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gionen des Theaters strategisch vertheilten Getreuen wohlbekannten Signale einen ungeheuren Beifallsjubel und eine wahre Sintfluth von Kränzen nud Bouquets, die von allen Seiten her auf die offene Szene herniederhagelten. Die sonst hochgefeierte Neben buhlerin der Frau Bergmann- Stein hatte zwar nicht übel Lust, diese stürmische Ovation auf ihr eigenes Konto zu nehmen, wurde aber, zu ihrem wochenlang nicht zu verwindenden Aerger, von dieser sofort eines Besseren belehrt. Frau Stein hatte das von Alster vor ihre kleinen Füße geschleuderte Bouquet schleunigst emporgehoben und man fonnte nicht unterscheiden, ob an ihre Lippen oder an ihre Nase geführt und sich nach der Richtung, woher es ihr zugeflogen, tief und, wie es Alster schien, erröthend und auf das süßeste lächelnd verneigt. Dann trat sie bis dicht an die Lampen und zollte den übrigen Blumenspendern mit drei meisterhaften Verbeugungsfnigen ihren tiefgefühlten Dank, der umso aufrichtiger war, als sich den Claqueuren das, auch in der harmloseren, handgreiflichsten Bedeutung des Wortes, allezeit flatschlustige Theaterpublikum begeistert es wußte zwar selbst nicht recht, warum Brava und Dacapo rufend, klatschend, brüllend und stampfend angeschlossen hatte.
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Nach dieser von so vorzüglichem Erfolge gekrönten Beschießung der in dem Herzen von Frau Bergmann- Stein bestehenden Festung glaubte Alster unverzüglich zu einem kühnen Handstreiche übergehen zu können. Sofort am nächsten Tage ließ er sich der schönen Schauspielerin im Foyer des Theaters vom Direktor selbst vorstellen und überrumpelte sie persönlich mit der Einladung zum Souper. Er legte der Angelegenheit das harmloseste Mäntelchen um, lud die intimste Freundin der Frau Stein, eben das Fräulein v. Würzbach, mit ein und bediente sich außerdem noch der kleinen Nothlüge, zu versichern, daß sein würdiger Freund, der Oberbaurath Schneemann mit seiner natürlich ebenso würdigen Gattin an dem kleinen ,, Künstlersouper" theilnehmen würde. Frau Bergmann- Stein war denn auch so diskret gewesen, ihren von Herrn Alster gänz lich ignorirten Ehemann ebenfalls mit keiner Silbe zu erwähnen und die Einladung auf das entgegenkommendste anzunehmen.
So war denn alles in der schönsten Ordnung. Wenn nur der Teufel bei der kleinen, so verheißungsvoll vorbereiteten Fest lichkeit nicht seine Hand im Spiel gehabt hätte.
Zunächst ging noch alles programmmäßig. Der AstrachanKaviar, welchen Herr Alster zu zwei Gläschen wundervollen Sherrys auf eigne Faust als Appetitsanregung genoß, war ex quisit eine Thatsache, die in unserer verfälschungsfrechen Zeit einen Gastrosophen, d. i. einen Gelehrten der Bauchpflege, vom Schlage des Herrn Alster auf das höchste erbauen fann.
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Kaum war das letzte Körnchen Kaviar seiner schönen Bestimmung geopfert worden, als der Oberbaurath, ein Mann mit einer Figur wie ein Mammuth, so groß, so breit und so ungeschlacht, sich mühsam durch die Thür zwängte. Derselbe begrüßte seinen ,, vorzüglichen Freund" mit einem Händedruck, daß dieser beinahe die Gnadenarie angestimmt hätte, versicherte, daß er einen unverschämten Durst mitgebracht habe und leitete seiner seits die Festlichkeit damit ein, daß er sich aus einer bereits auf seinen Durst harrenden, auf Eis gestellten Rheinweinflasche ein großes Wasserglas vollschenkte und es auf einen Zug bis zur Neige leerte.
Dann stopfte er sich eine kleine, silberbeschlagene Meerschaumpfeife mit vorzüglich duftendem türkischen Tabak, und begann die Unterhaltung mit der Frage, ob denn nun wirklich die schöne Bergmann- Stein erscheinen werde, um zu den irdischen Genüssen, die Küche und Keller zu bieten vermögen, die himmlischen des Anblicks und der Unterhaltung der Oberbaurath schmunzelte hoffnungssüß der Unterhaltung mit einem schönen Weibe hinzuzufügen.
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Herr Alster schmunzelte auch, während er, dem Beispiel seines Freundes folgend, zum Johannisberger Kabinet überging. Er schmunzelte ungeheuer siegesgewiß und selbstzufrieden.
" Natürlich kommt sie, Verehrtester. Warum sollte, wie könnte sie nicht? Sie bringt die Würzbach mit und wir werden einen töstlichen Abend genießen. Aber sagen Sie, bester Freund," fuhr er fort, indem er zu dem Oberbaurath schlau hinblinzelte,„ warum ist denn Ihre hochverehrte Gemahlin noch nicht erschienen?"
„ Meine Frau?" Der Oberbaurath schaute seinen Freund mit einer Miene an, als wenn er sich vergewissern wolle, ob es wohl in seinem Oberstübchen anch ganz richtig sei. Sein übler Wig, meiner Treu! Wer Teufel nimmit seine Frau mit, wenn er sich amüsiren will?"
" Ich habe aber mit größter Bestimmtheit auf das Erscheinen
der Frau Oberbaurath gerechnet," beharrte Alster, behaglich weiterschmunzelnd und blinzelnd.
Mit größter Bestimmtheit auf das Erscheinen meiner Frau gerechnet? Himmeldonnerwetter- hätten's blos zu sagen brauchen, lieber Freund. Meine Frau ließe ich Ihnen im Nothfall ganz ab und gäb' Ihnen, hol' mich der Teufel, noch ein Vierteldußend Kinder als Dreingabe. Aber auf mich müßten Sie dann verzichten, Bester; statistische Feststellungen, wieviel Glas ich trinke, und ellenlange Abhandlungen über das schöne Geld, was uns Männern die Kehle hinabrinnt und in seidenen Kleidern, Sammetpelzen, Federhüten 2c. viel besser angelegt würde, das pflege ich mir wenigstens des Abends zu ersparen. Und nun sagen Sie mir, was der dunklen Rede Sinn ist?"
Alster beichtete, daß er Frau Bergmann- Stein gegenüber der Sicherheit halber die heutige Zusammenkunft zu einer Art von Familiensouper gestempelt habe; der Oberbaurath müsse nun eine plausible Entschuldigung vorbringen, warum die theure Ehehälfte an dem schönen Feste nicht theilnehmen könne, und dürfe anfangs wenigstens auf keinen Fall allzusehr über die Schnur gewisser gesellschaftlicher Rücksichten schlagen.
„ Gesellschaftliche Rücksichten ich glaube gar!" grunzte entrüstet der Oberbaurath. Habe den Tag über grade genug gesellschaftliche Rücksichten zu nehmen. Beim Schoppen Wein will ich mich so recht nach meinem Gout ausleben. Und wenn Sie meinen, ich werde mir von den Frauenzimmerchen eine zimperliche Komödie vorspielen lassen und selber eine Miene machen und die Worte wählen, wie ein gelbschnabeliger Student in der Tanzstunde, dann hat Ihre Rechnung ein Loch, vorzüg licher Freund."
Der vorzügliche Freund wollte fortfahren, Mäßigung zu predigen, denn er fürchtete, daß die oft gradezu vorsintfluthliche Derbheit und Ungenirtheit des Oberbauraths die Gemüthlichkeit des von ihm so fein vorbereiteten Souperchens erschüttern könne, als der mit anscheinend funkelnagelneuem Frack und blendendweißer Weste und Halsbinde angethane Oberkellner auf der Schwelle von Nummer drei erschien und den Herrn Justizrath Wichtel anmeldete, welcher sich sogleich das Vergnügen machen würde, zu erscheinen.
" Bravo ," brummte der Oberbaurath vergnügt.„ Famoser alter Kerl das. Den kann man zu so was brauchen. Warum macht er denn aber solche Umstände; Sie müssen ihn doch eingeladen haben?"
Das war nun zwar nicht der Fall; Alster hatte auch nicht gewußt, daß Wichtel bereits an diesem Tage von seiner jüngsten Reise zurück sein würde, und wenn er es gewußt, hätte er die Einladung doch zu umgehen gesucht. Aber da dieser- gleichfalls vorzügliche Freund nun einmal sich, unbegreiflicherweise zwar, rechtzeitig eingefunden hatte, so konnte man nur gute Miene zum bösen Spiel machen.
Der Justizrath war übrigens dem Oberkellner auf dem Fuße gefolgt. Die Begrüßung der drei Herren wurde eine ungemein herzliche.
Die Herren glauben garnicht, wie ich mich nach Ihrer mir so lieben Gesellschaft gesehnt habe," versicherte, jedem auf das herzlichste die Hand schüttelnd, der Justizrath. Auf der Reise und in den großen Hauptstädten findet man zwar auch hin und wieder gute Gesellschaft, aber nur zuhause weiß man, daß man unter Freunden ist."
Der Oberbaurath war sichtlich gerührt. Er mußte sein eben erst gefülltes Glas wieder auf einen Zug bis zur Nagelprobe austrinken und that es auf das Wohl seines lieben alten Justizraths, der nur zwei Worte zu reden brauche, um jedem Kerl von Gefühl an die Nieren zu greifen, was in dem Kerndeutsch des Oberbauraths ungefähr soviel heißen sollte, als die Gemüthssaite eines Menschen anschlagen.
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Trotzdem Alster dem Justizrath gegenüber kein ganz reines Gewissen hatte, wußte er in der That seinen Aerger über das unvermuthete Dazwischenhageln desselben ziemlich geschickt zu verbergen.
Der Justizrath aber fühlte doch, daß er im Vortheil sein würde, wenn er die Geschäftsangelegenheit, welche ihn hierhergeführt hatte, sofort zur Verhandlung brächte, zumal er mit Recht annahm, daß der Oberbaurath, der beim Weine immer ungeheuer leicht zu beeinflussen war, ihm, wenn's noththun sollte, kräftig sekundiren würde.
Die Zusammenkunft seiner lieben Freunde im Separatzimmer Nummer drei war sicherlich nicht ohne bedeutungsvollen Gsund,