ersten Sängern der italienischen Oper lieber noch in seinem Salon, als im Theater( jedoch auch hier um keinen Preis am heiligen Sonntage) vorsingen läßt, weil er den Ruhm hat, sie hier noch theurer bezahlen zu müssen, als dort. Das ist Merkur und seine gelehrige Dienerin, die moderne Kunst."
11
Und weiter schildert der große Künstler die gegenwärtige Kunst" mit schneidender Schärfe:
"
Das ist die Kunst, wie sie jetzt die ganze zivilisirte Welt erfüllt! Ihr wirkliches Wesen ist die Industrie, ihr moralischer Zweck der Gelderwerb, ihr ästhetisches Vorgeben die Unterhaltung der Gelangweilten. Aus dem Herzen unsrer modernen Gesellschaft, aus dem Mittelpunkte ihrer freisförmigen Bewegung: der Spekulation im großen, saugt unsere Kunst ihren Lebenssaft, erborgt sich eine herzlose Anmuth aus den leblosen Ueberresten mittelalterlich ritterlicher Konvention, und läßt sich von da
-
600
-
mit scheinbarer Christlichkeit auch das Schärflein der Armen nicht verschmähend zu den Tiefen des Proletariats herab, entnervend, entsittlichend überall, wohin sich das Gift ihres Lebenssaftes ergießt."
Als Resultat des Vergleichs der modernen mit der griechischen Schauspielkunst erhalten wir von Wagner folgenden trefflichen Sazz, der auch den Schlußsaz unseres heutigen Artikels bilden soll:
" Wo der griechische Künstler, außer durch seinen eigenen Genuß am Kunstwerke, durch den Erfolg und die öffentliche Zustimmung belohnt wurde, wird der moderne Künstler gehalten und bezahlt. Und so gelangen wir denn dahin, den wesentlichen Unterschied fest und scharf zu bezeichnen, nämlich: die griechische öffentliche Kunst war eben Kunst, die unsrige künstlerisches Handwerk." ( Fortsetzung folgt.)
Moderne Gattinnen.
Skizze aus der Gesellschaft. Von M. Kautsky.
Wer die Umgebung Wiens kennt, der weiß auch, was für herrliche Thäler, schöne Waldgebirge, reizend gelegene Ortschaften da zu finden sind. Reine Luft, süße Ruhe, malerische Partien, alles, was so ein geplagtes Menschenkind, das sich den Tag über mit wiener Straßenaroma gesättigt, sich müde gearbeitet und geschaut, nun braucht, um seine Glieder, seine Lunge und seine Augen wieder für die morgen sich erneuernden Plagen ein wenig zu stärken.
=
Freilich gibt es solcher Feierabend- Erholungswinkel schon eine halbe Meile vor der Stadt, aber da Madame es vorzog, zwei Meilen weit ihren Landaufenthalt zu nehmen, da sie die Gebirgsluft so nervenstärkend, die Gesellschaft hier ausgesuchter findet, so ist es auch Monsieur plausibel gemacht worden, daß morgens und abends eine halbe Stunde Fahrt mit der Bahn, und eine ganze mit dem Stellwagen, zu den nothwendigen, gesundheitentsprechenden Bewegungen eines verheiratheten Mannes gehöre, der überdies Neigung zu einem leichten Embonpoint verrathe, eine Neigung, die Madame bei einem dreißigjährigen Manne höchst unanständig fand. Und so saß denn auch heute, wie alle Nachmittage, Heinrich Bruno, Doktor der Rechte, im Innern des sich langsam durch den Staub wälzenden Ungeheuers, Stellwagen genannt, und ließ sich, sehnsüchtige Erwartung im Herzen, einen Westphälerschinken und einige Schachteln Bonbons in einer großen Tasche mit sich führend, seiner lieblichen Villa zurütteln.
Doktor Bruno gehörte ohne Zweifel zu denen, die ein reiches Gemüth, ein gutes Herz besitzen, deren lebhafte Phantasie immer zum Dolmetsch ihrer Wünsche wird, und deshalb nur das Angenehmste ihnen vorzaubert, das sie die bösen Launen der Gegenwart oft genug übersehen läßt. Saß er doch jetzt eingepfercht zwischen zwei dicken Frauen, die Freundinnen zu sein schienen, benn sie tauschten die intimsten Bekenntnisse so über ihn hinweg aus; als er aber mit der artigsten Bereitwilligkeit seine, die Konversation hindernde Persönlichkeit aus ihrer Mitte entfernen wollte, und um den Edsiz bat, wurde dieses Ansinnen mit dem, allerdings sehr motivirten Ausspruch:" Der Platz in der Mitte ist der schlechteste, wir sind selbst froh, daß wir beim Fenster sißen," zurückgewiesen. Weit entfernt, darüber ärgerlich zu werden, ließ er das Kreuzfeuer ihrer Beredtsamkeit ruhig über sich hinstreifen, schloß die Augen und dachte an die Süßigkeiten des Heims, an sein junges Weibchen, sein kleines Bübchen, an die angenehme Frische und Kühle seines Gartens, die ihn nach diesem unfreiwilligen Schwigbade doppelt laben würde.
Einmal zuhause, wollte er sich schon entschädigen, sich's recht fommode machen, und, sanguinisch wie er war, erlaubte er sich sogar, an die, freilich von seiner Gattin verpönten Freuden eines Schlafrocks und gestickter Pantoffeln zu denken.
Ja, seine einmal entfesselte Phantasie gefiel sich, ihm die Wonnen eines Tschibuks, mit den sich sanft fräuselnden, allmählich verduftenden Rauchringen, und die Stärkungen eines frisch schäumenden Bieres ahnen zu lassen.
Er sah sein Luischen an seiner Seite, das zärtlich zu ihm aufjah, ihm leuchtenden Auges von ihren mütterlichen Freuden erzählte, und endlich den kleinen, fünf Monate alten Sprossen selber brachte, dem der überglückliche Vater, der die Prinzipien
der Abhärtung und Kräftigung bei seinem Sohne frühzeitig anwenden wollte, einige Tropfen Bier einflößte.
Aber Träume, Schäume! Auch die Idylle, die der Doktor in der sonnigsten Beleuchtung komponirte, zerstob in nichts nach einem vehementen Stoße des Wagens, der ihn mit seinen Nach Die Wirklichkeit barinnen in allzu fühlbare Berührung brachte. trat wieder in ihre Rechte, und der arme Bruno fonnte sich über die Hize, den Staub, das alberne Geplapper seiner Mitpassagiere und die Zerschlagenheit seiner Glieder keinen weiteren Illusionen hingeben.
Da, endlich war das Ziel erreicht, der Wagen hielt, er stieg aus und war in weniger als fünf Minuten in dem geträumten Eldorado seiner Häuslichkeit.
Ein heftiges Kindergeschrei empfing ihn, aus dem er mit Befriedigung die gesunde Lunge seines Erben konstatirte; er trat mit der lächelndsten Miene in das Kinderzimmer, wo er die Köchin, das Faktotum des Hauses, in vollster Arbeit fand, seinem Hugo mit einem dicken Brei den Mund zu stopfen, welches Geschäft sie mit unerbittlicher Konsequenz, froß aller Widerstandsversuche des Kleinen, fortsette.
" Johanna," rief der über dieses Gebahren geängstigte Vater, ,, was machen Sie mit dem Kinde? Sehen Sie denn nicht, daß es die zähe Masse nicht hinunterwürgen fann? Wo ist seine Amme?"
„ Ach, gnädiger Herr, gut, daß Sie fommen," sagte Johanna, den Löffel etwas erzürnt beiseite werfend und aus Hugos Gesichtchen die reichlichen Ueberreste des Mahles wischend.„ Ich weiß nicht mehr, was ich mit dem kleinen Eigensinn anfangen soll. Bitte, nehmen Sie ihn einen Augenblick, vielleicht können Sie ihn beruhigen. Die gnädige Frau war gezwungen, die Amme fortzuschicken, weil diese plötzlich frank geworden ist und nach Hause verlangte; jetzt soll ich den Buben füttern, aber er ist so boshaft und will just nichts nehmen."
"
Wo ist meine Frau?"
" Sie hat einen Ausflug gemacht." " So!"
„ Mein Gott, die Gnädige wollte anfänglich nicht. Als die Frau von Schwarz herüberfam, sie abzuholen, sagte sie entschieden, Nein!'; dann kamen aber auch der Herr Baron und der Herr Lieutenant, und sie baten solange, bis sie mitging."
Ein zweites noch gedehnteres ,, So!" entfuhr den Lippen des etwas enttäuschten Gemals.
" Die gnädige Frau hat gesagt, Sie möchten nur nachkommen," fahr die diplomatische Köchin, die ihrer Herrin sehr ergeben schien, in der determinirtesten Weise fort;„ die Herrschaften werden im Rückweg den Wald bei der Mühle passiren, da können Sie die gnädige Frau garnicht verfehlen."
" Johanna, bringen Sie mir meine Pantoffeln und meinen Schlafrock."
„ Aber gnädiger Herr-"
" Keine Bemerkungen, Johanna."
Diese ging, etwas vor sich hinbrummend, nachdem sie den Hugo in die Arme seines Papas gelegt, der nun versuchte, seiner Aufgabe als Kindsmädchen so gut wie möglich gerecht zu werden.