sollte er thun? Er konnte nicht schnell genug zu einem erfolg versprechenden Entschlusse kommen. Das Einfachste war und blieb, koste es was es wolle, die Verhandlungen, ohne auf den Kernpunkt zu kommen, hinzuziehen, bis die Damen erschienen. Es konnte garnicht mehr lange dauern.

Alster nahm also eine möglichst freundliche Miene an." Freut mich, freut mich außerordentlich, bester Justizrath, daß Sie unser Gespräch auf diesen Gegenstand gebracht haben. Grade den heutigen Abend hatte ich mir dazu erwählt, mit unserm verehrten Freunde das von uns selbst schon sorglich erwogene Gründungs­projekt durchzusprechen, und nur die der Geschäftsplackerei so ab­holde Stimmung, welche unser ja den ganzen langen Tag mit solchen Sachen heimgesuchter Oberbaurath heut mitgebracht hat, hielt mich ab, diesen meinen Vorsatz auszuführen."

" Ja,' s ist' n riesig liebenswürdiger, rücksichtsvoller Kerl, unser Alsterna, Sie nehmen mir den Kerl nicht übel, Alster chen," meinte der Oberbaurath; wissen ja, wie ich's meine. Aber, hol' mich der Teufel, so furchtbar zart brauchen Sie bei mir nicht sein. Wenn ich die Geschäftsschinderei den ganzen Tag ausgehalten habe, so kommt's mir des Abends auf eine weitere Stunde nicht an. Also schießen Sie nur los, Justizrath; Sie waren ja im besten Zuge."

Der Justizrath ließ sich das nicht zweimal sagen: Also es handelt sich darum, ohne allen Verzug zu handeln. Eine Fabrik für Eisenbahnbedarf wollen wir gründen, das wissen Sie ja. Sie wissen auch, daß wir damit einem allseitig empfun­denen Bedürfniß entgegenkommen. Nun haben wir aber, mit Ausnahme einer ziemlich rohen Kostenberechnung, noch rein nichts gethan. Wir brauchen mithin ein Grundstück und Häuser, die sich zu Fabrikeinrichtungen eignen, denn zum Bauen, wie wir anfänglich wollten, ist inzwischen die Zeit verstrichen."

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Alster biß sich auf die Lippen das war ein zweiter, wie derum sehr geschickter Coup des Justizraths. Ob die Fabrik ge­baut oder bereits fertige Fabrikgebäude zu kaufen gesucht werden sollten, das war im Grunde der Hauptinhalt ihres Zwistes ge­wesen. Daß der alte Wichtel jezt den Gedanken des Fabrik baues ohne Diskussion fahren ließ, bewies, daß er ihm, seinem guten Freunde Alster , den Boden jedes Vorwandes unter den Füßen fortziehen wollte. Aber sollte sich der schlaue Jurist da nicht doch eine Blöße gegeben haben? Alster fragte rasch:

"

Meinen Sie wirklich, geehrter Freund, wir könnten nicht doch noch im nächsten Frühjahr mit dem Bau beginnen? Wenn wir denselben recht forciren, und Sie meinten ja, daß das unter der Leitung Ihres Freundes Waldstein sehr wohl möglich sein würde, fönnen wir ja im Herbst vollständig fertig sein, und im Winter bereits zu fabriziren beginnen."

" Ich meinte das allerdings früher," bemerkte der Justizrath ohne das geringste Zeichen des Mißbehagens." Ich war, wie Sie Sich entsinnen werden, lieber Alster, dabei noch der An­sicht, daß eine derartige Beschleunigung um so eher sich durch­führen lassen würde, als zu der Erfahrung Waldsteins noch die unseres Oberbauraths, gewissermaßen als des ersten Baukontro­Sie waren uns doch sicher, ver­leurs, hinzukommen würde. ehrtester Freund," wandte er sich wieder an den Oberbaurath, der beifällig nickend seine Zustimmung gab. Und wenn Sie nicht Ihre Stellung bei der Eisenbahn hätten, welche nicht nur Ihre Zeit in so hohem Maße in Anspruch nimmt, sondern Ihnen auch die Uebernahme von Privatbauten unmöglich macht, so hätte ich natürlich befürwortet, daß wir Sie gebeten hätten, uns die Fabrik einzurichten, so recht eine Musteranlage zu schaffen, wie Sie das z. B. bei den Reparaturwerkstätten der Eisenbahn in ausgezeichneter Weise zustande gebracht haben."

"

Der alster'sche Hieb war parirt, aber Alster war zufrieden. Er war immer noch zu keiner bestimmten Entscheidung gedrängt worden, und er hatte die Uhr gezogen es war 92 Uhr die Damen mußten auf der Stelle erscheinen.

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Und es tam wie gerufen, soeben hörte man einen Wagen vorfahren und am Hotelportal halten. Alster sprang entzückt auf:" Die Damen! Mein lieber Justizrath, verzeihen Sie ich muß ihnen wenigstens ein paar Schritte entgegengehen. Wenn Sie morgen die Güte haben, bei mir vorzusprechen, können wir über unsere Geschäfte ja einig werden."

Der Justizrath machte ein ärgerliches Gesicht. Der Ober­baurath dagegen schmunzelte wieder ungeheuer vergnügt vor sich hin und versicherte, der Justizrath würde seinem Freunde Alster für die Ueberraschung, die dieser ihm jetzt zu bereiten im Begriff sei, ewig dankbar bleiben. Er, der Baurath, sei zwar das Opfer

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lamm lamm ihn koste die Geschichte zwei Dußend Bouteillen Johannis­berger Kabinet, aber, der Teufel solle den Wein holen, für solch' einen Genuß emen Kunst genuß nämlich, setzte er verschmitt lächelnd hinzu gäbe er gern noch einmal soviel. Ueberdies denke er sich nach seinen schwachen Kräften schadlos zu halten, darum habe er gleich von vornherein so tapfer den Kampf mit den Geistern der Rebe aufgenommen- wer die Kriegskosten zahle, müßte wenigstens sehen, daß er ordentlich Beute heim­bringe

So schwazte der in seinem heutigen Kampfe mit den Geistern der Rebe der Rebe augenscheinlich schon ein wenig verwundete Herr Schneemann in seinen nachdenklich dreinschauenden vorzüglichen Freund Wichtel hinein.

Er hätte jedenfalls noch lange nicht aufgehört, wenn sich die Thür nicht langsam, sehr langsam geöffnet hätte und Herr Alster mit außergewöhnlich verdußtem Ausdrucke auf seinem allezeit rosigen Antlige wieder erschienen wäre.

Als sich der Thürgriff zu bewegen begann, hatte der Ober­baurath bereits höchst umständliche Anstalten gemacht, sich zu erheben; er war damit aber noch lange nicht zustande gekommen, als er Alster allein eintreten sah. Mit beiden Riesenfäuſten auf den Tisch aufgestemmt, den Oberkörper etwa einen Zoll hoch vom Sessel erhoben, hielt er in seinen Bemühungen inne und fragte:

"

Alle Wetter, Alsterchen, wo bleiben denn unsere Göttinnen?" " Ja, weiß der Himmel, meine Herren," erwiderte Alster ziem­lich kläglichen Tones, vorläufig weiß ich blos, daß mir der Kutscher, welcher die Damen hierherbringen sollte, statt ihrer dieses Billet übergeben hat."

" Ich glaube gar. Ich werde doch nicht etwa meine Wette noch gewinnen das wäre ja eine schöne Geschichte! Himmel­freuzdonnerwetter!" fluchte der Oberbaurath.

Alster hatte das Billet erbrochen, sich möglichst nahe an den Gastronleuchter gestellt und gelesen.

" Nein, das ist aber ein haarsträubendes Pech!" rief er, nach­dem er die wenigen Zeilen, welche das Billet enthielt, überflogen hatte. Hören Sie nur, meine Herren:

Sehr verehrter Herr Alster !

, Zu meinem lebhaftesten Bedauern verhindern mich Brust­beklemmungen, welche heut am Schluß der Vorstellung, wahr­scheinlich infolge von Aufregung, mich befallen haben und jeden­falls Nachwehen eines, wie ich glaubte, glücklich überstandenen, Herzleidens sind, Ihrer so ungemein liebenswürdigen und mich auszeichnenden Einladung nachzukommen.

, Deshalb haben Sie die Güte, mich und meine liebe Helene von Würzbach, die es sich nicht nehmen läßt, mir in meinem Unwohlsein Gesellschafterin und Pflegerin zu sein, in gewohnter Liebenswürdigkeit zu entschuldigen.

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, In vorzüglicher Hochachtung

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zeichnet

Frau Christine Bergmann- Stein."" Na, das ist nicht übel Brustbeklemmungen, altes Herz­leiden Himmelheiland da sizzen wir nun da wie die Waisen­knaben, was meinen Sie dazu, Justizrath?" Der Justizrath war weniger schmerzlich berührt; die Reihe des Vergnügtschmünzelns war jetzt an ihm.

"

Aber, meine lieben Freunde, was machen Sie da für Streiche!" sagte er und drohte schelmisch mit dem Finger." Zwei doch nicht mehr ganz junge Knaben, wie Sie, laden sich die hübschesten Schauspielerinnen in P. zu einem heimlichen Souperchen en quatre. Wenn das mein würdiger Herr Sohn gewußt hätte ich glaube, er hätte Sie gefordert, sozusagen aus purem Brot­neid."

" Jezt aber würde sich der Brotneid in Hohnlächeln verwan­deln," grunzte der Oberbaurath. Na, Alsterchen, wenigstens müssen Sie jetzt die Wette bezahlen das ist noch mein einziger Trost in dem vermaledeiten Bech!"

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Herr Alster hatte diesen Trost nicht. Seine Freude auf den köstlichen Abend war umsonst gewesen, dazu zahlte er die Zeche und hatte auch noch den Justizrath auf dem Halse, dem aus­zuweichen er eine vierzehntägige Reise gemacht haben würde, wenn er von seiner Ankunft grade zu diesem sehr ungelegenen Zeit­punkte etwas gewußt hätte. Es war wirklich zum Davonlaufen; schade nur, daß das auch nicht viel nüßen möchte, denn der Justizrath wäre jedenfalls nachgelaufen. Der war nicht abzu­schütteln, wenn er nicht selbst wollte das wußte Alster aus langjähriger Erfahrung zur genüge.

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