Die ganze Erscheinung beruht aber in einem in sich zurück fehrenden Schwingen der kleinsten Theilchen; wenn die Wellen in einem nicht fließenden Gewässer fortzueilen scheinen, so ist das nur Augentäuschung. Das zeigt am besten ein wogendes Korn­feld, wo jede Aehre, vom Winde nach unten gedrückt, von der Elastizität des Halmes wieder gehoben wird; dabei sehen wir die Wellen ganz deutlich über das Feld eilen, während doch jede Aehre nur einen kleinen, in sich zurückkehrenden Weg be­schreibt.

Alle bisher angeführten Bewegungen bezeichnen wir als Massenbewegungen, weil die Körper sich als Ganzes bewegen. Wählen wir aber statt einer dünnen Klavierseite ein großes, dickes Stück Eisen und schlagen dasselbe anhaltend mit einem schweren Schmiedehammer, so hören wir zwar auch noch ein Geräusch, aber es tritt auch zugleich ein Erwärmen des Eisens ein, das sich bis zum Glühen steigern läßt. Das durch das Geräusch angezeigte Schwingen des ganzen Körpers ist selbst nur als scheinbare Verdickung nicht mehr wahrzunehmen. Es geschieht hier der Uebergang von Massen- in Molekularbewegung, welche lezztere sich dadurch kennzeichnet, daß die mit ihr behafteten Körper ihre Lage gegen ruhende andere nicht ändern, ebenso wie eine Veränderung ihrer äußern Form nicht sichtbar ist, während sie doch Bewegung irgend welcher Art abzugeben vermögen. Aus der Wärmebewegung erzeugen wir sehr häufig wieder Massen­bewegung.

Der Ausgang aller irdischen Massenbewegung ist schließlich immer in Wärme, die unter gewissen Umständen zuerst auftretende Elektrizität verwandelt sich, wenn sie strömt, beständig in Wärme. Aus einer bestimmten Bewegungsgröße erhalten wir immer eine bestimmte, gleich große Wärmemenge. Sie ist auf verschiedene Weise durch Versuche gefunden worden. Wenn man als Maß­einheit für Wärme die Menge annimmt, durch welche die Temperatur von 1 Kilogramm Wasser um 1 Grad Celsius er­höht wird, so find 425 Kilogrammmeter gleich einer Wärme­einheit, d. h. wenn 425 Kgr. einen Meter hoch fallen, oder 1 Kgr. 425 Meter hoch, so wird soviel Wärme dadurch entwickelt, als 1 Kgr. Wasser um einen Grad erwärmt. Umgekehrt entspricht die Bewegung, welche wir einem Kilo Wasser durch Erwärmung um einen Grad Celsius hinzufügen, der Erhebung von 425 Kgr. auf 1 Meter Höhe. Daß wir mit dieser Wärmemenge eine solche Gewichtshebung faktisch nicht ausführen können, beruht zum Theil

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auf der Mangelhaftigkeit unsrer Maschinen; doch wird es aus vielen Gründen nie möglich sein, eine gegebene Menge Wärme vollständig in Massenbewegung umzusetzen.

Es ist daher eine ziemlich müssige Arbeit, zu berechnen, wie oft versucht wurde, wieviel Kohlen wohl verbrannt werden müßten, um die Dampfmaschine mit Dampf zu versorgen, die im Stande wäre, einer Masse gleich unsrer Erde ihre Umdrehungs- und Um­laufsgeschwindigkeit zu ertheilen! Interessanter und lehrreicher finden wir umgekehrt die Berechnung des mechanischen Wärme­äquivalents für die in der Erde vorhandene Bewegungsgröße. Wir können die Aufgabe verständlicher so stellen: Was würde geschehen, wenn es einem unsrer glaubensstarken Mitbrüder ge­länge, das von Josua mit solchem Erfolg an der Sonne verübte Attentat mit unsrer Erde in Szene zu setzen?

Gehemmte Massenbewegung muß sich in Wärme umsetzen; berechnen wir sie!

Die Geschwindigkeit des Erdmittelpunktes in der Umlaufsbahn um die Sonne beträgt etwa 35 Kilometer. Die Hubhöhe, wie oben berechnet, ist demnach 62,436,391 Meter. Jedes Kilogramm wird also eine Bewegungsgröße von 62,436,491 Kilogrammmeter be­ſizen, oder eine ebenso große mechanische Wirkung ausüben. Durch Theilen dieser Zahl mit 425 erhalten wir die Anzahl Wärme­einheiten, welche diese Bewegungsgröße erzeugt, es find 146,674. Da die Wärmekapazität der Erde nur ein Viertel von der des Wassers ist, das heißt, da dieselbe Wärmemenge 1 Kgr. Erde um 4 Grad erwärmt, so muß die Temperatur des Kilogramm Erde 586,596 Grad Celsius betragen, und da dieselbe Berechnung für jedes andre Kgr. Erde gleichfalls gilt, so würde die ganze Masse der Erde dieselbe Temperatur annehmen, wenn ihre Umlaufs­bewegung plötzlich gehemmt würde.

Den Wärmeeffekt aus der gehemmten Arendrehung- brauchen wir nicht erst zu berechnen; der Athem stockt uns vor Grausen beim Gedanken an eine Hize, wie sie die wahnglühendste Phan­tafie eines mittelalterlichen Mönches für seine geliebte Hölle nicht zu ersinnen wagte. Sollten wir einst ein solches Ereigniß er­leben und wir nach geschehener ungeheurer Explosion unsre disso­ziirten Atome auf dem Neptun wiederfinden, so wünschten wir die unsres erdhemmenden Bruders doch auf dem Sirius zu wissen, damit wir nach erneuter immer höherer Organisirung unsrer Atome nicht zum zweiten mal durch solchen Rückschlag bedroht, die ganze Plackerei wieder umsonst gethan hätten! R.-L.

Kunst und Revolution.

Von W. H.

Eine wunderbare Schrift erschien im Jahre 1850 unter vor­stehendem Titel. Der Verfasser ist der berühmte Tondichter Richard Wagner . Aus seinem Leben sei hervorgehoben, daß er im Jahre 1849 an dem Maiaufstande in Dresden sich be­theiligte und nach Niederwerfung desselben durch preußische Sol­daten in die Schweiz flüchtete. Nach der Amnestie im Jahre sich nach München , wo er zum Generalintendanten der königlichen Schauspiele ernannt wurde, und von dort nach Bayreuth , woselbst er ein Nationaltheater erbauen ließ. Seinen höchsten Triumph feierte er im Jahre 1876, als er in dem eben vollendeten Theater seine Riesenschöpfung: Der Ring der Nibelungen " zur Aufführung brachte.-

Ehe wir näher auf den Inhalt der weniger vergessenen, als mit Absicht dem Publikum vorenthaltenen Schrift eingehen, sollen hier einige Säße aus derselben Platz finden, die zeigen, wie sehr der große Künstler ein Verständniß für das gesammte Volks­wesen hatte, wieviel ihm an der Mithülfe der Gesammtheit ge­legen war.

Nachdem Wagner die große Aufgabe, die ungemeine Wichtig­keit angedeutet hat, die der Kunst in Bezug auf die soziale Be­wegung zufällt, fährt er fort:

Mehr und besser als eine gealterte, durch den Geist der Deffentlichkeit verleugnete Religion, wirkungsvoller und ergreifen­der, als eine unfähige, lange an sich irre gewordene Staats­weisheit, kann die ewig jugendliche Kunst, die sich immer aus sich und dem edelsten Geiste der Zeit zu erfrischen vermag, dem leicht an wilde Klippen und in seichte Flächen abweichenden Strome

leidenschaftlicher sozialer Bewegung ein schönes und hohes Ziel zuweisen, das Ziel edler Menschlichkeit."

Wagner ruft nun den Freunden der Kunst, dann den redlichen Staatsmännern zu, obige Worte zu beherzigen, und wendet sich dann in rührender, aber energischer Weise an das gesammte Volk, vorzüglich an das arbeitende Volk:

Ihr leidenden Mitbrüder jedes Theiles der menschlichen Gesellschaft, die ihr in heißem Grollen darüber brütet, wie ihr aus Sklaven des Geldes zu freien Menschen werden möchtet, begreift unsere Aufgabe und helft uns die Kunst zu ihrer Würde zu erheben, damit wir euch zeigen können, wie ihr das Handwerk zur Kunst, den Knecht der Industrie zum schönen, selbstbewußten Menschen erhebet, der der Natur, der Sonne und den Sternen, dem Tode und der Ewigkeit mit verständnißvollem Lächeln zuruft: auch ihr seid mein und ich bin euer Herr!"

Aus diesen Worten des genialen Meisters strömt voll und ganz die hoffnungsfreudige Menschenliebe hervor, welche eine glückliche, durch die wahre Kunst getragene Zukunft dem Menschen­geschlecht in sichere Aussicht stellt, wenn nur das Volk selbst seine Mithülfe nicht versagt. Und daß dies nicht geschieht, davon haben wir nach dem großartigen Aufschwunge, den das Volksleben in den letzten fünfzehn Jahren besonders in Deutschland genommen hat, die festeste Ueberzeugung.

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Nach einer kurzen Einleitung, in welcher Wagner alle diejenigen Künstler" bemitleidet, welche sich vor revolutionären Zuckungen des geschädigten Broterwerbs wegen fürchten und die deshalb jegliche Revolution hassen, führt er uns in die Blüthezeit der griechischen Kunst. Apollon , den Nationalgott der Griechen, zeigt