nun schon an die äußerste Akkuratesse gewöhnt haben, sie werden gut bezahlt, und meine Frau hat sehr geschickt ihren Ehrgeiz zu wecken gewußt, so daß sie mit Stolz ihre Arbeit als eine Art Kunstwerk zu betrachten anfangen."

" Und auf welche Art verwerthen Sie diese Erzeugnisse?" fragte Bruno.

Unsern Hausbedarf abgerechnet, wird das alles nach Wien in die ersten Hotels geliefert und sehr gut bezahlt."

,, Und diesen praktischen Blick, dieses Verständniß für Boden­fultur sollte eine Frau besißen?" fragte Bruno beinahe verwirrt. " Ich gewiß nicht," erwiderte Walter lachend, ich bin ent­weder in meinem Atelier beschäftigt, oder ich treibe mich im Ge­birge herum, um nach der Natur zu malen, und abends muß ich dann mit meinem Töchterlein spielen oder mit meiner Frau musi ziren, oder andern Unsinn treiben, als Landwirth bin ich eine Null."

Sie waren unter diesen Gesprächen auf einen Punkt gekommen, von wo man eine reizende Aussicht auf das einem Garten gleichende Thal genoß, das sich gegen Westen etwas öffnete und einen Blick in weite Ferne gestattete, die jetzt im leichten Nebel schwimmend in das Unendliche sich zu erstrecken schien, während die nahe­liegenden Partien unter den Gluthen der tiefstehenden Sonne un­gemein kräftig hervortraten.

,, wie schön!" rief unwillkürlich der Doktor. Hier möchte ich ruhen, um Leib und Seele zu stärken."

Ihnen kann geholfen werden," sagte Walter, und deutete mit der Hand auf eine Bank, die unweit unter einer breitästigen Linde stand.

" Nehmen Sie Play, ruhen Sie ein wenig aus und gestatten Sie mir, daß ich Ihnen dabei Gesellschaft leiste."

Bruno zögerte; seine müden Glieder bedurften der Ruhe, aber er sprach die Befürchtung aus, er könne seine Frau, die ihn ge­beten, ihr entgegen zu gehen, leicht verfehlen, wenn er hier, so weit entfernt von dem gewöhnlichen Fußsteig, verweile. Walter beruhigte ihn damit, daß man von dieser Stelle aus jeden aus dem Walde Kommenden erblicken könne und eine Gesellschaft von mehreren Personen schon durch ihr Sprechen die Aufmerksamkeit dahin ziehen würde.

Bruno widerstand nicht länger und ließ sich mit einer Art

602

|

Wonne auf dem breiten, bequemen Siz nieder. Ach, prächtig, reizend!" rief er wiederholt, ich meine, das müßte Ihr Lieblings­plätzchen sein."

" Nein, ich habe das meine näher beim Hause; meine Frau ließ diese Bank hier anbringen, weil sie des Morgens meist mit ihrem Töchterlein hierher kommt, um nachzusehen, und oft eine Stunde hier verweilt; auch sie findet die Aussicht überaus schön, und hat sie einmal gezeichnet."

" Ihre Frau! Das muß ein ganz ungewöhnliches Wesen sein, ich finde mich nicht mehr zurecht; Sie haben mir in einer Viertel­stunde außerordentliches von ihr erzählt, aber eigentlich Eigen­schaften, die man von einer Frau garnicht zu verlangen berechtigt ist, weshalb ich sie mir auch nicht recht weiblich denken kann, nicht anschmiegend, nicht zart, zu selbstständig, zu rechthaberisch."

Es liegt etwas Kräftiges, Tüchtiges in ihr," sagte Walter, und freudiger Stolz leuchtete bei diesen Worten aus seinen Augen. " Sie entwickelt eine rastlose Energie und eine zielbewußte Thätig­keit; sie hat allerdings ihre eigenen Meinungen und weiß sie zu vertheidigen, aber ich achte sie deshalb nur um so höher, und unser Zusammenleben gewinnt durch die geistige Gleichheit, die zwischen uns existirt und die das gegenseitige Fördern all' unsrer Sträfte und Fähigkeiten bewirkt, einen eigenthümlichen, belebenden Reiz."

" Sie muß eine bewunderungswürdige Frau sein," bemerkte Bruno rasch und verbindlich, aber er schüttelte dabei, vielleicht ohne es zu wissen, recht bedenklich den Kopf. Eine Kunst­kritikerin und selbst Künstlerin, dabei Landwirthin von Fach, die Dekonomie vom wissenschaftlichen Standpunkte erfassend. muß sehr ernst sein. Sie ist wohl älter als Sie?"

" 1

Sie

Walter brach in ein unbändiges Lachen aus. Ich wette, Ihre Phantasie gefällt sich darin, Ihnen in meiner Frau ein kleines Monstrum von einer alten, ewig keifenden Pedantin vor­zumalen, jezt sind Sie es meiner Eitelkeit schuldig, uns baldigst zu besuchen, damit Sie von Ihrem abscheulichen Frrthum zurück­kommen."

" 1

Sie machen mich immer neugieriger," sagte Bruno; begehe ich eine große Indiskretion, wenn ich Sie bitte, mir diese inter­essante Dame und die Art und Weise, wie Sie ihr Herz ge­wonnen, eingehender zu schildern?" ( Fortsetzung folgt.)

Die deutsche Zeitungsliteratur.

I.

Die Statistik, so bedeutende Fortschritte sie in den letzten Jahren auch gemacht hat, steckt doch noch derart in den Kinderschuhen, daß man sich bei den meisten Untersuchungen über die Verhältnisse weit­verbreiteter oder allgemeiner Institute mit Wahrscheinlichkeitsberechnungen und Schäßungen begnügen muß.

Dies ist besonders auch der Fall, wenn man sich über den Stand der Presse, darüber ,,, was Deutschland druckt und liest", unterrich­

ten will.

Die vortrefflich redigirte Zeitung, der ,, Hamburgische Correspondent" hat es unternommen, verschiedene Daten in Bezug auf die Presse zu sammeln, und wir glauben es ihm sehr gern, wenn er behauptet, daß ihm dies große Mühe verursacht habe. Auch geht für uns bei näherer Betrachtung der betreffenden Daten hervor, daß die Wahrscheinlichkeits­berechnungen des Verfassers im wesentlichen annähernd richtig sind.

Wenn die erscheinenden deutschen Zeitungen in Groß- Oktavformat gebunden würden, von jeder Zeitung natürlich nur ein Exemplar, wie viele Bücher gäbe das jährlich? Mindestens 50,000 Bände zu zwanzig Druckbogen. In Deutschland erscheinen heute annähernd 2400 poli­tische und mehr als 1100 nichtpolitische( fachliche und belletristische) Journale.

Täglich mehr als 1000 Druckbogen müssen die Redaktionen und Mitarbeiter der deutschen Zeitungen und Zeitschriften herstellen. Daß dabei mancher alte Kohl aufgewärmt und mit etwas frischer Brühe begossen wird, ist sehr natürlich, und daß ferner die kleineren Blätter, besonders die Lokalblätter ihren besserfituirten Schwestern mit der Scheere ganz unbarmherzig zu Leibe gehen, dies ist gleichfalls ganz natürlich und verzeihlich. Zu wünschen wäre nur, wenn derartige Operationen durchweg mit größerem Geschick gemacht würden. Man Man kann nämlich tausend gegen eins wetten, daß die meisten Lokalblatt­redakteure aus den größeren Zeitungen den werthloseren Theil aus­schneiden und den besseren sißen lassen. Doch immerhin muß auch, wenigstens bei den hervorragenderen Zeitungen, bei Fachlättern und belletristischen Zeitschriften die Feder recht emsig gerührt werden, um die 1000 Drudbogen täglich herzustellen.

Wir wollen nun die einzelnen Angaben uns etwas näher ansehen. Da sind zunächst die politischen Zeitungen:

40 mit zusammen 340,000 Abonnenten, die täglich zweimal und noch

520

500"

"

"

2,000,000

"

800,000

" 1

"

780 500

"

"

730,000 400,000

" 1

"

"

"

öfter erscheinen,

die täglich( wöchentlich fünf­bis siebenmal) erscheinen,

die wöchentlich drei- und vier­mal erscheinen,

wöchentlich zweimal, wöchentlich einmal.

Zusammen also circa 2350 politische Zeitungen mit mehr als vier millionen Abonnenten.

Der Zahl nach sind die ,, Wochenblätter", d. h. die nicht täglich, sondern wöchentlich ein- bis dreimal erscheinenden, vorwiegend( 1780), Tages­blätter in der Minderzahl( 560); dagegen sind letztere gelesener als erstere( 2,340,000 gegen 1,930,000 Abonnenten) und die Zahl der Ab­nehmer steht im genauen Verhältniß mit dem Erscheinen des Blattes. So entfallen auf jede Zeitung, die wöchentlich erscheint:

.

·

..

Zwölf und mehr als zwölfmal 8500 Abonnenten, fünf- bis siebenmal drei und viermal zweimal. einmal

"

3840 1600

"

17

950 800

"

"

Die Höhe der Auflage variirt freilich außerordentlich über und unter diesen Mittelzahlen; die größte Auflage mit mehr als 30,000 hat die ,, Kölnische Zeitung "; zwischen 20 und 30,000 bewegen sich von den Tagesblättern die ,, Augsburger Zeitung ", dann die ,, Münchener Neuesten Nachrichten"; von berliner Zeitungen die alte ,, Bossische", die ,, Bolks­zeitung", die ,, Tribüne", das ,, Berliner Tagblatt"; dann die ,, Breslauer Morgenzeitung", die Dresdener Nachrichten", der in Oberndorf in Württemberg erscheinende Schwarzwälder Bote" und das stuttgarter Neue Tageblatt"; zwischen 10- und 20,000 Auflage zählen wir noch annähernd 30 Blätter, darunter drei sozialistische Zeitungen, der ,, Vor­wärts", die Berliner freie Presse" und das Hamburg - Altonaer Volks­blatt"; zwischen 5- und 10,000 Auflage beiläufig 70 Tagesblätter; zwischen 2000 und 5000 Auflage rund 150 Tageszeitungen; unter 2000 find aber nicht weniger als 300. Bei den Wochenblättern gibt es auch einige, die sich in die Zehntausend und mehr aufschwingen, namentlich katholische Wochenblätter, wie das Augsburger Wochenblatt für das christliche Volt"( 36,000 Abonnenten) ,,, Sankt Paulinus- Blatt in Trier