mäusen. Herr Prell gehörte zur Spezies der journalistischen Hamster; gleichviel, wo diese nüßliche Menschensorte geistige Nahrung entdeckt und gleichviel von welcher Qualität diese Nahrung ist, alles wird sorgfältig zu Hauf' geschleppt, und in diesen Haufen wird im Bedürfnißfalle auf gut Glück hineingegriffen und das daraus Hervorgezogene in ein wenig pifanter Sauce, mit einem kleinen Köpfchen und einem kleinen Schwänzchen von des Hamsters eigener Mache darau, als Originalwerk des vom guten dummen Publikum ob seiner Kenntnißfülle und Vielseitigkeit hoch bewunSerten Federfuchser von frischem auf irgendeinem Zeitungsbüffet aufgetragen.
Herrn Prells geistige Schazkammer barg nun mehrere Dußend von Artikeln und Vorträgen des erwähnten Volkswirthschaftsmessias. Die schleppte er jetzt, da er sich entschlossen hatte, etwas ganz Außerordentliches zu leisten, aus allen Ecken des Riesen foffers zusammen, schnitt aus ihnen die ihm besonders imponirenden Stellen heraus und ordnete schließlich diese Ausschnitte so, daß er mit nicht allzu großer Anstrengung seines eigenen Ingenium nur einen Phrasenkleister zu verfertigen hatte, um die Schnißel mit einander zu einem scheinbaren Ganzen zu vereinigen. Zum Schlusse seiner gemeinnüßigen Thätigkeit drechselte er dann das bewußte Köpfchen und Schwänzchen, nannte dabei möglichst oft den Tagesforrespondenten" und ein wirklich glänzender volkswirthschaftlicher Originalleitartikel war fertig. Bei der Zusammenstellung seiner politischen Tagesartikel plünderte Herr Prell nicht die alten, sondern die neuen Zeitungen, sowie zwei autographirte politische Korrespondenzen, von denen er sich aus der Residenz die neuesten Exemplare hatte nachschicken Lassen.
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So kam denn Herr Prell, allerdings nach so fleißiger Arbeit, wie er sie lange nicht geleistet hatte, auch noch rechtzeitig und zur Befriedigung des Chefredakteurs mit seiner Thätigkeit für die Probenummer zum Ende.
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Dafür ging es dem Herrn Hampel um so schlechter. Auf das Ausscheeren aus anderen Zeitungen richtete er sich zwar, nach dem guten Rathe seines hülfsbereiten Kollegen Prell, bald ein, aber dann sollte er, wie Herrn Schweder zu guterlegt noch eingefallen war, eine pikante Plauderei über das amerikanische Leben vom Stapel laffen, und dazu mißriethen alle im Schweiße seines Angesichts gemachten Versuche, obgleich er mit dem schönen Dichterworte: Warum in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah" begann; und die Probenummer mußte sich schließlich ohne amerikanische Plauderei behelfen, brachte dafür aber einen sogenannt pädagogischen Artikel von Herrn Hampel, worin er sich alle erdenkliche Mühe gab, die Nüßlichkeit des Volksschulunter richts nachzuweisen, eine Leistung, für die sich der Chefredakteur Schweder durchaus nicht begeistern zu können erklärte, zumal, wie dieser meinte, kein Mensch mehr an der Thatsache, mit deren Beweis sich Herrn Hampels Abhandlung abquälte, zweifle.
Im ganzen befriedigte die Probenummer die Redaktion und das Publikum und verfehlte ihren Zweck nicht, viel besprochen und begehrt zu werden. Da nun auch die ausgedehnteste und unverschämteste Reklame für das hoffnungsvolle Unternehmen gemacht wurde, ächt amerikanische Reklame, wie der„ Amerikaner" Hampel versicherte, so trat der Tageskorrespondent" mit einem garnicht unbeträchtlichen Gefolge von Abonnenten in das erste Quartal seines Bestehens.
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Diese erfreuliche Mittheilung hatte Herr Schweder eben seinen Kollegen gemacht, als er am zweiten Juli in sein Redaktionszimmer trat.
Es war der Tag, an welchem der leitende Redakteur des Tageskorrespondenten" seine von jetzt an táglich sich erneuernde Arbeit aufnehmen und regeln wollte.
Mit Herrn Schweder, dem sorglos und nur dem Genuß nach gehenden Lebemann, war in den zwei lezten Jahren eine mächtige Veränderung vorgegangen, zur größten Verwunderung aller seiner Bekannten.
Nicht nur, daß er den lebhaftesten Antheil an dem Zustande kommen der mit großen Mitteln und noch größerem Eclat in die Aktion getretenen Kompagnie Alster , Wichtel und Senkbeil genom men; er hatte sich seit jener Zeit auch um das Geschäfts- und Industrietreiben überhaupt und sogar um Politik gekümmert, an der er früher immer mit besonders verächtlichem Achselzucken vorübergegangen war.
So hatte er sich selbst und die Welt auf die Rolle einiger maßen vorbereitet, welche er jezt übernommen. Sein ungemessenes Selbstgefühl und die ihm eigenthümliche Nichtachtung fremder
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Leistungsfähigkeit ließen den Gedanken in ihm nicht aufkommen, daß er sich an eine Aufgabe gewagt hätte, welcher er nicht gewachsen wäre. Dementsprechend nahm er denn an dem erwähnten zweiten Juli in dem Hochgefühle seiner Ueberlegenheit ebenso würdevoll als faltblütig an seinem Redaktionspulte Play und vertiefte sich in die Lektüre einiger großen Zeitungen, von denen er aus Erfahmochte dierung wußte, daß sie für eine Provinzialzeitung selbe auch mit dem Anspruche politischer Selbständigkeit auftreten, gleich der seinen, oder nicht allezeit zuverlässige Leitsterne für die Pilgerfahrt durch das kupirte Terrain politischer Wirksamkeit waren. Herr Schweder hatte soeben einen ausgezeichneten Leitartikel eines bekannten Weltblattes mit einem Blaustiststrich zu redaktioneller Beachtung ausgezeichnet, weil derselbe in höchst geistvoller und zum Gefühle sprechender Weise alle liberalen Parteien des so überaus glücklich geeinten deutschen Vaterlandes an ihre Pflicht mahnte, auch und vorzüglich gegen die Reichsregierung und ihre immerdar nur den heiligsten Interessen der Gesammtheit dienenden Forderungen sich liberal zu erweisen, als leicht an die Thür gepocht wurde, und auf das kurze ,, Herein" des Chefredakteurs sein erster Kollege, Herr Prell, eintrat. " Was bringen Sie, mein lieber Brell?" fragte Schweder, indem er sich in seinem Armsessel zurücklehnte und das Cigarrenetui hervorholte, um dem Kollegen eine Havannah anzubieten.. Herr Prell steckte schmunzelnd das duftige Kraut in Brand und begann: " Ich weiß nicht, ob Sie bereits bemerkt haben, verehrtester Herr Kollege die politischen Nachrichten aus dem Auslande fließen augenblicklich ungemein spärlich-" " Allerdings," nickte Herr Schweder.
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" Nun ja, da dachte ich, es wäre vielleicht nicht übel, wenn wir es einmal mit einer kleinen Ente versuchten
Herr Schweder drückte sich sein Pincenez auf die Nase und schaute leise lächelnd in das schon recht verlebte Gesicht des noch garnicht alten Mannes.
" Zum Beispiel, mein lieber Brell...."
Dieser mochte das Lächeln für eine Ermuthigung angesehen haben, denn er lächelte gleichfalls, und zwar ziemlich selbstzufrieden, und sagte:
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„ Ich denke, wir sind bisher so enthaltsam, so ganz gegen allen Comment objektiv und wahrheitsliebend gewesen " In den bis jetzt erschienenen zwei Nummern," schaltete Schweder ein.
" Zwei Nummern, das ist viel," meinte Prell, zumal wenn eine Probenummer darunter ist
" In der wir zur Probe unsrer Leistungsfähigkeit auch wenigstens eine derbe Lüge eigener Fabrikation hätten auftischen müssen - so meinen Sie doch, lieber Kollege?"
Da Schweder diesmal seinem lieben Kollegen nicht ins Gesicht schaute, erlaubte dieser sich, seinem Lächeln die Schattirung des Mitleids zu geben.
" Erlauben Sie, verehrter Herr Kollege. Mit Lüge ist der sehr bezeichnende terminus technicus wohl nicht zutreffend überseßt. Die Ente ist ein geflügelter Neuigkeitsbote, den phantasievolle Publizisten nach der Richtung des politisch Wahrscheinlichen ausfliegen lassen."
" Und diesen geflügelten Boten nennt man Ente und nicht etwa Brieftaube oder so etwas, weil er seiner Natur nach nicht die Enten haben kurze Flügel, sagt weit zu fliegen vermag das Sprüchwort, nicht wahr? und bei der nächsten besten Pfüße am Wege fallen sie gemeinhin ins Wasser, so ist's doch, lieber Kollege?"
Herr Prell, der aus seinem Chef nicht recht klug zu werden vermochte, neigte blos etwas verlegen zustimmend sein struppiges Haupt.
" Und was für ein Entchen wäre es, das Sie aufflattern lassen möchten?" fuhr Schweder fort.
" Nun, natürlich eine, die für das blöde Publikum einer reellen Brieftaube zum Sprechen ähnlich sieht und nicht so leicht in ihrer ganzen Entenhaftigkeit entlarvt werden kann, z. B. eine Nachricht über gährende Unzufriedenheit unter den Eingeborenen Indiens , drohende, aber von den Engländern in ihren Symptomen frampfhaft verheimlichte Rebellion, oder eine recht pikante russische Palastgeschichte,- ich meine, so etwas muß von Zeit zu Zeit auch die vorsichtigste Zeitung ristiren, um die Sensationssucht des lieben Publikums zu befriedigen."
,, Nicht übel, lieber Kollege," nickte Schweder, auf den der