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schäftigt sich mit Vorliebe mit solchen Vergleichen, ohne daß man gegen sie deswegen den Vorwurf der Träumerei erheben könnte. So hat man sich, ehe die Spektralanalyse den Beweis für den glühenden Zustand des Sonnenkörpers erbracht und die Anschwärzung widerlegt hat, die Sonne wäre ein dunkler von einer feurigen Gashülle umgebener Körper, sehr viel den Kopf für die p. t. Sonnenbewohner zerbrochen und nachgegrübelt, wie dieselben gebaut sein müßten, um ihr Leben erträglich zu finden. Die Sonne ist nämlich, wie bekannt, fast anderthalb millionenmal größer als die Erde, und es muß somit auch ihre Anziehungskraft auf die Gegenstände ihrer Oberfläche eine viel bedeutendere sein als die der Erde;- und man nimmt an, daß ein Erdenzentner auf der Sonne sechsunddreißig Zentner wiegen müsse, d. H. mit der Gewalt von 36 Zentner auf seine Unterlage drücken würde. Berechnet man nun das Gewicht eines Erden menschen im Durchschnitt mit einem Zentner, so würde dieser Mensch auf der Sonne 36 Zentner wiegen und das Leben ihm so wirklich zur unerträglichen Last und er. von seinem eigenen Gewichte erdrückt werden. Aber glücklicherweise gibt es auf der Sonne keine Bewohner- die Sonne brennt und sie kann daher auf ihrer Oberfläche kein vegetatives Leben besitzen.
Wenn auf dem ungeheuren Sonnenball die Anziehungskraft so groß ist, daß eine Flaumfeder mit dem Gewichte des Bleies auf den Sonnenboden fiele, so muß man umgekehrt aus der geringen Masse des Planetoiden Pallas( 37 geographische Meilen Durchmesser) schließen, daß auf diesem Planeten Blei so leicht wie eine Flaumfeder wiegt....
Ist solcher astronomisch- physikalischer Zeitvertreib ohne allen Nußen? Gewiß nicht; es gehört mit zu den Vortheilen der Eroberungen, die der Menschengeist oben im Himmelsraume gemacht, daß dieser Menschengeist in die Lage kommt, sich von der Erdenscholle loszumachen, und indem er die Gesetze seines Planeten auf das Weltall ausdehnt, aus Erdenbürgern Welt bürger zu bilden. Wer den verderblichen Einfluß jenes Nützlich feitsprinzipes auf die Menschheit, demzufolge die Sonne scheinen muß, damit das Getreide gelb und der Apfel roth werde, kennt, wird den unendlichen Nußen erfassen, den geläuterte astronomische Kenntnisse auf ein Volf ausüben müssen. Ist einmal zu einem Gemeingut aller die Kenntniß geworden, daß die entferntesten Sterne dieselben Stoffe aufweisen, welche unsre Erde besitzt, und daß das gleiche Gesetz, welches den Apfel vom Baume fallen läßt, oben im Weltraume thätig ist, dann wird so mancher Wahn fallen müssen und die Menschheit ihre letzte Aufgabe viel leichter begreifen als früher.
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Hochinteressant wäre es, zu beobachten, wie Schritt für Schritt der Mensch sich den Himmel eroberte und dessen Räthsel zu lösen versuchte. Welch ungeheurer Fortschritt von den Anfichten jener Philosophen, die die Erde noch für eine Säule und die Sonne für einen Körper von drei Fuß Durchmesser hielten, bis zu den Zeiten eines Kopernikus, Newton und William Herschel und dem Standpunkte der heutigen Astronomie, deren Fernrohre über 560,600,000,000 Meilen in dem Himmelsraume vordringen. So große Vervollkommnung jedoch das Teleskop auch erfahren, so sehr es auch zur Entdeckung zahlreicher neuer Sterne geführt, so gebührt ihm doch nicht die Palme in diesem Kampfe des Menschen um den Himmel. Das Teleskop schlägt nur die Brücke von Stern zu Stern, aber nur die Spektralanalyse ist im Stande, die Fixsternwelt selbst zu betreten und der Wissenschaft zu erobern. Hätte die Astronomie sich nur um unser Sonnensystem zu bekümmern, d. h. um die Sonne, die 107 Haupt- und Nebenplaneten, die Kometen und Meteorsteine, so hätte uns noch eher das Fernrohr genügen können, obschon die Jahrhunderte lang behauptete Ansicht, die Sonne sei ein an sich dunkler Körper, beweist, daß selbst auf diesem bescheidenen Gebiete das Fernrohr unbeschränkte Dienste leistet. Vollends bewies aber dasselbe seine Unfähigkeit dem Fixsternhimmel gegenüber. Während nämlich unter den Gläsern des Teleskops die Planeten als Scheiben
sich darstellen, welche uns ein ziemlich deutliches Bild von der Oberfläche jener Körper liefern( so daß wir z. B. ausgezeichnete Mondkarten besitzen), bleiben die Fixsterne auch unter der stärksten Vergrößerung funkelnde Punkte, auf denen sich nichts unterscheiden läßt, so daß uns der Firsternhimmel ewig ein Geheimniß geblieben wäre ohne die Spektralanalyse.
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Jeder Denkende wird vor dieser Entdeckung Achtung empfinden müssen, wenn er bedenkt, welche Entfernung der Firsternhimmel mit seiner Milchstraße, seinen Sternen- und Nebelhaufen, von unserer Erde hat. Eine deutliche Vorstellung von dieser Entfernung kann man sich gar nicht machen. Die geringste ver hält sich zu einer Meile wie 190,000 Jahre zu einer Sekunde und ist noch eine Entfernung, welche eine Kanonenkugel erst in 6 Millonen Jahren, der Schall in 32 Millionen und das Licht in drei Jahren zurücklegen können. Der uns nächste Fixstern ist noch immer vier Billionen Meilen von uns entfernt, während der Sirius( Hundsstern) 18.5 Billionen, die Capella 92 Billionen und Herschels entferntester Stern 4500 Billionen Meilen von uns entfernt ist, eine Zahl, die zu erfassen uns garnicht möglich ist. Und wenn wir nun von Körpern von solcher Entfernung die chemische Constitution und die physische Beschaffenheit kennen, so haben wir dies der Spektralanalyse zu verdanken. Seit zwanzig Jahren ist nun diese Wissenschaft im Dienste der Himmelskunde und hat Erstaunliches geleistet. Bunsen und Kirchhoff haben sie in die Astronomie eingeführt und sind dadurch zu zwei deutschen geworden, deren Namen Eroberern auch ohne Ehrensäbel im Munde eines jeden leben sollten; denn sie haben der Wissenschaft, ohne einen Flintenschuß, nur durch ein kleines Glasprisma, Gebiete erobert, von mehr Millionen Meilen Ausdehnung, als es Pfennige im neuen deutschen Reiche giebt.
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Um dem Leser ein klares Bild von der Rolle zu geben, welche der Spektralanalyse bei der Erforschung des Himmels zugewiesen ist, müssen wir vorerst den Begriff dieses wissenschaftlichen Untersuchungsmittels selbst klar machen, was wohl jeden interessiren muß, der nicht sich allein, sondern der Menschheit und deren Fortschritt lebt.-
Der Name Spektralanalyse klingt etwas zu gelehrt" und Was analysiren wir wollen daher ihn zuerst verdeutschen. heißt, weiß jedermann; man analysirt ein Wort, eine Rede, einen Stoff, d. h. man zergliedert das Wort, die Rede, den Stoff, in ihre Theile. Die Spektralanalyse zergliedert also; aber was? Im Lateinischen bedeutet das Wort spectrum, Geist, Erschei nung 2c.; allein in der Naturlehre, die an keine Geister glaubt, versteht man unter Spektrum nicht etwa eine Gespenstererscheinung, sondern jenes anmuthig liebliche in allen Regenbogenfarben glänzende Bild, welches man erhält, wenn man das Licht der Sonne oder eines anderen leuchtenden Körpers durch ein breikantig geschliffenes Glas ein sogenanntes Prisma- hindurchgehen - läßt; das unbewaffnete Auge sieht in den verschiedenen Lichtern, wie z. B. dem der Sonne, der Gas-, Del- oder Kalkflamme, außer einer Nüancirung in der Farbe und Lichtstärke, keine wesentlichen Unterschiede; anders aber verhält sich die Sache, wenn man ein solches Licht durch ein Glasprisma hindurch und das Regenbogenbild des darin gebrochenen Lichtes in die Netzhaut des Auges fallen läßt. Dieses Regenbogenlicht, welches man dann erblickt, heißt man eben das Spektrum, dessen Aussehen und Beschaffenheit von der Natur des Stoffes abhängt, welcher das Licht aussendet. Die Verschiedenheit dieses Farbenlichtes ist derart charakteristisch, daß jedem in Gasform glühenden, festen oder flüssigen Körper und leuchtenden Stoff ein be sonderes, eben nur diesem Stoffe eigenthümliches Spektrum entspricht. Läßt man z. B. das Licht einer Natriumflamme durch ein Glasprisma fallen, so wird auf einem an passender Stelle angebrachten weißen Papierschirm das Spektrum des Natriums sofort sich zeigen, nämlich eine dicke orangegelbe Linie, so daß man aus dieser Linie schon schließen kann, daß das Licht vom Natrium ausgesandt wird. ( Fortseßung folgt.)
Irrfahrten.
( Fortsetzung.)
Theuerster! Ich glaubte, Dir gleich nach meiner Ankunft mit einem langen Exposé dienen zu können. Ich täuschte mich. Ich bin jetzt noch unfähig dazu. Es will jede Speise erst verdaut sein, um dem Organismus des Leibes zu Nußen zu sein.
Also später! Bei Oberinspektor Retter bin ich heut Vormittag gewesen. Er ist ein freundlicher alter Herr, der die Empfehlung Deines Vaters wohlwollend entgegennahm und mich einer langen Auseinanderseßung mit der Frage überhob, mit was er mir be