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„ So können wir denn unsre Geschäftsangelegenheiten, bester Freund Alster, jetzt gleich kurz und bündig zu einem gedeihlichen Abschlusse bringen," erneuerte denn auch der Justizrath sofort den Angriff.
" Hören Sie gefälligst meinen Vorschlag: Wir suchen so rasch als irgend thunlich die zu unseren Fabrikanlagen nöthigen und geeigneten Grundstücke und Räumlichkeiten zu finden. Die, gleich viel ob von Ihnen, verehrter Freund, oder von mir in Vorschlag gebrachten Grundstücke werden, gleichfalls ohne Verzug, von unsrem lieben Oberbaurath einer sachverständigen Prüfung unterzogen und, falls sie für zweckentsprechend befunden werden, sofort angekauft. Dann übernimmt Waldstein, immer unter der Oberleitung des Oberbauraths, die Einrichtung, mit der kontraktlichen Verpflichtung, bis zum Frühjahr fertig zu sein; der Oberbaurath rekommandirt uns brauchbare Techniker und nimmt zur bestimmten Zeit die Bauten ab, und spätestens zum Mai nimmt die Arbeit ihren Anfang. So halten Sie's doch auch fürs beste, bester Oberbaurath?"
" Natürlich, so ist's recht, so muß man's machen," grunzte dieser, von den Ausführungen des Justizraths höchlichst erbaut, indem er sich vornahm, seinen sachverständigen Beirath sich so theuer als möglich bezahlen zu lassen. In der industriellen Welt kommt alles auf energische Initiative an. Haben eigentlich schon viel zu lange gewartet; bin das von der Thatkraft meines guten Alsterchens garnicht gewöhnt. Heute den Plan gefaßt, morgen die Schultern in die Radspeichen und vorwärts mit der Karrete das ist das einzig richtige, verlassen Sie sich darauf, vorzüglicher Freund."
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Alster gab sich die größte Mühe, irgendeinen Vorwand herauszuflügeln, mit dessen Hülfe er die von Woche zu Woche unangenehmer gewordene Sache noch weiter hinzuschleppen im stande gewesen wäre; aber entweder war er heute so vernagelt diese Voraussetzung aber schien ihm bei dem großen Respekt, den er vor seinen eigenen geistigen Fähigkeiten hatte, rein unmöglich, daß er deshalb keine plausible Einrede entdeckte, oder es gab für ihn wirklich keinen mittheilbaren vernünftigen Grund zur Verzögerung des einmal begonnenen Werkes furz, er wußte absolut nicht, was er sagen sollte eine Verlegenheit, deren er sich bei seiner sonstigen vermeintlich unübertrefflichen Redefertig feit im Herzen weidlich schämte.
Der Justizrath ließ die Leine, an der er seinen Freund festhielt, nicht locker.
" Es freut mich," sagte er, ohne sich im mindeſten darum zu kümmern, daß Alster noch nicht die Spur seines Einverständnisses hatte merken lassen;„ es freut mich aufrichtig, verehrtester Freund, daß Sie gegen meine Vorschläge nicht das mindeste einzuwenden haben. Die Sache ist also abgemacht unser lieber Oberbaurath kann uns diese erfreuliche Thatsache bezeugen
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" Das kann er," grunzte der Oberbaurath. Und nun lassen wir die leidigen Geschäfte Geschäfte sein und stoßen wir an, die Kompagnie Alster und Wichtel soll leben! Hoch! Nun aber, Freunde, die Gläser aus bis zur Neige unser lieber Alster ist heute der vom Schicksal designirte Festgeber. Wir woll'n ihm feine Schande machen was, Justizrath? und woll'n uns hol' mich der Teufel! auch durch den nothgedrungenen Verzicht auf das schöne Geschlecht nicht verstimmen lassen, können uns ja an die Veuve Cliquot*) halten; zwar' n altes Frauen zimmerchen, aber mir doch immer noch die liebste."
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Die Gläser klangen zusammen, Wichtel drückte seinem lieben, guten Alster" auf das wärmste die Hand, der Oberbaurath versicherte in ungewöhnlich poetischer Begeisterung, daß es eine wahre Freude für die Engel im Himmel sei, wenn ein paar so vorzüg= liche Menschen ein Herz und eine Seele seien im Denken und im Handeln, und alle drei schickten sich an, in trauter Gemein samkeit dem Gotte des Weins ihre Opfer darzubringen.
Alster zog an der Glockenschnur, welche die Verbindung mit der Dienerschaft des Hotels und Restaurants Weinhold herzustellen hatte. Das Souper hatte lange genug gewartet.
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Der Oberfellner ist wirklich außerordentlich auf dem Flecke," meinte Alster.„ Hören Sie in demselben Augenblicke, in dem man läutet, kommt er auch schon."
In der That hörte man Schritte auf dem Korridore. " Na, wenn das der Oberkellner ist," sagte der Oberbaurath, " so muß der Kerl wenigstens vier Beine haben."
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Der Oberbaurath hatte recht; draußen gingen mehrere Menschen den Korridor entlang, und jetzt öffnete sich auch die Thür des Zimmers, in dem die Herren zu löblichem Thun beisammen waren, und auf der Schwelle stand die hohe, schlanke und dabei in all' ihren Formen schwellend gerundete Gestalt einer schönen Frau, die, lebhaft erstaunt, in dem Separatzimmer bereits Gäste vorzufinden, mit einem lauten:" Oh, das Zimmer ist bereits besetzt, Sie haben uns doch irregeführt, bester Schweder!" ins Zimmer trat.
Herr Schweder, der noch den Thürgriff in der Hand hielt, trat einen Schritt vor und grüßte, wie es den Anschein hatte, nicht minder überrascht als die Dame, die sich mit dem zweiten der Herren, die sie begleiteten, nach höflicher Neigung ihres schönen Hauptes zurückzuziehen begann.
" Bitte tausendmal um Vergebung, meine Herren," sagte Herr Schweder; aber jetzt erkenne ich ja erst mein verehrter Herr Alster und der liebenswürdige Herr Oberbaurath nun, da darf ich auf freundliche Entschuldigung hoffen: ich muß mich in der Zimmernummer geirrt haben."
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Alster hatte sich erhoben und war auf Schweder zugekommen. Auch der Oberbaurath machte Anstrengungen, aufzustehen,- nur der Justizrath blieb nach kurzer Erwiderung des Grußes kaltblütig ſizen.
Die Augen des Herrn Alster leuchteten eigenthümlich, als er Schweder warm die Hand schüttelte und ihn fragte:
War die Dame nicht Frau Senkbail, mein bester Herr Schweder?"
Gewiß, Herr und Frau Senkbeil, sonst niemand. Wir drei wollten soupiren und ein gemüthliches Glas Wein trinken!"
" Ei, das trifft sich ja ganz vorzüglich. Haben Sie die Güte, mich der Dame vorzustellen, und erlauben Sie mir, daß ich dieselbe mit ihrem mir gleichfalls sehr werthen Gatten und mit Ihnen einlade, an unserm Souperchen theilzunehmen."
Schweder bat, der verehrungswürdige Herr Alster möge sich und seine Freunde doch ja nicht inkommodiren, aber Alster hörte garnicht mehr auf das, was er sagte, sondern zog ihn am Arme auf den Korridor, wo sich Herr Senkbeil nach dem Oberkellner umsah, um zu erfahren, welches Zimmer denn eigentlich für sie reservirt worden wäre.
Die Vorstellung war schnell bewerkstelligt, und die Einladung Alsters wurde um so bereitwilliger angenommen, als der herbeigeeilte Oberkellner versicherte, daß der Bote unbegreiflicherweise nicht eingetroffen sei, durch den sich Herr Schweder heute das Separatzimmer Nummer drei, als das abgelegenste und von dem Lärm auf der Straße am wenigsten behelligte, hatte reserviren lassen wollen.
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Alster bemühte sich eifrigst, Schweders Entrüstung über die " fabelhafte Unzuverlässigkeit des dienenden Volkes" durch die Versicherung zu beschwichtigen, daß ihm heute nichts in der Welt lieber gewesen wäre, als dieser Zufall, und dabei warf der allezeit unternehmungslustige Herr der schönen Frau Senkbeil einen Huldigungsblick zu, der, wie er sich überzeugt hielt, durchaus geeignet war, auf ein fühlendes Frauenherz einen tiefen Eindruck zu machen.
Zu seinem Leidwesen übersah die schöne Frau diesen Blick gänzlich, sie schaute eben sehr angelegentlich nach einer andern Richtung. Es war ein langer, forschender Blick, den sie an ihrem Gatten vorbei zu Schweder hinüberstreifen ließ.
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Zu ihrer Verwunderung schaute auch ihr Mann seinem Freunde Schweder fragend ins Gesicht; aber es wollte sie bedünken, als wenn um die breiten Lippen ihres Eheherrn dabei ganz heimlich ein pfiffiges Lächeln der Befriedigung spielte. Und wenn sie schon nicht recht verstanden hatte, wie es möglich war, daß Schweder sich heute eines so unzuverlässigen Boten bedient hatte er, der sonst seine Leute trefflich zu wählen verstand, und wenn es ihr sehr aufgefallen war, daß Schweder, einen Seiteneingang zu dem Restaurant Weinhold benutzend und, ohne jemanden von dem Hotelpersonal zum Führer zu nehmen, sie und ihren Mann zu dem angeblich für sie reservirten Zimmer geleitet hatte, so konnte sie sich dieses zufriedene Lächeln ihres Mannes erst recht nicht erklären.
Lange Zeit, darüber nachzudenken, hatte sie nicht. Herr Alster war gar zu liebenswürdig. Er führte sie unter einer Fluth von Komplimenten nach Nummer drei zurück, stellte die dort zurückgebliebenen Herren der Dame und ihren Begleitern vor und gab seiner Freude über diese angenehme Fügung eines gütigen Ge*) Witwe Cliquot, die Besizerin der ältestrenommirten Champagner- schicks, wie er den vermeintlichen Zufall nannte, immer erneuten häuser.
Ausdruck.