in der Hoffnung, daß er sich noch bessern wird; gutmüthig ist er, man fann es also am Ende darauf ankommen lassen." Der herzliche Blick auf den zukünftigen Gatten, mit dem sie die neckenden Worte begleitete, strafte sie zur genüge Lügen.
Man war vor dem Coupé stehen geblieben, Martha nahm die lebhaften Glückwünsche der kleinen Ueberglücklichen entgegen und erwiderte sie freundlich, und Wolfgang sagte crust:
„ Nun sind wir ganz quitt, meine kleine Anna; ich hoffe, Ihr Bräutigam wird Rücksicht darauf nehmen, daß wir einander doch näher stehen, und nicht scheel sehen, wenn ich von Ihnen Abschied nehme, als wären Sie meine Schwester." Und er gab ihr die Hand und küßte sie auf die Stirn.
Das rauhe:" Zurücktreten!" des Schaffners, der den Zug entlang eilte und die Thüren zuschlug, riß die kleine Gruppe auseinander; Wolfgang sprang in den Wagen und grüßte die Zurückbleibenden noch einmal mit Hand und Augen, das letzte, hastige Läuten schallte durch die Halle, da schoß der lange Alfred, die Stirn mit dem Taschentuch trocknend, aus der Vorhalle in den Perron und rief schon von weitem:
,, Gott sei getrommelt und gepfiffen, daß Sie noch da sind! Wäre ich zu spät gekommen, ich hätte es mir nie vergeben. Aber eine höchst dringende Abhaltung"
Hätte mich beinahe verhindert, Ihnen in Fräulein Hoyer meine Braut vorzustellen!" schnitt Wolfgang in bester Laune den Redefluß ab.
Eine Verbeugung Marthas, die neben ihm an's. Fenster getreten war, eine verdußte Reverenz des Sonettendichters, ein Händedruck Wolfgangs und der Zug kam langsam in's Rollen. Alfred hatte Hut und Taschentuch noch immer in der Hand, als die kleine Anna am Arme des jungen Schlossers auf den aus einer Verblüfftheit in die andere Fallenden zutrat und mit einem ein ganz klein wenig spöttischen Knig und einem mühsam unterdrückten Kichern vorstellte:
" Mein Bräutigam, Ferdinand--
Die weiteren Worte gingen in dem schrillen Pfiff der Lokomotive unter, Krone aber, der wieder vorgetreten war, schwenkte mit aller Macht seinen breitkrämpigen Filzhut und rief mit wahrer Stentorstimme den Scheidenden nach: „ Es lebe die soziale Republik !"
Meeresleuchten.
Von Dr. Leopold Jacoby. ( Siehe umstehende Illustration.)
In einer gedankenreichen Abhandlung über die allmähliche Entwicklung des sinnlichen Unterscheidungsvermögens der Menschheit hat im vorigen Jahre Dr. Schmidt in Breslau nachgewiesen, daß in der frühen Kulturzeit des Menschengeschlechts das Wahr nehmungsvermögen aller Sinne, rücksichtlich der Ausdehnung der Sinneserregbarkeit und Unterscheidungsfähigkeit, ein völlig unausgebildetes gewesen. sein muß. So wird in den ältesten literarischen Denkmälern, welche die Menschheit besitzt, und noch im Homer, auch überall da, wo in hochpoetischer Weise die Schönheit der Natur in Flur und Wald besungen und bis in's cinzelne
geschildert wird, der Blumendust nirgend erwähnt; der Wohllaut musikalisch zusammenklingender Töne wurde bis zu späten ge= schichtlichen Entwicklungsepochen vom Ohre des Menschen nicht empfunden, und vor allem wunderbar wird es dem Leser erscheinen, daß zu den Zeiten der altindischen Gesänge bis auf Homer das Blau des Himmels und ebenso das Grün der Bäume als eine besondere, von einem unbestimmten Dunkel unterschiedene Farbe für das menschliche Auge noch garnicht existirte. Noch zu den Zeiten des Empedokles und Pythagoras gab es für die gebildetsten Völker der Erde nur die vier Farben: schwarz, weiß,