Die Zene Well
№ 16.
Illustrirtes Unterhaltungsblatt für das Volk.
Erscheint wöchentlich.- Preis vierteljährlich 1 Mark 20 Pfennig. In Heften à 30 Pfennig. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter.
Dem Schicksal abgerungen.
Novelle von Rudolph von B...... ( Fortsetzung.)
So geschickt auch der Justizrath für gewöhnlich zu verbergen pflegte, wohin eigentlich seine Blicke fielen, seinem Nebenmann Schweder blieb nicht verborgen, was augenblicklich der Gegen stand der Aufmerksamkeit des alten Herrn war; er errieth sogar die Gedanken des schlauen Juristen, und er lächelte triumphirend, als er sah, wie viel weniger er selbst dem Justiz rath der Beobachtung werth erschien, als Alster und Frau Senkbeil. Diese unterhielten sich angelegentlich mit einander. Zwar war Herr Alster im Grunde allein der aktive Theil bei dieser Unterhaltung; er ließ seiner Zungenfertigkeit die Zügel schießen, sprach vom Theater, von Konzerten und Bällen und allem Möglichen sonst, was man gemeinhin für eine Dame der sogenannt guten Gesellschaft interessant hält; aber er hatte die Genugthuung, eine sehr aufmerksame Zuhörerin zu besißen, die allem, was er sagte, liebenswürdig lächelnd oder freundlich nickend zustimmte. Zuweilen traf ihn sogar ein eigenthümlich warmer Blick aus den strahlenden Augensternen der schönen Frau, ein Blick, der ganz dazu angethan war, den Verdacht zu erregen, als ob die augenscheinlichen Bemühungen des Herrn Alster um die Gunst der Dame auf recht fruchtbaren Boden fielen.
Indessen war es nicht im geringsten das Unterhaltungstalent oder gar das einnehmende Wesen des Herrn Alster, welches ihm so im Sturm die Aufmerksamkeit seiner Tafelnachbarin erobert hatte, sondern es war vielmehr das Bestreben der Dame, sich für das vermeintliche Komplott zu rächen, welchem sie die Ehre dieser Bekanntschaft zu danken hatte.
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Schweder hatte ihr einmal in seiner spöttischen Manier von der gloriosen Eroberung" gesprochen, welche sie gemacht hätte an dem ,, Dütenkrämer a. D."- an dem verehrungswürdigen Herrn Alster " nämlich, mit welch letzterer Bezeichnung er besagtem Herrn heut Abend zu schmeicheln beliebt hatte. Er hatte hinzugefügt, daß dieser Hans im Glücke" natürlich der geist reichen Ueberzeugung sei, das Herz einer schönen Frau erobere man genau so wie das eines Börsenagenten man brauche nur ein feines Haus" zu repräsentiren und die„ Spesen" nicht knapp zu bemessen.
Frau Senkbeil kannte Schweder gut genug, um ihm zuzutrauen, daß er sie absichtlich einmal in die Gesellschaft des von ihm verspotteten Mannes bringen möchte, um sich darüber zu amüsiren, wie dieser ihr den Hof machen und sie ihn abtrumpfen Freilich konnte Schweder auch sicher sein, daß sie solchem Spaße nichts weniger als abgeneigt war. Sie liebte es, die
würde.
1880.
Ueberlegenheit der ihrer Schönheit und der Beweglichkeit ihres Verstandes bewußten Frau zur Geltung zu bringen, aber daß Schweder heut, einer seiner unberechenbaren Launen folgend, sie ohne alle Vorbereitung und unter nichtigem Vorwande hierherführte-in der schnöden Absicht, sich auf ihre Kosten zu amüsiren statt sie selbst ins Komplott zu ziehen das fand sie schon so ziemlich unverzeihlich.
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Aber noch viel unverzeihlicher erschien ihr, daß ihr Gatte um die schwederſche Ungezogenheit wie sie es im stillen nannte offenbar wußte. Wie wäre er sonst so bereitwillig auf Schweders Vorschlag eingegangen, eine vor kürzester Frist bei Weinhold eingetroffene, sehr seltene Weinsorte zu probiren, und warum hätte er mit so vielsagendem Lächeln Schweder angesehen, als sie vorhin hier eingetreten waren!
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Es war wirklich unerhört aber Frau Senkbeil hatte sich in demselben Augenblicke, als sie ihrer Sache gewiß zu sein glaubte, vorgenommen, den beiden einen tüchtigen Strich durch die Rechnung zu machen. Warum sollte sie den Dütenkrämer a. D." mit der ihr allerdings zu Gebote stehenden feinen Malice empfinden lassen, daß seine Huldigung an dem Panzer ihres Stolzes und ihres verwöhnten Geschmacks eindruckslos abpralle, wie der Bolzen aus der Armbrust des Knaben von steinerner Mauer? Nein, nun gewiß nicht die Männer sind alle eifersüchtig, bis zum Unverstande eifersüchtig, Frau Senkbeil verstand sich auf Männerschwächen, darum wollte sie, beiden, ihrem Gatten und Schweder, zur Strafe das begeisterte Entgegenkommen des alten Don Juan Alster nicht zurückweisen, nein, sie wollte ihn ermuthigen, in ihm die Einbildung seiner Unwiderstehlichkeit noch bestärken, zwischen ihm und ihr das erste Kapitel eines Romans sich abspielen lassen; eine kleine Komödie das, wie die schöne Frau sie schon zu Dugenden, und nicht immer beim ersten Kapitel stehen bleibend, begonnen und siegreich zu Ende geführt hatte.
Aber so leicht schien es nicht zu sein, den gewünschten Eindruck auf die Herren Senkbeil und Schweder hervorzubringen. Der erstere schien den absonderlichen Charakter der Unterhaltung des Herrn Alster mit seiner Frau garnicht zu bemerken, er war von einem Gespräch mit dem Justizrath lebhaft in Anspruch genommen, während Schweder mit so harmlos vergnügtem Antlig in die Welt hineinschaute und aufs eifrigste dem Römer zusprach, aus dem der herrliche Rheinwein seine lockenden und verführerischen Düfte emporsandte.
V. 17. Januar 1880.