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Von W. Wittich.
( Schluß.)
Friz Reuter sagt bei einer Gelegenheit einmal, wenn die Mecklenburger, auch die Gebildeten, warm würden, sprächen sie die Mundart. Aehnlich können wir gewisse Fremdwörter nicht brauchen in gehobener Rede und in besonderen Stimmungen. Es denke sich jemand einen erwachsenen Sohn, dessen Vater starb und der nun voll Schmerz ausruft:„ Wir haben den Papa verloren!" Hier ist unbedingt das fremde Wort gradezu störend. Unverkenn bar ist auch die deutliche Absicht, unangenehme, ans Unsittliche grenzende Dinge durch ein nicht allen verständliches Fremd wort zu verhüllen. Hierher paßt auch das schiller'sche Wort: ,, Es( das Genie) ist schamhaft, weil die Natur dieses immer ist, aber es ist nicht decent, weil nur die Verderbniß decent ist." Schamhaft ist eine positive Eigenschaft, decent ist dem Gebrauche nach ein sehr abgebrauchtes Synonymum, es heißt fast nur soviel wie: nicht ganz schamlos, aber doch etwas. An solche Worte mag der wackere Grimmelshausen gedacht haben, wenn er, etwas übertreibend, sagt: Neue fremde Wörter bringen selten guts, sondern bedeuten je und allweg etwas böses." Man denke dabei als lichtgebend an die Sprachkünste, welche bei Abfassung von politischen Noten, Vorträgen u. s. w. ihr unheimliches Wesen treiben, wie da so geschraubte, nicht selten ganz neue Worte und Redensarten angewendet werden, um jenes dem Sprichwort nach zum Fischen geeignete Trübe zu erzeugen. Das ist nicht nur etwas Gesagtes, sondern traurige Wahrheit, und Aussprüche von Leuten vom Fache" würden sich verschiedene anführen lassen, die alle beweisen, wie in der Diplomatie die Sprache thatsächlich den Zweck hat, die Gedanken zu verbergen!
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Aber was ist nun in unsrer Frage zu thun? Das grimm'sche Wörterbuch sagt in seinem Vorwort zum ersten Bande über diesen Gegenstand:
,, Es ist Pflicht der Sprachforschung und zumal eines deutschen Wörterbuches, dent maßlosen und unberechtigten Vordrang des Fremden Wisterstand zu leisten und einen Unterschied festzuhalten zwischen zwei ganz von einander abstehenden Gattungen aus ländischer Wörter, wenn auch ihre Grenze hin und wieder sich verläuft. Unmöglich wäre die Ausschließung aller solcher, die im Boden unserer Sprache Wurzel gefaßt und aus ihr neue Sprossen getrieben haben; sie sind durch vielfache Ableitung und Zusammensetzung mit der deutschen Rede so verwachsen, daß wir ihrer nicht entbehren können..... Dagegen enthält das deutsche Wörterbuch sich einer Menge anderer, aus der griechischen, latei nischen, französischen Sprache oder sonsther entlehnten Wörter, deren Gebrauch unter uns überhandgenommen hat oder gestattet wurde, ohne daß sie für eingetretene in unsere Sprache gelten können. Ihr Aufenthalt scheint in vielen Fällen gleichsam ein vorübergehender, und man wird, sobald einmal das natürliche Wort den gebührenden Raum gewonnen hat, sie garnicht ver missen. Wie der Stolz auf unsere eigne Sprache, der oft noch sch lummert, einmal hell erwacht und die Bekanntschaft mit allen Mitteln wächst, welche sie uns darreicht, um noch bezeichnendere und uns angemessenere Ausdrücke zu gewinnen, wird auch die Anwendung der fremden weichen und beschränkt werden." Und weiter:
Zur schmählichsten Fessel gereicht es der deutschen Sprache, wenn sie ihre eigensten und besten Wörter hintansetzt, und nicht wieder abzustreifen sucht, was ihr pedantische Barbarei auf bürdete; man klagt über die fremden Ausdrücke, deren Einmengen unsere Sprache schändet; dann werden sie wie Flocken zerstieben, wenn Deutschland sich selbst erkennend, stolz alles großen Heiles bewußt sein wird, das ihm aus seiner Sprache hervorgeht. Wie es sich mit dieser Sprache im Guten und im Schlimmen bisher angelassen habe, ihr wohnt noch Frische und frohe Aussicht bei, daß ihre letzten Geschicke noch lange nicht erfüllt sind und unter den übrigen Mitbewerbern wir auch eine Braut davontragen sollen. Dann werden neue Wellen über alten Schaden strömen." Besserung kann allemal nur von höherer, lichterer Erkenntniß kommen, und diese für unsere Sprache angebahnt zu haben, ist das ausgezeichnete Verdienst vor allen der Gebrüder Grimm und ihrer Arbeitsgenossen und Nachfolger. Einer mäßigen, besonnenen Ausmerzung wirklich überflüssiger Fremdwörter, wie sie Grimm in der angezogenen Stelle andeutet, sind wir durchaus nicht ab
geneigt. Ganz kräftig verwahren wir uns aber, wie in dem ganzen Vorhergesagten, gegen jene thörichte Deutschthümelei, die am wenigsten in unseren Tagen am Plaze wäre. Daß die Wissenschaft, welche ja eine Menge auswärtigen Stoff heranzieht, zu einer vernünftigen Lösung dieser Frage sehr viel beitragen könnte und müßte, ist klar. Man gebe seitens der Gelehrten ein gutes Beispiel und sage das deutsch , was man deutsch sagen kann. Die Wissenschaft wird dann allgemein zugängig, wenn ihre Leistungen in lichtvoller, deutlicher Sprache vor die Deffentlichkeit gebracht werden, und eben das kann ihr selbst nur von Vortheil sein. Je mehr Arbeiter auf ihren weiten Feldern, desto sicherere Hoffnung auf eine reiche Ernte guter Früchte!
Das Beste und Meiste kann und sollte hier die Schule thun. In den Volksschulen, namentlich in Sachsen , finden sich schon eine große Anzahl gut deutsch geschulter Lehrer, eine große Anzahl macht an der Landesuniversität germanistische Studien, sicher nicht zum Nachtheil ihrer Berufsausübung. An den höheren Schulen heißt es aber noch sehr: ,, die Gelehrten, die Verkehrten". Der„ Studirte" im allgemeinen hat noch eine unüberwindliche Neigung, durch Fremdwörter seine höhere Bildung zu erweisen, wo er doch mit gemeinverständlichen deutschen dasselbe und mehr erreichen könnte. In den mittelgebildeten und in den von unseren modernen Schulen am spärlichsten bedachten Schichten kommt es nicht selten vor, daß man mit einem Fremdwort ein gutes deutsches übersehen muß, um verstanden zu werden. Fliegenden Blätter" einmal scherzten, versteht ein Bauer das Wort„ Regenschirm" nicht, und als ihm einer gezeigt wird, ruft er aus: Ach, ein Parapluie meinen Sie! Da reden Sie doch gleich deutsch!" Diese Anekdote sieht so aus, als wenn sie erlebt wäre; ähnliches ist wohl jedem einmal selbst begegnet, wo er, um verstanden zu werden, seine deutsche Rede mit Fremdwörtern deutlich machen mußte.
Aber was soll die Schule hier thun? Nun, sie soll, wo die Fremdwörter sich nicht umgehen lassen, ohne daß Einbuße an Inhalt des Gesprochenen oder Geschriebenen zu befürchten steht, dieselben jedenfalls sprachlich genau ansehen und betrachten, ihre Grundbedeutung geben und dadurch wenigstens den barbarischen Bildungen entgegenarbeiten. Unsinn muß unter allen Bedingungen eben ausgerottet werden, aber nicht mit Feuer und Schwert und polterndem, deutschthümelnden Geschnaube, sondern mit der Leuchte wissenschaftlicher Erkenntniß. Die Wildlinge von willkürlich gebildeten, nirgends heimathberechtigten Fremdwörtern müssen sich eine grammatische Zucht gefallen lassen oder landesverwiesen werden. Bei allen könnte und sollte nach dem Heimathsschein gefragt werden, und haben sie sich ausgewiesen etwa gar als Lehnwörter, wie man die Fremdwörter genannt hat, die sammt einer neuen Sache als Gabe des Auslandes zu uns kamen, so wird bei den Schülern leicht ein Gefühl der Dankbarkeit gegen jenen einstigen Geber platzgreifen und so mehr für internationale Gesinnung beitragen, als willkürlich gemachte Fremdwörter. Da kann gesagt werden, daß wir die angenehmen Früchte: Birnen, Pflaumen, Kirschen, den Römern verdanken, nicht so den heimischen Apfel; daß wir von ebendemselben Volke eine bessere Bauweise, das Bauen von Mauern( vom lateinischen murus) gelernt haben, daß dorther uns Fenster, Pfosten, Pfeiler, Pforte, Ziegel bekannt worden und ihre Namen heut nach deutschen Lautgesehen umgewandelt unser ehrlich Eigen geworden sind.
Richtige leidenschaftslose Erkenntniß ist die einzige Lösung und diese kann schon frühe in der Jugend gepflegt und vorbereitet werden, und diese Thätigkeit kann nicht ohne Früchte bleiben, nach verschiedenen Seiten wird sie segensreich wirken.
Und nun ein paar praktische Regeln für den einzelnen, der außer Schule steht.
Man spricht nicht, oder doch nur höchst selten, blos für sich, sondern für andere, deshalb wähle man die Worte, welche auf möglichst allgemeines Verständniß rechnen dürfen. Das werden in den meisten Fällen die guten deutschen Ausdrücke sein!
Man scheue aus demselben Grunde ein deutliches, allgemein gebräuchliches, den Nagel auf den Kopf treffendes Fremdwort nicht allzu sehr und werde durch wässerige Umschreibungen etwa unklar und unverständlich!