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Unter diesen steht der großartige Palast der Creusot  'schen Schmiede­und Gußeisenstahlfabrik, dessen Eigenthümer der jüngstverstorbene Ex­präsident des früheren geseßgebenden Körpers, Schneider, war, obenan. Dieses ausgedehnte und renommirte Institut konkurrirt erfolgreich mit dem bekannten Krupp  'schen Etablissement und verfertigt, wie dieses, hauptsäch lich Kanonen. Zwischen beiden ist ein Wettstreit ausgebrochen, wer die größten Menschentödter fabriziren fann. Treten wir in den Pavillon ein, der sich zwischen dem Industriegebäude und der Seine befindet. Er ist von außen sehr hübsch und zierlich angemalt und schon von weitem erkennbar an dem großen, blauangestrichenen Dampfhammer­modell, welches sich vor der Thür befindet. Das Original steht in Creusot   und legt täglich Proben seiner furchtbaren Kraft ab. Im Innern des Pavillons finden wir als Hauptschaustück eine trefflich ge­arbeitete große Dampfmaschine von 2640 Pferdekraft, die für ein fran­zösisches Schraubenpanzerschiff bestimmt ist. Daneben liegt, die ganze Breite des Raumes durchmessend, ein kolossaler Stahlcylinder, 1812 Meter lang und 20,250 Kilo schwer. Er wird demselben Schiffe dermaleinst als Schraubenwelle dienen. Man denke sich die Schwierigkeit, einem solchen Stahlcylinder die gleichartige Festigkeit und Ebenmäßigkeit zu geben! Auch Panzerplatten von fast 1 Meter Dicke, auf einem Stück der Schiffswand montirt, kann man hier mit Entseßen bewundern. Wie grausam und thierisch muß der Mensch noch im 19. Jahrhundert sein, wenn er solche Schutzwände vor den Angriffen seines lieben Nächsten", der gleich ihm stets humane Phrasen im Munde führt, nöthig hat. Ja, er hat sie nöthig, denn in der Erfindung der Angriffs­waffen ist der Geist des 19. Jahrhunderts vielleicht noch frucht- und furchtbarer. Eine Kollektion von sauber gearbeiteten Kanonenröhren streckt uns ihre verderbenbringenden Deffnungen entgegen. Das kolossalste Geschütz auf Gottes Erde wird wohl jenes 11 Meter lange, 38,000 Stilo­gramm schwere und einen halben Meter im Seelendurchmesser habende Kanonenrohr werden. Bisjetzt ist es noch nicht montirt und auch nicht ausgehöhlt, aber wie bald wird das geschehen sein, und vielleicht wird es schon in einem der nächsten Jahre Kugeln und Granaten entsenden, denen auch die stärkste Panzerplatte nicht mehr widerstehen kann. Für Laien hat diese Creusot'sche Ausstellung etwas entfeßen- und grauen­erregendes, für Kenner der Eisenindustrie verschwindet dieses Gefühl aber vor dem des Staunens über die treffliche Arbeit. Um zu zeigen, wie fest der Stahl ist, welcher zur Bearbeitung kommt, liegen zahlreiche Stangen, Platten und Façoneisen auf den Tischen verstreut, die sämmt lich den Druck des riesigen Dampfhammers haben spüren müssen: einige sind zerbrochen, aber der Bruch zeigt uns deutlich die innere Eben­mäßigkeit; andere sind gekrümmt und gewunden und geben Zeugniß von ihrer immenſen Elastizität. Außer diesen Eisenfabrikaten befinden sich im Creusot'schen Pavillon noch sehr sauber ausgeführte kleinere und größere Modelle der ausgedehnten Fabrikräume und der Berggegend, in welcher sie liegen. Sie veranschaulichen, wie das Eisen gewonnen wird. Eine überlebensgroße Statue des verstorbenen Schneider steht an der hintern Wand, dem Portal grade gegenüber. Es ist ein Denk­mal, wie nur das 19. Jahrhundert eins seßen konnte. Schneider, der willenlose Hofschranze Napoleons III., welcher durch seine politische Feigheit und Sklavengesinnung einst die Verachtung der ganzen liberalen Welt auf sich zog, er ist es, den man hier in Eisen pomphaft feiert, und weshalb? Weil er Geld hatte, weil er mit Hülfe Napoleons   seine Fabrik vergrößern und immer mehr und immer mehr Geld verdienen konnte. Nicht die Arbeiter, welche die trefflichen Produkte hergestellt haben, werden belorbeert, sie können Hungers sterben, wenn sie arbeits­unfähig werden, aber desto mehr der Mann, der sein Glück durch ekles Schranzenthum zu korrigiren wußte. Und das finden jetzt dieselben Liberalen ganz natürlich, die ihn einst verspotteten und verhöhnten.

Ein zweites großes Eiſenindustriewerk Frankreichs  , die Gesellschaft von Commentry- Fourchambault, hat ihre Produkte, die meist aus Panzerplatten und großartigen Schmiedestücken bestehen, in einem Pa­villon im südöstlichsten Theile des Marsfeldes ausgestellt. Dicht daneben befindet sich auch ein Schuppen, in welchem eine Eisfabrikationsmaschine in fortwährender Thätigkeit ist. Sie ist nach dem System Raoul Pictet  & Comp. aufgebaut. Sie fabrizirt täglich 24,000 Kilo Eisblöcke und erzeugt die Kälte auf chemischem Wege mittels schwefligsaurem Anchydrit. Was die Franzosen an Eisenbahn- und Tramwaywagen ausgestellt haben, befindet sich hart am jenseitigen Ufer der Seine auf dem Troca­dero. Da die Schuppen etwas abseits liegen, werden sie selten von der neugierigen Menge besucht, und doch ist mancherlei Interessantes da zu sehen, zum Beispiel Lokomotiven, die von komprimirter Luft ge­trieben werden, Dampftramways, welche das Aeußere eines gewöhn­lichen Pferdebahnwagens haben; die Maschine befindet sich hinter sinn reichen Verkleidungen aus Blech. Einige derselben sind mit elektrischen Bremsen versehen; sobald die Räder nur ein wenig abwärts rollen, theilt ein Draht dies einem Elektromagneten mit, der sofort eine Maschine in Thätigkeit jeßt, welche die Bremse augenblicklich vorschiebt, und zwar mehr oder weniger, je nach der Senkung der Spur. Eine Lokomotive, die kaum zwei Meter lang ist und den Namen ,, Liliput" führt, sowie Lastwagen in entsprechender Größe, sind für schmalspurige Schienenwege bestimmt, leicht transportabel und werden vielfach in der Landwirth­schaft und beim Bergbau gebraucht. Endlich erregen auch die Fiaker und Droschken Aufmerksamkeit, welche nicht von Pferden gezogen, son­dern mit Dampf getrieben werden. Die Maschine befindet sich hinter der Rückenlehne und das Steuer dort, wo bei einem gewöhnlichen

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Wagen der Kutschersiz zu sein pflegt. Diese Dampfwagen, die übrigens ganz hübsch aussehen, werden wohl noch nicht allzubald in Mode kommen, da ihre Konstruktion sehr komplizirt ist.

Es wird sich Gelegenheit finden, später noch auf einige andere große Maschinen zurückzukommen, vorläufig kehren wir in den Industrie­palast zurück. Außer den beiden Maschinenhallen an den Längsseiten des Gebäudes befinden sich noch zwei hohe und breite Hallen, sogenannte Vestibules, an den Breitſeiten. In der nordwestlichen Halle befinden sich der indische Schatz, die Gobelins und die Sèvresfabrikate, welche ich schon erwähnt habe; die südöstliche führt den Namen ,, Handarbeiter­halle" und bildet einen Hauptanziehungspunkt der großen Menge, weil hier in zahlreichen Abtheilungen Handwerke vor den Augen des Publi­fums betrieben werden. In der Mitte, hinter hohen Glaswänden, befindet sich eine Diamantschleiferei, die viel umstanden wird; da aber die Diamanten so klein sind, daß man sie unter den Händen der Arbeiter garnicht bemerkt, so kann man sich auch gar keine Aufklärung über die Thätigkeit der kleinen mechanischen Vorrichtungen verschaffen. Kostbar ist die Sammlung der rohen und bearbeiteten Diamanten, welche hinter doppeltem Glasverschluß schimmern und blißen. Weiterhin treffen wir auf Arbeiter und Arbeiterinnen, die künstliche Blumen fabriziren, Puppen aufpußen und coiffiren, Elfenbein- und Knochenartikel schnißen, Papeterie­arbeiten verrichten, Manschettenknöpfe stempeln, Bürsten binden, Taschen­feuerzeuge zusammenseßen u. j. w. Um als Laie wirkliche Einsicht in die Fabrikation aller dieser Dinge zu erhalten, muß man sich dieselbe selbst ansehen. Wer nicht nach Paris   kommen kann, wird ebensoviel lernen, wenn er die betreffenden Werkstätten in Deutschland   aussucht, denn eine originelle Arbeitsmethode besigen die pariser Arbeiter nicht. Diese Fabrikanten gehören eigentlich garnicht auf die Ausstellung, da es ihnen weniger um die Ausstellung und die Veranschaulichung der Handwerke, als vielmehr um den Verkauf ihrer Erzeugnisse zu thun ist. Sie spekuliren eben auf die Neugierde des Fremdenpublikums, welches auch den größten Schund um mich derb auszudrücken fauft, sobald es nur daheim sagen kann, es habe dies und jenes Produkt auf der Ausstellung gekauft und die Fabrikation beobachtet. Die Arbeiter und Arbeiterinnen, welche hier in unausgesezter Thätigkeit sind und sich von Hinz und Kunz anstaunen und angaffen lassen müssen, bedaure ich wirklich. Sie sißen fast da wie auf dem Markt in Brasilien  , wo die unglücklichen Sklaven ihre Künste zeigen müssen. Ebenso wie auf diese werden auch hier auf die Arbeiter Gebote gemacht, wenn sie sich als besonders geschickt erweisen. Seltsame Eindrücke empfängt in diesem großen Handwerkersaale auch das Ohr des Besuchers. In das un­melodische Zischen, Scharren, Stampfen, Kreischen der Maschinen drängen sich die dröhnenden Töne der Orgeln, welche sich ebenfalls in demselben Raume befinden. Ein Fabriksaal, in welchem zur Erheiterung der Arbeiter Orgel gespielt wird, dürfte ganz neu sein! Kade.

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Bianca Cappello.  ( Bild Seite 509.) Man muß an der Ver­nunft der Weltseele zweifeln, wenn man die Ursachen der schaffenden Natur mit ihren Wirkungen vergleicht. Oft gibt sie Männern die herr­lichsten Geistesgaben, um sie verhungern zu lassen, und schüttet Fortunas  Füllhorn über Dummköpfe aus. Den Frauen scheint sie nur deshalb blendende Schönheit zu verleihen, um ihre Niedertracht damit zu ver­decken. Unser Bild zeigt uns auch so eine schillernde Schlange unter Bianca Cappello  . Sie übertraf an heuchlerischer duftigen Blumen Verschlagenheit sogar die berüchtigte Tochter des Papstes Alexander des Sechsten, die Giftmischerin Lukrezia Borgia. Im Jahre 1548 in Venedig  als Sprößling einer hochangesehenen Adelsfamilie geboren, ließ sie sich als 17jähriges Mädchen von einem Florentiner nach seiner Vaterstadt entführen. Dieser schamlose Abenteurer verkaufte sie an den Herzog Francesco von Medicis und entschädigte sich in den Armen der schönen Cassandra Bongiani. Obzwar der Herzog Francesco von Medicis mit der Erzherzogin Johanna von Desterreich vermählt war, installirte er dennoch Bianca Cappello   im Palazzo Pitti   öffentlich als seine Maitresse. Sie beherrschte ihn von dem Augenblick, als sie ihm einen unter­geschobenen Knaben als ihr Kind darbrachte. Mit der Ermordung aller Mitwisser dieser That, sowie ihres Mannes Bonaventuri und seiner Geliebten Cassandra Bongiani, betrat sie ihre blutige Laufbahn. Troß­dem die legitime Frau dem Herzog einen Sohn schenkte, dessen Geburt ihr das Leben kostete, wurde Bianca Cappello   auf den Rath des herzog­lichen Beichtvaters Giambattista Venosti mit Francesco heimlich ge­traut. Die geringste mißliebige Aeußerung brachte dem Tadler der herzoglichen Schwäche den Tod. Nachdem sie auch den Sohn Johannas aus der Welt geschafft hatte, wurde ihre Trauung mit dem Herzog öffentlich, in Gegenwart der spanischen   und venetianischen Gesandtschaft, vollzogen. Da die verhaßte Intriguantin, vom Adel gemieden, nur von den Pfaffen gehalten, dem erbitterten Volke ihren untergeschobenen Sohn als Thronfolger nicht aufdringen konnte, suchte sie Beistand und Schutz bei einem Gesinnungsgenossen, dem präsumtiven Thronfolger, Kardinal von Medicis  . Unser Bild stellt die Zusammenkunft des Kar­dinals mit dem Herzog und seiner Gemahlin auf dem Luftschloß Poggio de Cajani im Jahre 1587 vor. Hier sollte die Verbrecherin ihren Meister finden. Der saubere Kardinal vergiftete die Giftmischerin sammt ihrem charakterlosen Manne. Diese jedem menschlichen Gefühl hohn­sprechende Verkettung schaudererregender Thatsachen ist nicht etwa dic Fiktion eines Dichters, sondern ein blutbespriẞtes Blatt aus der aften­mäßig beglaubigten Familienchronik der Medicis  .

Dr. M. T.