Ein schwarzer Philosoph. Der Afrikareisende Hermann Soyaux machte in der ,, Gegenwart  " vor kurzem in einem höchst interessanten Artikel mit der Ueberschrift ,, Nur ein Neger" eine Reihe von höchst anziehenden Mittheilungen über einen merkwürdigen Freund von sich, von denen wir im folgenden einen Auszug geben, der den Lesern der Neuen Welt" nicht unwillkommen sein dürfte. Beim Botanisiren hatte sich Soyaux in der schluchtenreichen Umgebung von M- pungo am Dongo  einmal verstiegen und wäre, als er auf einer äußerst gefährlichen Stelle sich bemühte, eine Farrenpflanze zu pflücken, beinahe ums Leben ge­kommen, wenn ihn Joaa Gonsalves d'Azevedo, ein Schwarzer, nicht von dem Abhang mit Gefahr seines eigenen Lebens gerettet hätte.

Der Gerettete folgte dem Helfer in höchster Noth nach seiner Hütte, und wenn dieser ihn, als der Europäer Azevedo   in herzlicher Dankbar keit seinen Freund nennt, darauf aufmerksam macht, man müsse erst prüfen, ehe man mit diesem Ehrentitel jemanden auszeichne, so gab schon diese Aeußerung dem Reisenden die Gewähr, daß der Schwarze wohl werth sei, näher mit ihm bekannt zu werden. Sie kamen nun sehr häufig zusammen, und aus den bei diesen Zusammenkünften und gemeinsamen Wanderungen im Lande gepflogenen Unterhaltungen theilt Soyaux eine Reihe von Aeußerungen mit, die uns den Beweis liefern, wie recht der Erzähler hatte, dem Schwarzen seine Freundschaft zu schenken. Da der Schwarze, regsamen Geistes, wie er war, fleißig an seiner eigenen Bildung gearbeitet hatte Soyaux fand bei ihm außer reli­giösen Büchern, Landkarten, portugiesisch- englischen Wörterbüchern, auch die werke des portugiesischen Dichters Camoens  - so werden wir uns nicht wundern über die klaren Urtheile des afrikanischen Autodidakten.

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,, Wie unklug sind eure Priester!" ruft Azevedo bei anderer Gelegen­heit aus. Was versteht der Neger, wenn er auch sogenannter Chriſt ist, von einem Wort aus der Bibel, welches jeder Priester nach seinem eigenen Gefallen auslegt und deutet! Wozu geben sie überhaupt dem Neger die Bibel in die Hand, die soviel Unverständliches enthält, daß sie sogar euch ausgelegt werden muß? Sprecht dem Neger, dem Natur­menschen, von der Größe und Herrlichkeit unseres Allvaters, beweist sie ihm an Gottes schönen Geschöpfen, an dem Palmenbaum, an der Banane, am Sternenhimmel, an den Bergen, und vor allen Dingen am Menschen, an euch selbst und eurem Beispiel! Was ich von den Priestern kenne, kann mich nur mit Abscheu und Ekel erfüllen; ich be­greife die Langmuth Gottes nicht, denn seine Priester werden seine Verhöhnung! Es ist, als ob ich diesen klaren Wein in ein schmutziges Gefäß gießen wollte. Eure Priester sollten die Besten, die Voll­kommenſten eures Volkes sein, aber es sind die Schlechtesten, denn es sind Heuchler und Lügner, die sogar sich selbst betrügen! Sind die Priester in eurem Lande ebenso, wie ihre Mehrzahl bei uns sich zeigt, so bedaure ich eure Kinder, die von ihnen gelehrt werden! Ich bin überzeugt, daß ich, in ihre Hände gefallen, der vollkommensten Heuchler einer geworden wäre!"

,, Nennen Sie jene Missionäre," sagte der schwarze Weise ein andres mal ,,, Verbreiter Ihrer Civilisation? Ich nicht! Sie theilen nur die selbsterfundenen Sazungen und Formeln einer Religion mit, die mit eurer Gesittung fort- oder zurückschritt; es ist, als wenn sie auf einen Kaffeebaum das Reis eines Feigenbaums pflanzen wollten."

Wie nahe streift an hellste Vernunfterkenntniß folgendes Wort unseres Schwarzen: ,, Wenn ein Gott dies All schuf, wie groß muß er sein! Ihr Gott ist nicht größer als der der Neger! Der Gott der Schwarzen, Bambi, schuf auch alles; entweder die Erzählungen von Gott sind Menschenwort, oder der Gott der Bibel ist der Gott der Neger!"

Meist drehte es sich in den Gesprächen der beiden Freunde um allerlei interessante Erscheinungen, welche da zutage treten, wo euro­päische Kultur mit der einfachen Natürlichkeit der sogenannten ,, Wilden" zusammentrifft. Zunächst bringen wir einige Aeußerungen, welche sich auf die den Schwarzen von den Weißen entgegengebrachte Verachtung beziehen, und wie wenig dieselbe gerechtfertigt werden könne: Was haben wir euch gethan, daß ihr uns Neger so tief in eurer Werth­schätzung stellt? Wir sollen nichts gethan haben, um eure Achtung zu erringen! So wie ihr Europäer euch hier in Angola   zeigt, kann uns an eurer Achtung nichts liegen, sondern nur an den materiellen Vortheilen, die wir durch euch haben könnten, die wir aber tausendfach an euch bezahlen müssen."" Wir sollen so viele und schlechte Eigenschaften haben. Ich wüßte keine, die ihr nicht auch hättet; nur übertüncht ihr sie, ihr sagt, aus Liebe zum Besseren. Diese Liebe wird aber wohl anfänglich in der Furcht vor Bestrafung( ich schließe das nach dem, was ich an Kindern der Weißen gesehen) und in euren geregelten Ver­hältnissen wurzeln. Uns fehlen geregelte Verhältnisse, seit ihr im Lande seid!! Wo noch kein Weißer war oder wo euer Einfluß noch nicht hinreicht, leben im Innern glückliche Stämme in geordneten Verschärfste Waffe, seine Ausrüstung ruhte in seinem Herzen. Als ich im hältnissen!"

Von welcher feinen Beobachtungsgabe zeugt ferner folgende Be­merkung, welche Azevedo machte, als von der Häßlichkeit der Neger die Rede war: ,, Auch wir Neger können einmal schöner werden! Sie sprachen einmal davon, daß Ihre vornehmeren und feiner gebildeten Europäer, denen ja gewöhnlich auch größere Lebensbequemlichkeiten geboten sind, sich auch körperlich vortheilhaft hervorheben. Ich ent­sinne mich, daß ich bei meinem letzten Aufenthalt im Süden, bei den M- balundus, einem nach unseren Begriffen gut regierten Stamme, einer Volksversammlung unter dem Vorsiz der 53 Makotas( etwa eure Re­präsentanten) und 86 Sobas, Ortsvorstehern, beiwohnte. Alle die Würdenträger zeichneten sich durch hellere Hautfarbe und durch den äußeren Schein aus, den ihnen vornehmeres Leben und die Kopfarbeit, zu welcher sie die Sorge für ihre Unterthanen zwingt, auf das Gesicht prägt; ja, ich vermochte sogar ihre Verwandten, die unter dem ge­wöhnlichen Volke verstreut standen, zu erkennen. Die M- balundus sind überhaupt ein besserer Bolfsstamm, weil sie sich am längsten von der Berührung mit den Weißen ferngehalten haben."

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Wem fallen da nicht die Pizarro und andere Vorkämpfer der Civilisation" ein! Wir denken dabei auch an den, so schnell mit Flinten und Kanonen gegen die ,, Wilden" operirenden Stanley, der, wie es scheint, seinem Vorgänger Livingstone so unähnlich ist! Die Kultur­proben, welche die Europäer in jenen Ländern gegeben haben, dürften für die Ureinwohner genügen, in dem Weißen gleichzeitig einen Feind zu erblicken und ihn fernzuhalten sich zu bestreben.

Auch über die kulturellen Wirkungen des Christenthums finden wir Dinge, so edel, schön und großartig, daß man glauben möchte, der Afrikaner sei bei Lessings ,, Nathan" in die Schule gegangen.

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Was nußen uns eure Missionen? Die Negerkinder, die in ihnen erzogen werden, tangen zu garnichts; sie schreiben und lesen und beten ihr Paternoster. Aber sie haben vergessen, daß ihre Eltern Neger sind; sie schämen sich, daß sie eine schwarze Haut haben, und verachten ihre Brüder. Dabei haben sie verlernt, was für ein Negerleben nöthig ist. Sie lassen sich von den verachteten Ihren ernähren und thun sehr weise. Von Arbeit haben sie gar keine Vorstellung. Daran wird wohl auch die Erziehung schuld tragen! Sie haben nicht einmal gelernt: Liebe deinen Nächsten! Christus wird unter dem, Nächsten wohl auch uns Neger verstanden haben."

Schließlich wünschte Azevedo: Schickt uns keine Missionäre, schickt uns fromme Arbeiter, schickt uns ehrliche Männer, die bei ihrer Arbeit auch an uns, nicht nur an sich denken!"

Weiter reflektirt er: Wie mag es wohl mit dem Christenthum aussehen, wenn es einige Jahrtausende älter ist? Das Christenthum von heute ist das Werk seiner Priester; ich glaube, wenn Christus jetzt auf die Welt käme, er würde recht traurig sein, er würde zürnen über seine Priester, wenigstens über solche, wie ich sie hier in Angola   kenne. Bei euch mögen sie besser sein, aber sind nicht grade hier die besten nöthig? Wissen Sie, wer mich an Christus erinnert? Ihr oder unser Livingstone! Wie ich den Mann bewundere! Er ist ein groß­artiger Held; er allein mit seinem Wort und seinem Beispiel kämpft gegen den bösen Schatten, der von seinen Brüdern, den Weißen in unserem Lande, ausgeht. Ich sah ihn vor Jahren hier durch M- pungo am Dongo kommen; durch jene Straße zog er, von ein paar treuen Negern begleitet, die einige kleine, gelbe Blechkoffer trugen. Seine Süden und im Osten war, hörte ich von dem, Weißen mit der Müße, alle Neger hatten ihn lieb; warum kann es nicht mit allen Weißen so sein?"

Ja, fürwahr, es könnte, es sollte mit allen Weißen so sein, aber tief beschämt müssen wir gestehen, daß es eben leider nicht so ist! Beschämt müssen wir die Augen niederschlagen vor diesem ,, Wilden", der so schwerwiegende Anklagen und Vorwürfe gegen die civilisirten Kulturvölker vorbringt, denen wir faum etwas Stichhaltiges zu ent­gegnen haben. Er erinnert uns lebhaft an das Auftreten Midhat Paschas, des Türken, in dem Gelehrtenverein der Positivisten in Paris  ! Man möchte fast glauben, das alte Europa   habe jenen Völkern nichts mehr zu lehren, wohl aber könne es mit großem Nußen bei ihnen in die Lehre gehen.

Wir schließen mit einem bedeutenden, ebenso wahren als dichterisch schönen Ausspruch unseres Afrikaners, in welchem er Wesen und Werth der ihm zu Gesicht gekommenen europäischen   Kultur, oder vielmehr Ueberkultur, hart, aber gerecht beurtheilt:

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, Mit eurer Kultur kommt es mir vor, wie mit Tabaksrauch in einem schönen Zimmer: anfangs sieht er schön blau aus, er duftet so angenehm, später aber stinkt es im Zimmer!"

wt.

Zum Seelenleben der Thiere. Als ich in früheren Jahren die Gartenlaube" noch regelmäßig las, brachte dieselbe, wie ich mich ent­sinne, in ihren ,, Blätter und Blüthen" öfter fleine Skizzen aus dem Thierleben, unter der Bezeichnung ,, Instinkt oder Ueberlegung?" Sie überließ, auch wenn sie noch so frappante Beispiele einer gewissen Denk­thätigkeit der Thiere zu erwähnen wußte, das Urtheil dem geneigt Leser, auf welche Seite, ob auf die des Instinkts oder die der Ueb legung oder der Denkfähigkeit des betreffenden Thieres, von wel die Skizze handelte, er sich stellen wolle. Seit der Zeit nun, seit w ich die ,, Gartenlaube" nicht mehr lese, habe ich mich zufällig meh eingehender mit dem Seelenleben der Thiere beschäftigt, nur allein Beobachtung im täglichen Leben, und vieles ist mir von jetzt sc als aus Wahrnehmungen früherer Zeit flarer geworden. Hierz kurze Geschichte.

In den sechziger Jahren arbeitete ich in einer größeren fabrik in Berlin  ( Gesundbrunnen  ). Vor der einen Thür der durch die eine Menge Arbeiter aus- und eingingen, lag an de ein Hund, dem es jämmerlich schlecht ging. Nicht nur war armen Thier durch die alles besser wissenden und die Natur verh