streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswerth die Summe von 300 Mt. nicht über steigt.

Außerdem sind ihnen, ohne Rücksicht auf den Werth des Streitgegenstandes, gewisse Streitigkeiten zugewiesen, welche eine möglichst schnelle und prompte Erledigung fordern, deren Natur daher ein möglichst einfaches Verfahren erfordert. Es sind das 3. B. Streitigkeiten zwischen Vermiethern und Miethern von Wohnungs- und anderen Räumen wegen Ueberlassung, Benutzung und Räumung derselben, Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirthen, Dienstherrschaft und Gesinde, Streitigkeiten wegen Vieh mangel, Wildschäden und Ansprüchen aus dem außerehelichen Beischlaf.

Paragraph 23 des Gerichtsverfassungsgesetzes zählt die vor das Amtsgericht gehörigen Zivilsachen vollständig auf und mag des halb hier darauf der Kürze wegen verwiesen werden.

Die Landgerichte sind mit einem Präsidenten und der erfor derlichen Anzahl von Direktoren und Mitgliedern besetzt. Bei ihnen sind Zivil- und Straffammern gebildet.

Die Zivilkammern entscheiden in einer Besetzung von drei Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden. Sie sind in Zivil­ sachen zuständig für alle Streitigkeiten, welche nicht den Amts­gerichten zugewiesen sind, also in der Hauptsache für alle Strei­figkeiten, deren Gegenstand das Geld und den Geldeswerth von 300 Mt. übersteigt oder überhaupt nnschätzbar ist. Zugleich sind aber die Zivilkammern auch die Berufungs - und Beschwerde­gerichte in den von den Amtsgerichten verhandelten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten.

Alle Erkenntnisse, Beschlüsse und Verfügungen des Amts­richters können, soweit sie überhaupt anfechtbar, mittels Berufung oder Beschwerde angefochten werden und kommen dann in zweiter Instanz vor den Zivilkammern der Landesgerichte zur noch­maligen Prüfung und Entscheidung.

Bor die Kammern für Handelssachen endlich gehören alle den Landgerichten in erster Instanz zugewiesenen Zivilstreitigkeiten handelsrechtlicher Natur. Sie entscheiden in der Besetzung mit einem Mitglied des Landgerichts als Vorsitzenden und zwei Handelsrichtern. Ersterer ist ein juristisch gebildeter Richter, lez­tere sind Laien, dem Handelsstande entnommen.

In Zivilsachen haben wir sonach drei verschiedene Gerichte, welche in erster Instanz je nach der Verschiedenheit des Objekts entscheiden, kennen gelernt.

Die Strafsachen werden in erster Instanz gleichfalls je nach der Natur der Vergehen vor drei verschiedenen Gerichten ver­handelt. In erster Instanz sind als Strafgerichte thätig die Schöffengerichte, die Straffammern der Landgerichte, die Schwur­gerichte.

Die Kompetenz dieser Gerichte scheidet sich im allgemeinen nach der Schwere des Vergehens.

Vor das Schöffengericht gehören alle Uebertretungen und die geringeren Vergehen, vor die Strafkammer der Landgerichte die schwereren Vergehen und die geringeren Verbrechen, vor die Schwurgerichte die schwereren Verbrechen.

Näher bestimmt fallen unter die Zuständigkeit der Schöffen­gerichte alle Uebertretungen, sowie diejenigen Vergehen, welche nur mit Gefängniß von höchstens 3 Monaten oder Geldstrafe von höchstens 600 Mt. allein oder neben Haft oder in Verbin dung mit einander bedroht sind, ferner alle Beleidigungen und Körperverlegungen, soweit die Verfolgung im Wege der Privat­flage erfolgt und endlich die Eigenthumsvergehen, sofern der Werth des Objekts die Summe von 25 Mark nicht über­steigt.

Die Zuständigkeit des Schöffengerichts kann auch dadurch be­gründet werden, daß das Landesgericht eine Sache, welche an sich zur landesgerichtlichen Zuständigkeit gehört, zur Aburtheilung an das Schöffengericht verweist.

Diese Ueberweisung ist natürlich nur innerhalb bestimmter gesetzlicher Schranken zulässig.

Die Kompetenz der Strafkammern des Landesgerichts erstreckt sich zunächst auf alle Vergehen, welche nicht vor die Schöffen­gerichte gehören, sodann auf die Verbrechen, welche mit Zucht haus von höchstens 5 Jahren allein oder in Verbindung mit anderen Strafen bedroht sind, ferner auf die Verbrechen der zur

186

Zeit der That noch nicht 18 Jahre alten Personen, auf die Ver­brechen der Unzucht mit Kindern unter 14 Jahren, auf die Ver­brechen des schweren Diebstahls und des Diebstahls im wieder­holten Rückfall, der gewerbsmäßigen Hehlerei, der Hehlerei im wiederholten Rückfall und endlich im Rückbetrug.

Die Kompetenz der Schwurgerichte umfaßt alle den Land­gerichten nicht zugewiesenen Verbrechen, mit Ausnahme der in erster und letzter Instanz dem Reichsgericht zugewiesenen Ver­brechen. Innerhalb dieser ihrer Kompetenz werden die Schöffengerichte nun thätig in einer Besetzung von drei Richtern, dem Amtsrichter als Vorsitzenden und zwei Richtern.

Die Straffammern sind besetzt mit nur juristisch gebildeten und beamteten Richtern und bestehen aus fünf Richtern mit Ein­schluß des Vorsitzenden.

Die Schwurgerichte bestehen aus drei richterlichen Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden und aus zwölf zur Entscheidung der Schuldfrage berufenen Geschworenen.

Auch in Strafsachen erschöpft sich die Thätigkeit der land­gerichtlichen Strafkammern nicht als Gericht erster Instanz. Sie werden auch als Gericht zweiter Instanz geltend; sie entscheiden als Beschwerdeinstanz über Beschwerden gegen Verfügungen des Untersuchungsrichters, des Amtsrichters, sowie als Berufungs­instanz über Berufungen gegen Entscheidungen des Schöffen­gerichts.

Der Vollständigkeit wegen sei endlich noch bemerkt, daß als Gericht erster Instanz auch das Reichsgericht thätig wird es, freilich zugleich auch als legte Instanz, zuständig ist für die Untersuchung und Entscheidung in Fällen des Hochverraths und Landesverraths, insofern diese Verbrechen gegen den Kaiser und das Reich gerichtet sind.

Als höhere Gerichte und nur als solche kommen aber im übrigen in Betracht das Oberlandesgericht und das Reichs­gericht.

Die Oberlandesgerichte sind mit einem Präsidenten und der erforderlichen Anzahl von Senatspräsidenten und Räthen besetzt. Auch bei ihnen sind Zivil- und Strafsenate gebildet. Diese ent­scheiden in der Besetzung von fünf Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden.

Sie sind zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel

1) der Berufung gegen die Endurtheile der Landgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten;

2) der Revision gegen Urtheile der Strafkammern in der Berufungsinstanz für schöffengerichtliche Sachen;

3) der Revision gegen Urtheile der Straffammern in erster Instanz, sofern die Revision ausschließlich auf die Verlegung einer in den Landesgesezen enthaltenen Rechtsnorm gestützt wird; 4) der Beschwerde gegen Entscheidungen der Landgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten;

5) der Beschwerde gegen strafrichterliche Entscheidungen erster Instanz, soweit nicht die Zuständigkeit der Straffammer begründet und gegen Entscheidungen der Straffammern in der Beschwerde­und Berufungsinstanz.

Das Reichsgericht ist mit einem Präsidenten und der erforder­lichen Anzahl von Senatspräsidenten und Räthen besetzt. Auch bei ihm bestehen Zivil- und Straffenate, welche in der Besetzung von sieben Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden entscheiden. Es ist zuständig in Zivilsachen für die Rechtsmittel der Revision gegen die Endurtheile der Oberlandesgerichte und der Beschwerde gegen Entscheidungen dieser Gerichte. In Strafsachen ist es zu­ständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechts­mittel der Revision gegen Urtheile der Strafkammern in erster Instanz, insoweit nicht die Oberlandesgerichte zuständig sind, und gegen Urtheile der Schwurgerichte, d. h. wenn die Verlegung eines Reichsgesezes vorliegt.

Diesem Bilde deutscher Gerichtsverfassung ist nur noch hinzu­zufügen, daß Bayern ein oberstes Landesgericht besitzt, welches über diejenigen bayrischen Revisionen und Beschwerden in bürger­lichen Rechtsstreitigkeiten entscheidet, welche an sich dem Reichs­gericht zugewiesen sind. Es ist dies eine mehr oder weniger nicht berechtigte Eigenthümlichkeit, welche sich Bayern dem Reich gegen­über zu bewahren gewußt hat.