Jungfrau, setzte sich mürrisch nieder und schien durchaus nicht gewillt, an dem Mahle theilzunehmen.

Es dauerte eine ziemliche Weile, bis das Familienoberhaupt, dem seine jüngste Tochter zur Rechten saß, von diesem Streit im Essen Notiz nahm. Als aber der schwersilberne Löffel seinen legten Dienst an der Suppe gethan, legte ihn Herr Krummbügel beiseite, wischte sich dann mit der Serviette den Mund, spülte ihn mit einem Schluck Rothwein rein und sagte, die peinliche Stille endlich unterbrechend:

Na, was ist denn wieder mit dir los, Alma, warum issest du deine Suppe nicht?"

" Ich werde warten, bis Herr Kühne kommt."

Herr Kühne wird, wie du hörtest, heute nicht mit uns essen." " Nun, dann esse ich auch nicht," entgegnete mürrisch das Kind und schob den Teller von sich.

Wenn du nicht essen willst, so geh weg vom Tisch." " Gut, ich gehe weg," erklärte das Mädchen trozig und nahm einen Sig soweit wie möglich entfernt von der Tafel.

Du erziehst deine Kinder gut," schrie der Fabrikant seine Gattin an.

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Ja, und das Donnerwetter! Da size ich nun hier, die Tafel ist aufgehoben und ich bin noch hungrig wie ein Wärwolf. Wo soll man die Kraft hernehmen zum arbeiten, wie ich arbeite, wenn man sich nicht einmal satt essen kann."

Es ist noch alles da, was du wünschest, du hast nur zu be­stimmen."

Ja, o ja, nun hier sizzen und allein essen; da soll man Appetit haben. Und dabei an die ungerathenen Kinder denken und an alles das andere verwetterte Zeug. Na, da lange mir nur die Kalbskeule her, ich will sehen, wie ich mit ihr fertig werde."

Bald stand die schöne, braunumkrustete Kalbskeule von neuem vor dem Fabrikanten, der sich bei diesem Anblick wieder besänftigte und mit einem großen, scharfen Tranchirmesser ansehnliche Stücke losschnitt, die von seinem Teller bald ebenso schnell wieder ver­schwanden, wie sie daraufgelegt waren. Sobald der Appetit etwas abnehmen wollte, wurde er durch einen kräftigen Schluck Roth­wein wieder belebt, und erst nachdem Herr Krummbügel ein gutes Pfund Kalbfleisch hinuntergeschleckt und den letzten Tropfen aus der Flasche nachgeschickt, faltete er die Hände auf seinem hervor­ragendsten Körpertheile und rief:

Nun tann man mir den Kaffee bringen, sowie ein Gläschen

" Was kann ich thun?" erwiderte diese gelassen. Du sprichst den einen Tag so und den andern Tag sprichst du wieder ganz anders. Da verlieren die Kinder die Richtung. Ist das ein, Verdauung." Wunder?"

" Ja, du mußt allemal die Partie der Kinder gegen mich nehmen, selbstverständlich."

Weil ich die Kinder verstehe, da ich immer mit ihnen bin. Du aber verlangst, daß sie sich in dich schicken sollen, und du gibst ihnen doch keine Gelegenheit, dich kennen zu lernen."

So? Machst du auch Opposition gegen mich? D, ich sehe, das sozialdemokratische Gift schleicht immer weiter, es scheint so­gar meine Familie zu infiziren. Aber ich werde dem ein Ende setzen. Die ganze Umgegend will ich reinmachen, oder ich will nicht mehr Krummbügel heißen und der erste Steuerzahler weit­hin in der Runde sein. Der Staat weiß, wen er an mir hat, was ich ihm werth bin, der Staat soll auch etwas für mich thun.

" Verdauung" sagte Herr Krummbügel nur, um nicht zu sagen " Cognac", denn er war soweit deutscher Patriot, daß er zwar nicht auf die französischen Getränke, wohl aber auf deren Namen verzichtete, und somit etwas weiter ging, als der Spruch in Goethe's " Faust" lautete:

"

Ein ächter deutscher Mann Mag keinen Franzen leiden,

Doch seine Weine trinkt er gern."

Nachdem er den Kaffee und den Cognac zu sich genommen, warf er sich auf's Sopha und war bald darauf entschlummert. Inzwischen ging das Geschäft seinen Gang. Herr Krummbügel, obwohl er sich gern die Seele des Geschäfts" nannte, wurde nirgends vermißt. ( Fortseßung folgt.)

Johann Paul Friedrich Richter ( Jean Paul ).

Von A. Reichenbach.

Eine ganz eigenthümliche Erscheinung in der deutschen Dichter schaar ist Johann Paul Friedrich Richter . Wahrhaft genial in seiner individuellen Anlage, ein Dichtertalent im besten Sinn des Wortes, werth, unseren beiden größten, Goethe und Schiller, als dritter an die Seite gestellt zu werden. Doch wieder von ihnen so verschieden, daß sie selbst von ihm sich mehr abgestoßen als angezogen fühlten. Mangel an Durchbildung, eine im höchsten Grade gedrückte Lebenslage, beinahe durchgehend bis zu seinem Tode, sowie die individuelle Neigung für die besondere Form der Satire und des Humors haben den Schöpfungen dieses Mannes einen Stempel aufgedrückt, der sie trotz der Fülle und Genialität ihres Inhalts heutzutage faum noch lesbar erscheinen läßt. Nur aus literarwissenschaftlichem Interesse greift man noch danach, sonst werden sie wenig oder garnicht mehr gelesen. Allerdings hat der so sehr prosaische Realismus unserer Zeit auch noch seinen guten Theil Schuld daran.

Johann Paul Friedrich Richter wurde geboren am 21. März 1763 zu Wunsiedel im Fichtelgebirge. Sein Vater war Schul­mann und Pastor, der bald nach der Geburt dieses Knaben in der letzteren Eigenschaft nach Jodiz berufen wurde, wo daher der kleine Johannes auch seine Kinderjahre zubrachte. Doch auch da war des Bleibens nicht lange, der Pastor Richter wurde von Jodit nach Schwarzenbach bei Hof versetzt und starb hier schon im Jahre 1779, seine Familie in großer Dürftigkeit hinterlassend. Dennoch besuchte der erst sechzehnjährige Johannes von 1779 bis 1781 das Gymnasium in Hof. Den Anfangsunterricht in den Klassischen Sprachen hatte er von seinem Vater selbst erhalten, da er, nach dem übereinstimmenden Wunsche bestimmt war, in die Fußstapfen des Vaters zu treten. Leider war es der lettere, der zuerst durch seinen für die Familie zu frühen Tod diesen Plan durchkreuzte. Trotzdem wurde alles aufgeboten, um dem ältesten Sohne das Studium der Theologie zu ermöglichen. Keinesfalls reichten dazu die Mittel der hinterbliebenen Pastors­

witwe aus, denn außer Johannes waren noch vier Brüder da, welche ebenfalls das Nöthige für Körper und Geist verlangten. Dessenungeachtet bezog Johann Paul Friedrich Richter im Jahre 1781 die Universität Leipzig , um daselbst Theologie zu studiren. So sehr auch sein Geist nach Wissensnahrung verlangt haben mag, auch der Körper wollte das Seinige haben. Der sonst mit der vollsten Gesundheit des Geistes und Körpers ausgestattete Musensohn gerieth bald in die bitterste Noth. Was thun? Von der Mutter war nichts zu erwarten, denn diese war selbst arm. Da erwachte seine Neigung zur Schriftstellerei und er schrieb sein Erstlingswerk, die Grönländischen Prozesse". Schon diese Be­zeichnung deutet auf den satirischen Inhalt hin. Aber sein in der Schriftstellerwelt noch völlig unbekannter Name, theils aber auch grade diese Art der Darstellung, machten es ihm sehr schwer, für diese Schrift einen Verleger zu finden. Endlich gelang es ihm doch, und das erste Schriftstellerhonorar lag als klingende Münze in seiner Hand. Das erweckte Hoffnung und Muth. Allerdings war das Sümmchen klein genug, und wenn der an­gehende Autor auch den besten Willen hatte, durch fleißige Arbeit sich den zur Fortsetzung seiner Studien nöthigen Unterhalt zu verdienen, es ging doch nicht, wie er es sich gedacht; er gerieth in Schulden und sah sich im Jahre 1784 gezwungen, Leipzig heimlich zu verlassen. Aber nun wohin? Mag eine Mutter noch so arm sein, für ein liebes Kind weiß sie immer noch ein Obdach und eine Suppe zu schaffen. So ging auch der tief­betrübte, sonst so hoffnungsvolle Jüngling zu seiner Mutter, welche mit ihren vier übrigen Söhnen in einem kleinen, ärmlichen Hause in Hof lebte. Dort saßen sie, die lieben Sechs, zusammen in ein und demselben Stübchen, über Gegenwart und Zukunft nach­sinnend, der junge Schriftsteller mit dem Lesen verschiedener Schriften, dem Herausschreiben schöner Stellen und dem Nieder­schreiben seiner eigenen Gedanken beschäftigt. Beinahe drei Jahre dauerte dieses dürftige Zusammenleben. Im Spätjahr 1786 traf

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