Man brauche überhaupt kein Wort, bei dem man sich nichts denkt und kein Fremdwort, dessen genaue Bedeutung man nicht kennt! Man suche sich bei jedem Wort, welches man spricht sowohl, wie bei jedem, welches man hört, eine deutliche Vorstellung, ein möglichst anschauliches, klares Bild zu machen. Dieses Bild in Worten ausführen, heißt sprechen: braucht man ein starkglänzendes Licht im ganzen Bild, welches man sich nur sprachlich durch ein Fremdwort schaffen kann, so brauche man es!( S. oben bei Herder!) Das sind nun alles sehr einfache Dinge, sie werden aber trotz ihrer Einfachheit gar häufig außer acht gelassen. Will man aber einmal den Versuch machen, seine tägliche Ausgabe und Einnahme an gesprochenen und gehörten Worten etwas genauer zu kontroliren, so werden bei diesen Sprachdenkübungen unbedingt bei jedem eine Menge anziehender kleiner Erfahrungen sich ansam
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meln, die nicht ohne Nuzen für die innere geistige Ausbildung bleiben können.
Und hiermit nehmen wir Abschied von dem Leser, mit Dank, daß er uns auch einmal auf einem etwas von Schulluft durchzogenen Gang begleitet hat, wir hoffen aber, er ist von ihm nicht ganz ohne manchen kleinen Genuß, oder ohne daß diese oder jene kleine Aufklärung sich ergeben hätte, zurückgelegt worden. Die Sache, das können wir zum Schluß noch versichern, liegt uns sehr am Herzen, wie sie denn auch thatsächlich recht wichtig ist. Nirgends ist die Verlockung zur Phrase, zur hohlen Wortmacherei stärker und die Gefahr der Unklarheit und Unwahrheit größer, als bei massenhaftem Fremdwörtergebrauch, und dieser Gegenstand war wohl werth, einmal eingehender behandelt zu werden, damit ihn der Leser für sich weiter beobachte.
Die Eroberung des Himmels.
( Himmelstunde und Kultur. Praktische Bedeutung der Astronomie. Galilei . Kepler. Wissen und Glauben. Mondstädte und Venusfeste. Der Mond ohne Wasser. Ein Mitleid ohne Grund. Leicht wie Blei. Astronomie und Intelligenz. Der Firstern himmel. Von Millionen und Billionen. Die Spektralanalyse. Zwei deutsche Eroberer.- Wesen der Spektralanalyse. Das Spektrum. Vom Natrium.)
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Keine Kultur hat es gegeben, deren Bestrebungen nicht dar auf gerichtet waren, die Geheimnisse des Himmels zu erforschen; -kein Philosoph hat sich damit begnügt, das Sein auf der Erde zu ergründen, ohne zugleich einen forschenden Blick auf jene rollenden Himmelskörper über unseren Häuptern zu werfen, in denen man Welten vermuthete, ohne die wissenschaftlichen Mittel zu besitzen, um diese Vermuthung zur Gewißheit zu erheben; aber ebensogut hat es keine Täuschung, kein Blendwerk, keinen Aberglauben gegeben, die sich nicht aus den unbefannten Sphären des Himmels ihre Waffen und Mittel geholt hätten. Nicht die Astrologen allein, welche vorgaben, in den Sternen das Schicksal der Menschen lesen zu können, und Jahr tausende ihren Betrug fortführten, nein, alle andern Vertreter jener Träumereien und mystischen Ideen, die die Völker beirrten, spefulirten auf die Unwissenheit der letzteren in Sachen einer Wissen schaft, die vor allen befähigt erscheint, zerseßend auf die mensch lichen Wahngebilde zu wirken. Mit anderen Worten, die Astronomie ist, wie jede andere wahre Wissenschaft, eine Wissen schaft zur Entwicklung der Intelligenz und als solche von eminent praktischer Bedeutung.
Wohl kann es ausgesprochen werden, daß das Schicksal der Menschen wirklich von den Sternen beeinflußt wurde, wenn wir bedenken, von welcher materiellen Wirkung die astronomische Anschauungsweise war. So war das System des ägyptischen Astronomen Ptolemäus , demzufolge die Erde stille stand und von der Sonne umkreist wurde, nicht nur der Stützpunkt der kirchlichen, sondern auch der staatlich- bürgerlichen Machtansprüche, und mit diesem Weltsystem, welches von dem Triumvirate Kepler- Kopernitus- Galilei in Stücke geschlagen wurde, fielen auch die Säulen der alten kirchlichen und gesellschaftlichen Zustände. Nicht um sonst spannte man in Rom den 74 jährigen Galilei auf die Folter und verkündete bis 1828 alljährlich, daß die Sonne und alle andern Sterne die Erde umkreisen, nicht umsonst ließ man Kepler , nachdem er sein Leben dadurch hatte fristen müssen, daß er ,, Kalender machte" und den Leuten aus deren Sternen wahr sagte, am kaiserlichen Hoflager zu Regensburg den Hungertod sterben; wie Kästner sagt:
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,, So hoch war noch kein Sterblicher gestiegen, Als Kepler stieg und starb in Hungersnoth; Er wußte nur die Geister zu vergnügen, Drum ließen ihn die Körper ohne Brot" Nein, diese Männer waren feine ,, unpraktischen Gelehrten", sie waren Revolutionäre, und die„ unpraktische" Astronomie war es, die mithalf bei der Vernichtung der alten Zustände. Und so ist es bis heute geblieben. Bis auf unsere Tage herab, war jede Entdeckung, jede Eroberung oben in den Himmelsräumen die Vorläuferin oder Begleiterin eines Fortschrittes der Menschen und interessant und leicht wäre es, die kulturelle Bedeutung der Astronomie geschichtlich zu beweisen. Wenn dennoch im allgemeinen eine arge Gleichgiltigkeit dieser Wissen
schaft gegenüber sich zeigt, so hat sie ihren Grund in einem gewissen Argwohn des Menschen, der allerdings bei der Astronomie entschuldbarer ist als anderswo. Denn nicht nur das Feld der Astronomie, auch alle Mittel und Fähigkeiten, welche dieselbe fordert, liegen weit mehr ab von der Heerstraße des allgemeinen Wissens, als die anderer Disziplinen. Der Astronom hat dem Publikum gegenüber viel freiere Hand als der Naturforscher; er hat viel weniger eine Kontrolle als dieser zu fürchten, dafür begegnen ihm aber ungleich größere Zweifelsucht und Vorsicht.
Inwieweit sind diese Zweifelsucht und Vorsicht gerechtfertigt? Es ist eine bezeichnende Thatsache, daß die ernstesten Denker, sobald sie das Sternengebiet betreten, von der Lust zu fabuliren, mehr oder minder befallen werden; so wird Kant, der ernſte Philosoph, in seiner Naturgeschichte und Theorie des Himmels" zu einem zweiten Dante und beschreibt und dekorirt Dinge, die ihm kein Teleskop hat jemals zeigen und keine Zahlenkolonne beweisen können. Man muß eben in solchen Fällen zwischen Wissen und Vermuthen eine scharfe Linie ziehen und die Vermuthung für das nehmen, was sie eben ist. Gruithuisen, einer der besseren Astronomen unseres Jahrhunderts, will in dem Monde eine Stadt von fünf Stunden Länge und einem Fort auf einer Anhöhe( also Soldaten auch auf dem Monde!) bemerkt haben und derselbe Gelehrte spricht anderswo die Meinung aus, daß der auf der unbeleuchteten Seite der Venus sich oft zeigende Feuerschein seinen Grund in der Abhaltung religiöser Feuerfeste seitens der p. t. Venusbewohner haben könne. Dies ist doch wahrlich nicht mehr astronomische Wissenschaft, sondern astronomisches Kinderspiel, das man einem Gelehrten von Verdienst als Zeitvertreib zwar verzeihen, jedoch sich hüten muß, ernst zu nehmen. Ist aber einerseits einige Vorsicht der Astronomie gegenüber nicht zu tadeln, so muß doch bemerkt werden, daß vieles dem ungelehrten Auge eine Träumerei zu sein scheint, was in Wirk lichkeit nur eine aus Beobachtungen folgende Nothwendigkeit ist. Nehmen wir ein Beispiel. Lange bevor die Spektralanalyse es festgestellt hatte, daß es auf dem Monde keine Atmosphäre gebe, waren schon die Astronomen derselben Meinung und schlossen daraus auf die Unmöglichkeit des vegetativen Lebens auf dem Erd trabanten. Der Laie ist nun versucht, diese Meinung für eine Träumerei zu halten und über die Beschreibung der Mondlandschaft mit ihrem schwarzen Himmel und ihren grellbeleuchteten Gebirgen zu lächeln; allein der Beweis für den Mangel einer Atmosphäre auf dem Mond ist folgender: Es kommen Fälle vor, wo Sterne in ihrem Laufe vom Monde bedeckt und unsichtbar werden. Gäbe es nun auf dem Monde eine Atmosphäre, so müßte sich nach dem Gesetze der Lichtbrechung, bevor noch der Stern hinter den Mond rückte und nachdem er hinter demselben verschwände, die Atmosphäre des letzteren sich erleuchten und dasselbe der Fall sein, beim Wiedersichtbarwerden des Sternes auf der andern Seite des Mondes, wie ja auch unsere Atmosphäre schon vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang sich erhellt. Diese Erscheinung fehlt aber auf dem Monde, also auch die Atmosphäre. So gibt uns ferner das newtonsche Gesetz der Schwere das Mittel in die Hand, nicht allein den Lauf der Gestirne, sondern auch deren Umfang und Dichte zu berechnen. Dasselbe Gesez muß aber überall dieselben Erscheinungen zeigen, und es lassen sich somit alle Erscheinungen der Schwere, wie sie auf unserer Erde sich fundgeben, den veränderten Verhältnissen auf Sonne und Pla neten genau anpassen. Besonders die populäre Astronomie be