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See; verbunden werden sie durch den Lualaba oder Luapula, den man für den bisher unbekannten Lauf des Congo ansieht. Das ganze von Livingstone neuentdeckte Gebiet zeigt in Bezug auf die Thier- und Pflanzenformation entschieden westafrikanischen Charakter und die zuerst von ihm dort besuchten Völker sind größtentheils Menschenfresser der ärgsten Art, namentlich die Manjuema. Da von Livingstone lange Zeit alle Nachrichten ausgeblieben waren, so wurde man um sein Wohlergehen besorgt, und Cameron erhielt 1872 von der londoner geographischen Gesellschaft den Auftrag, ihn aufzusuchen, schlimmsten Falls dessen Nachlaß von Tagebüchern, Aufzeichnungen und dergl. zu retten. Bevor Cameron mit seinen Vorbereitungen fertig war, hatte ein unternehmender Amerikaner, Henry Stanley , im Auftrage der Redaktion des ,, New- York- Herald " bereits das große Werk vollbracht. Reich mit Mitteln ausgestattet, brach Stanley am 21. März 1871 von Zansibar ( Hafenort am indischen Ozean unter dem 6. Grad südlicher Breite) nach dem Innern Afrikas auf und traf am 10. November in Udschidschi auf den gerade aus dem Manjuemalande zurückgekehrten Livingstone. Gemeinschaftlich mit diesem erforschte er das bis dahin nnbekannte Nordende des Taganjikasees und fand, daß der Rusisifluß in dasselbe einmünde, der Taganjika also mit dem Luta Nzigé, wie man früher vermuthete, nicht in Verbindung stehen kann. Während Livingstone, mit neuen Mitteln versehen, sein Werk fortsetzte es sollte sein letztes sein erreichte Stanley am 6. Mai 1872 Zansibar wieder und kehrte nach Amerika zurück. Im Dezember 1872 verließ Cameron in Begleitung des Arztes Dr. Dillon England und den 18. März 1873 Zansibar, wo sich ihm Lieutenant Murphy angeschlossen hatte. Am 4. August erreichte er Unyanyembe. Hier traf er die treuen Diener Livingstone's mit der Leiche ihres Herrn und einem Theil seines Nachlasses und erfuhr zugleich, daß ein Theil der Manuskripte in Udschidschi am TanganjikaSee noch aufbewahrt werde. Während nunmehr der Lieutenant Murphy beauftragt wurde, die Leiche Livingstone's und den bisher erlangten Nachlaß desselben nach England zu geleiten, ging Cameron nach Udſchid schi und war so glücklich, den übrigen Nachlaß seines großen Vorgängers zu retten. Somit war seine eigentliche ursprüngliche Aufgabe schon Ende Februar 1874 vollständig gelöst. Aber es wächst der Mensch mit seinen größeren Zwecken. Obgleich Dr. Dillon den Beschwerden und dem verderblichen Klima schon im November 1873 erlegen und Cameron seitdem nur auf sich allein angewiesen war, faßte er doch den kühnen Entschluß, den Tanganjikasee zu vermessen und dann den afrikanischen Kontinent der Breite nach zu durchqueren. Somit begann seine ganz neue selbstständige Forscherarbeit von Bagamoyo westwärts bis Catumbella, wie einst Livingstones Riesentour vom Loanda ostwärts bis Kilimane. Mag es Cameron immerhin nicht gelungen sein, den Lualaba oder den Congo bis zum Meer zu verfolgen, mag auch das Gebiet, welches er durchwanderte, nicht in seiner ganzen Ausdehnung bisher unbekannt gewesen sein, und mag endlich auch der große weiße Fleck unserer geographischen Unkenntniß im äquatorialen Afrika nur in seinem südlichen Rand von ihm verkleinert und beschränkt worden sein seine Leistungen als einzelner hilfloser Reisender gehören unbestritten zu den außerordentlichsten und sind von höchstem Verdienst. Er hat fast 3000 englische oder 700 deutsche Meilen zum großen Theil unbefannten Gebiets in dem gefahrdrohendsten Theil des tückischen Kontinents zurückgelegt, natürlich unter all den Fatalitäten und Schwierigfeiten, welche dem Afrikareisenden so entsetzlich das Leben verbittern: Krankheit, Starrfinn der Eingeborenen, Unzuverlässigkeit und Habgier der Begleiter und in unabreißbarer Kette noch viele andere Zwischenfälle, die ohne Scheererei und Zeitverlust nicht abgehen. Er hat Steinfohle, Gold, Kupfer, Eisen und Silber gefunden. An Produkten, welche sich verwerthen lassen würden, führt er Muskatnüsse, Kaffee, Palmöl, Reis, Weizen, Baumwolle, Gummi, Kopal und Zuckerrohr auf. Nach seiner Ansicht würde ein Kanal von 20 bis 30 englischen Meilen durch ein flaches, ebenes Land den Congo mit dem Zambesi , die schon jetzt in Regenzeiten in Verbindung stehen, vereinen. Im Dezember 1875 von Catuubella am atlantischen Ozean glücklich heimgekehrt, wurde er von der geographischen Gesellschaft in London mit enthusiastischen Ehrenbezeigungen aufgenommen.
Unser Bild( Seite 184), Hochzeitstanz in Ribayeli, führt uns in den Kern von Jnnerafrika, in das mächtige Reich Urua, welches eine centrale Position zwischen der Ost- und Westküste einnimmt und zwischen dem Lualaba und Lomami liegt; die Hauptstadt und Residenz des jetzigen Herrschers Kasongo, Kilemba in der Provinz Kibayeli, liegt genau auf der geraden Linie zwischen Zansibar und Loanda und ziemlich genau in der Mitte zwischen beiden Orten. Cameron hielt sich hier lange auf, vom Oktober 1874 bis Februar 1875. In diesem Centralland treffen die arabischen Händler von der Ostküste und die portugiesischen Händler von der Westküste zusammen. Die Straße, die Cameron von Nyangwe nach der Westküste einschlug, scheint eine der großen Handelsstraßen durch Südafrika zu sein, sie fällt auch zum Theil mit den Reiserouten von Magyar und Graça zusammen. Da es Cameron verstand, die Anwendung von Waffengewalt zu vermeiden, wurden ihm auch viel weniger Schwierigkeiten in den Weg gelegt, ein Beweis, daß selbst Menschenfresser jede ihnen angethane Gewalt zu rächen trachten, während sie freundliche Begegnung freundlich erwiedern. Man sieht es diesen musizirenden und tanzenden Hochzeitsgästen gar nicht an, daß sie ihren Nächsten auffressen, jedenfalls haben sie deshalb keine Gewissensbisse, da sie einer ,, berechtigten Eigenthümlichkeit" fröhnen.
Die Schilderung der musikalischen Instrumente, sowie des Brautkostüms macht die anschauliche Deutlichkeit unseres Bildes überflüssig. Doch fehren wir von dem kannibalischen Hochzeitskonzert zu unseren Afrikaforschern zurück.
Was Livingstone und Cameron mißgelungen war, zu erforschen, ob der Lualabastrom der obere Lauf des Congo sei, ist Stanley auf seiner zweiten Tour gelungen. Zur selben Zeit, als Cameron vom Lualaba seinen Weg nach Süden einschlug, im November 1874, brach Stanley, vortrefflich ausgerüstet, mit einem vorzüglichen englischen Boot ,,, Lady Alice", und einer Eskorte von 300 Eingeborenen, von Bagamoyo , dem Ausgangspunkt Camerons, gegenüber der Insel Zanfibar, auf. Er wandte sich zunächst nach dem zentralafrikanischen Seegebiet des Taganjika, Viktoria- Nyanza und Albert- Nyanza . Nach wichtigen Aufschlüssen über die Quellflüsse des Nil kehrte er zum Taganjika nach Udschidschi zurück und begann am 11. Juni 1875 auf der ,, Lady Alice" die erste vollständige Aufnahme des Sees, die er in 51 Tagen ausführte. Das Resultat dieser bedeutenden Leistung ist die Erforschung des westlichen Lukugaflusses, jenes nach Cameron alleinigen Abflusses des Taganjika. Bei seiner Rückkehr nach Udschidschi im August 1875 grassirten dort die Pocken; nach Verlust von 5 Mann beeilte Stanley seine Weiterreise. Zwei Ziele lockten ihn an: entweder 1) westwärts nach Nyangwe am Lualaba, um denselben weiter zu verfolgen, was Cameron nicht gelungen war, oder 2) nordwestlich wiederum in das schon erwähnte Seegebiet. Er entschied sich für das erste Ziel, für die Erforschung des Lualaba. Udschidschi wurde verlassen, der Taganjika gekreuzt, dann nach Nyangwe marschirt und der Lualabastrom abwärts verfolgt; dann folgten blutige Züchtigungen der Eingeborenen. kühne Reisende drang rücksichtslos vorwärts, doch seitdem war keine Kunde von ihm gekommen. Schon verbreiteten sich schwere Besorgnisse um ihn, als unerwartet ein Brief von ihm anlangte.
Der
Um dem Leser ein anschauliches Bild von den Widerwärtigkeiten einer Reise unter den Tropen zu liefern, zitiren wir die Briefe Stanleys wörtlich:
,, Emboma am Flusse Congo, Westküste Afrikas , 10. August 1877. Am 8. d. M. langte ich hier von Zansibar an mit 115 Mann in einem schrecklichen Zustande. Wir verließen Nyangwe in Manyma am 5. November 1876, indem wir zu Lande durch Urreyga marschirten. Da wir nicht im Stande waren, durch die dichten Waldungen vorwärts zu kommen, so überschritten wir den Lualaba und ſegten unsern Marsch an dessen linkem Ufer fort, und zwar durch das nordöstliche Ukuſu. Die Eingeborenen leisteten uns Widerstand, plagten uns Tag und Nacht und verwundeten meine Mannschaft mit vergifteten Pfeilen. Unser Kampf in diesen Gegenden der Kannibalen wurde nun fast hoffnungslos. Ueberdies weigerte sich meine Eskorte von 140 Mann, die ich in Nyangwe engagirt hatte, weiter zu marschiren, was meine Lage bedentend verschlimmerte. Zur selben Zeit machten die Eingeborenen einen blutigen Versuch, uns vollständig zu vernichten. Wir vertheidigten uns, allein es gab blos einen einzigen Weg, unserer gefährlichen Lage zu entrinnen, wenn wir nicht überhaupt zurückkehren und unser begonnenes Werk ganz aufgeben wollten, nämlich von unseren Canoes Gebrauch zu machen.
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,, Obgleich wir auf dem Wasser entschieden den Vortheil über die Wilden besaßen, so wurde doch der Vormarsch an jedem Tage blos die Wiederholung des vorigen Tages. Wir mußten stets hartnäckig streiten, bis wir inmitten dieser fortwährenden Kämpfe durch eine Reihe von fünf, die nicht weit von einander liegen, nördgroßen Wasserfällen aufgehalten wurden. Um diese zu lich und südlich vom Aequator umgehen, mußten wir durch 13 englische Meilen dichten Wald marschiren, unsere 18 Fahrzeuge und das Boot Alice" über Land schleppen. Im 2. Grad nördlicher Breite wendet sich der Lualaba von seinem Lisherigen nördlichen Lauf nach Westen, schließlich südwestlich. Er ist ein 2 bis 10 englische Meilen breiter Fluß und voll von Inseln. Um dem erschöpfenden Kampf mit den vielen Stämmen verzweifelter Eingeborener auszuweichen, mußten wir uns zwischen den Inseln durchwinden, bis wir durch Hunger gezwungen wurden, nachdem wir drei Tage gänzlich ohne Nahrung gewesen waren, unserem Geschick entgegenzugehen. Wir ruderten nach dem linken Ufer. Zum Glück begegneten wir dort einem Stamm, der Handel trieb. Die Leute besaßen 4 Musteten von der Westküste und sie nannten den großen Fluß den Ikata tha Congo. Wir schlossen Blutsfreundschaft mit ihnen und kauften viele Lebensmittel, dann seßten wir unsern Weg auf dem linken Ufer fort. Drei Tage später kamen wir zu einem gewaltigen Volksstamm, dessen Angehörige mit Musketen bewaffnet waren und sogleich, als sie unser ansichtig wurden, 54 Canoes bemannten und uns angriffen. Nicht eher, als bis drei meiner Leute getödtet waren, hörte ich auf damit, ihnen zuzurufen, daß wir Freunde seien, um ihnen Waaren anzubieten; dann griffen wir selbst zu den Waffen.
,, Auf eine Entfernung von 12 Meilen setzte sich dieser schreckliche Kampf fort. Das war der vorlegte von 32 Kämpfen auf dem Lualaba. Dieser Fluß nimmt, nachdem er vielemale seinen Namen ändert, den Namen Kwango und Zaire an, jemehr wir uns dem atlantischen Ozean nähern.
,, Während der Strom zwischen der großen Ebene fließt, welche sich vom 26. bis zum 17. Grad östlicher Länge erstreckt, durchfließt er ohne alle Unterbrechung eine Ausdehnung von mehr als 1400 engl. Meilen und nimmt auf seinem Weg prächtige Nebenflüsse, besonders auf der