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sich mit seinen azurgesättigten, immer wechselnden Farben bis an den Horizont, an dessen Ostrande sich die kühngemeißelte Doppelpyramide des Vesuvs erhebt. Helle Segel, mit blauen Schatten verbrämt, schweben über der leuchtenden Fluth, und das langgestreckte Festland, von marmorglänzenden Städten und Villen unterbrochen, schließt das paradiesische Bild. Und dies alles von jenem Uebermaß von Licht übergossen, wie es in ewig unveränderter Fülle der stets heitere Himmel auf Neapel herabgießt. Eine Fischerfamilie pflegt im Schatten des auf den Strand gezogenen Bootes des Dolce far niente des süßen Nichtsthuns. Jener zarte Liebesstrom, den das milde Klima im leisen Säuseln und Wehen erhält, daß er nicht in Faulheit ausarte, statt Erquickung und Belebung zu werden, verklärt diese bedürfnißlosen Menschen. Der Mann greift in die Saiten der Mandoline, um sein sinnend ruhendes Weib in den Schlaf zu singen, und in den langgezogenen, schaumgekrönten Wogenkolonnen, die, sich hohl aufbäumend, dann wuchtig überſtürzend, endlich noch in flachen, milchig schäumenden Wellen über den schrägen Strand bis zu ihren Füßen heranſchießen, plätschern die sorglosen Kinder. Das ist die Lichtseite unseres Bildes, welches, wie alles in der Welt, seine Schattenseite hat. Diese tadellos gebauten Menschen mit den klassisch geschnittenen Gesichtszügen sind dumm und abergläubisch. Statt der Naturerkenntniß ihrer Vorfahren, der Römer und Griechen, dieser höchsten Errungenschaft des Menschengeistes, huldigen sie einem Gößendienst, der sich nicht wesentlich von dem Fetischfultus der Neger Innerafrikas unterscheidet. Die freie, gute Schule, welche die reichen Anlagen der Jugend wecken könnte, ist unbekannt; dafür klingeln tausend und tausend Glocken, singt es und jammert es in den Kirchen, flammert es sich bei Dürre, Ueberschwemmung und Hunger an die Heiligen. Und wenn alles nichts hilft, so stellt sich ein Wunder ein. Da nicht eine Madonna mit dem Kopfe, dort schwißt ein Heiliger große Tropfen und fängt sein Blut an flüssig zu werden. Die Verfasser dieser traurigen Posse sind die Pfaffen. Das Sprüchwort, welches hier wie überall den Nagel auf den Kopf trifft, charakteri sirt diese Blutsauger mit folgenden Worten: ,, Fra tutti è uno di buono, e questo è ancora non nato"; zu Deutsch : ,, Unter allen ist wohl einer gut, aber dieser ist noch nicht geboren." Je entlegener ein Ort ist, desto schlimmer und zahlreicher hausen diese Parasiten; auf dem ausgemergeltsten Körper noch sißen sie und saugen Schweiß und Blut. Gleich den Aasgeiern ,, nähren sie sich von dem Fette der Erschlagenen". Dr. M. T.
Aerztlicher Briefkasten.
Breslau . R. F. In der weiblichen Brustdrüse vorhandene Knoten sind keineswegs immer krebsartig, und namentlich kann man bei jungen Mädchen oder bei jungen Frauen, welche abgestillt haben, mit ziemlicher Sicherheit darauf schließen, daß derartige Knoten nicht zu den Krebsen gehören, also gutartig sind. Bedenklicher sind die in der Mitte der dreißiger Jahre und später auftretenden Geschwülste, namentlich wenn sie nicht oder nur wenig beweglich und mit der Haut oder nach rückwärts mit dem großen Bruſtmuskel verwachsen sind. Der Schmerz ist nicht entscheidend, denn die dem Krebse eigenthümlichen lancinirenden oder brennenden Schmerzen finden sich öfters erst in einer späteren Periode der Krankheit. Ueberhaupt ist die Erkennung dieses Leidens, wenn sich die sog. Krebskacherie noch nicht eingestellt hat, bei der die Haut eine bleiche, graugelbe oder erdfahle Färbung annimmt und die Kranke abmagert, oder wenn die Geschwulst noch nicht aufgebrochen ist, mitunter schwierig. Mangels eigener Anschauung fehlt uns in dem vorliegenden Falle selbstverständlich jedes Urtheil. Wir wollen deshalb nur bemerken, daß die Amputation der ganzen Brustdrüse, solange die benachbarten Achselhöhlendrüsen noch nicht ergriffen sind, mitunter dauernde Heilung verbürgt, und daß mit derselben nicht gezögert werden darf, wenn der Knoten schnell wächst. Die Verordnung innerlicher Mittel gegen dieses sehr schwere Leiden, sofern diese nicht blos die Schmerzen stillen, sondern direkt heilen sollen, ist Charlatanerie.
Glauchau . F. L. An den Aderknoten Ihrer Frau hat die Hebeamme teine Schuld, sondern dieselben entstehen durch eine gewisse Schwäche und Nachgiebigkeit der Wandungen der Blutadern, besonders wenn der Rückfluß des Blutes aus den Untergliedern auf ein Hinderniß stößt. Dieses Hinderniß ist bei der Schwangerschaft theils die vergrößerte Gebärmutter, theils die Anhäufung von Kothmassen im Darmfanale, welche einen Druck auf die große Hohlvene und die Hüftvenen ausüben. Um diesen Druck zu vermindern, läßt man vom dritten bis vierten Schwangerschaftsmonate ab eine Leibbinde tragen, welche den Bauch in die Höhe hält, und außerdem sorgt man für regelmäßigen Stuhl, nicht durch Abführmittel, sondern durch Genuß von abgekochtem Backobst, von frischem Obst, von Honig mit Provenceröl, von Honigkuchen u. dgl., sowie durch Klystiere. Bedeutendere Aderanschwellungen
erheischen die kunstgerechte Anlegung einer Kleisterbinde oder das Tragen von Lederstrümpfen, welche den Vorzug vor den gleichfalls häufig gebrauchten Gummistrümpfen verdienen. Jener Brusthonig hat feinen höheren Werth als jeder andere, gewöhnliche Honig.
Viele Brustkranke bitten uns fast täglich um Auskunft; ja es beträgt die Zahl der um Hülfe Flehenden fast ein Drittel der an die Redaktion gelangenden Briefe. Zu unserm Bedauern sind wir nur sehr selten in der Lage, derartige Briefe beantworten zu können, denn einerseits muß einem passenden Rathe in fast jedem Falle eine genaue Untersuchung der Athmungsorgane vorausgehen, andererseits ist für diese beklagenswerthen Kranken sehr oft auch der beste, ärztliche Rath gleich Null. Denn mit Arzneimitteln ist in den meisten Fällen sehr wenig auszurichten, und die wirklichen Heil- oder Besserungsmittel: gesunde Luft, Aufenthalt in einem milderen Klima, ruhiges und sorgenfreies Leben, zweckmäßige Kleidung und gute Kost können wir zwar verordnen, aber der betreffende Kranke würde diese Verordnung wohl nur befolgen, wenn wir unserer Antwort einige Tausendmarkscheine beifügten. Die neueren Aerzte legen deshalb durchschnittlich den größten Werth auf die Verhütung von Lungenkrankheiten, umsomehr, da die Erfahrung gelehrt hat, daß trotz Anwendung der obengedachten Heilmittel das Leiden doch häufig einen bösen Ausgang nimmt. Diese Verhütungsmethode kann jeder, auch der Aermste, anwenden, und wir werden demnächst Veranlassung nehmen, uns in einem besondern Artikel darüber auszusprechen. Wer nicht auf denselben warten will, der schaffe sich das kleine, bei J. J. Weber in Leipzig erschienene Werkchen von Paul Niemeyer : Die Lunge" an. Niemeyer ist unter den jetzigen Aerzten unbedingt der beste Lungendiätetiker, wenn er auch hie und da zu weit geht. In Bezug auf die ebenfalls recht oft von der Lungenschwindsucht Verdächtigen an uns gerichteten Frage, ob sie heirathen dürfen? bemerken wir, daß deren Beantwortung von den besonderen Verhältnissen des Betreffenden abhängt. Stammt derselbe aus einer Familie, wo Vater oder Mutter an der Lungenschwindsucht zugrunde gingen, und ist er selbst nicht kräftig, so sind wir sehr geneigt, diese Frage entschieden zu verneinen. Aus einer solchen Ehe, zumal wenn die Frau auch nicht von den besten Eltern stammt, springt nichts Gutes heraus. Jahrelange Krankheiten der Eltern oder Kinder untergraben den Wohlstand der Familie, und während man sich selbst wegen des unüberlegten Eheschlusses anklagen sollte, macht man den Aerzten Vorwürfe, wenn sie die jammervollen Produkte solcher Ehen das ,, skrophulöse Gesindel", wie Prof. Leo sagte, nicht kuriren können.
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Spandau . F. S. Versuchen Sie gegen das Haarausfallen wöchentlich einmal eine Waschung der Kopfhaut mit Franzbranntwein, in welchem eine Quantität Salz aufgelöst ist. Wissenschaftliche Haarspezialisten gibt es nicht. Auch jener, von ärztlicher Seite gewöhnlich empfohlene Haarspezialprofessor ist nach unserer Ueberzeugung, die wir aus der von ihm mit einigen Kranten gepflogenen Korrespondenz gewonnen haben, wenn nicht ein Charlatan, so doch ein Beutelschneider ersten Ranges. Aus den bereits wiederholt an dieser Stelle erörterten Gründen ist die Beantwortung der Briefe von O. Th. in Zwenkau , J. G. in Frankfurt aM., Hermann U. in der Kastanienallee in Berlin ; Bernhard M. in der ABC- Straße, und U. 3. auf dem Kraienkamp in Hamburg und Frau K. in Berlin unmöglich. Leßtere wolle jedoch das nachlesen, was wir schon oft über die Behandlung von Kindern, die an der englischen Krankheit leiden, gesagt haben.
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Antworten auf ihre Fragen finden in früheren Nummern der ,, N. W. " von diesem Jahre: E. Str. in Winterthur und W. P. in Pancsova in Ungarn . Den übrigen Briefschreibern haben wir( bis zum 24. August) direkte Antwort ertheilt. Dr. Resau.
Redaktions- Rorrespondenz.
Prag . 2. M. Sie scheinen von Natur etwas barbarisch angelegt zu sein, dieweil Sie ,, von der, N. W. nichts so sehr freut, als daß im Redaktionsbriefkasten die Dichterlinge so grausam geschunden werden". Wir schinden" das Heer der Poeten von Gottes Borne nicht, wie Sie anzunehmen scheinen, weil wir Lust empfänden an anderer Leute Schmerz, sondern weil wir die Pflicht fühlen, mit dem Messer unserer Kritik den Krebsschaben der Selbsttäuschung über poetische Leistungsfähigkeit auszuschneiden, wo wir ihn finden. Wir schinden" aus Barmherzigkeit und nicht aus Grausamkeit.
Uetersen . Landmann H. H. Behufs näherer Auskunft über die Universalmühle von Steimmig ist Ihr Schreiben Herrn Dr. B.-R. überwiesen worden.
Shanklin( Isle of Wight ). C. H. für die Deutschen in Shanklin. Für den allerdings wohl unwahrscheinlichen Fall, daß Sie unser zweiter Brief ebensowenig erreichen sollte, als es der erste gethan, sei hier nochmals mitgetheilt, daß Sie das Quartals Frbl. Dank für Ihre und Ihrer Freunde warmen Sympathien. abonnement unseres Blattes bei Streifbandsendung auf M. 4,70 zu stehen kommen würde.
B. Postsekretär R. Sie erhalten briefliche Nachricht. Nur ein wenig Geduld. Begau . A. N. Annoncen nimmt die ,, N. W. " nicht auf.
Deberan. A. B. So hochverdient nm die Sache des Volkes, daß ihm die ,, N. W. " ein Denkmal sehen müßte in Wort und Bild, ist der von ihnen erwähnte Schriftsteller R. doch wohl nicht. Nur die Besten haben Anspruch darauf.
Ein Theil der Redaktionskorrespondenz mußte Raummangels wegen zurückbleiben. ( Schluß der Redaktion: Montag, den 26. Auguft.)
Inhalt. Das Patent, Novelle von A. Otto- Walster. Johann Paul Friedrich Richter ( Jean Paul ), von A. Reichenbach( mit dem Porträt Jean Pauls). Irdische Massenbewegung. Die Retterin in der Noth, von Dr. M. Trausil.- Weltausstellungsbriefe.( VII. Schluß.) Dolce far niente( mit Illustration). Aerztlicher Briefkasten. Redaktionskorrespondenz.
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Verantwortlicher Redakteur: Bruno Geiser in Leipzig ( Plagwizerstraße 20). Expedition: Färberstraße 12. II. Druck und Verlag der Genossenschaftsbuchdruckerei in Leipzig .
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