feine Sicherung gegen Wiederkehr des Schmerzes. Im Gegen­theil, wenn nicht durch einen Zahnarzt, nicht etwa durch einen Barbier, die Ursache der Krankheit radikal beseitigt wird, so ist sicher anzunehmen, daß im Laufe der Zeit die noch gesunden Zähne durch Ansteckung ebenfalls frank werden. Das Ausreißen der Zähne wird von Aerzten nur noch selten benutzt, bei allen durch Zahnfäule verursachten Krankheiten ist der Arzt durch Anwendung fäulnißwidriger Mittel und durch Plombiren der hohlen Zähne vollständig in der Lage, den Schmerz zu beseitigen. Rheumatische Leiden sind allerdings nur schwierig zu vertreiben; durch Geheimmittel aber gewiß nicht, trotzdem dieselben mit Vor­liebe dies zu behaupten pflegen. Sie bestehen gewöhnlich aus empfindungslos machenden Substanzen. So enthält der Zahn­balsam von Hoffmann in München " zur sofortigen Stil­lung der heftigsten Zahnschmerzen" 5 gr. Katechutinktur( aus 1 Thl. Katechu und 3 Thin. Alkohol bereitet) und 20 Tropfen Nelkenöl. Sein Verkaufspreis, 1 Mk., beträgt um das zwölf­fache mehr, als der wirkliche Werth. Das Zahnmittel von L. Höcker in Ronneburg " besteht aus 3 Thin. Nelkenöl, 1 Thl. Kajeputöl, 2 Thle. Alkohol. Das Zahnmundwasser von E. Hückstädt in Berlin "( zum Stillen der Schmerzen damit getränkte Baumwolle in die Ohren zu stecken, oder auch an den Zahn zu legen) ist aus 16 Thln. Aether, 3 Thln. Nel­fenöl, 1 Thl. Kajeputöl zusammengesetzt. Preis 50 Pf., Real­werth 10 Pf. Die Zahnpillen von Schreyer& Co. in München " gegen heftige Schmerzen kariöser( fauliger) Zähne enthalten 2 Thle. Kochsalz, 2 Thle. Pfeffer, 2 Thl. Zimmt, 1/2 Thl. Nelken, 2 Thle. Gummi arabicum, kosten 50 Pf. und sind 3 Pf. werth. Das Zahnschmerzmittel von Gustav Traberth in Eisenach besteht aus rother Baumwolle, welche mit Schwefelfohlenstoff und Senföl getränkt ist. Preis 1,5, Werth 3 Mt. Die Zahnschmerztropfen aus Döbberan sind aus Kajeputöl, Opiumtinktur und Aether zusammengesetzt. Die Zahn­tinktur von Nit. Bahé in Stuttgart ist eine mit schlechtem Branntwein bereitete Wermuthtinktur, von welcher der Leidende so viel nehmen muß, bis er berauscht ist dann hört der Zahn­schmerz auf. Aehnlicher Humbug ist die Zahntinktur von Jovanovitik, die Mailänder Zahntinktur von Rau, die Zahntinktur von Dr. Reichel in Petersburg , die von Vogler, J. J. Walter in Eßlingen , von Weber, L. Wun­dram in Braunschweig ; die Zahntropfen von Dr. David son, fabrizirt von Eggers in Breslau , sind Nelkenöl und Kajeputöl, die schwedischen Zahntropfen von Dr. G. Graf ström sind roth gefärbtes Pfeffermünzöl, die amerikanischen Bahntropfen von Majewsky sind mit Cochenille röthlich ge­färbter tochsalziger Franzbranntwein, die Zahntropfen von Oberläuter bestehen aus einer spirituösen Lösung von Birken­oder Fichtentheer, die Zahntropfen von H. Traberth in

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Eisenach sind wie das obige Zahnschmerzmittel von Gustav Traberth zusammen gesetzt, Odontine ist wieder eine Mischung von Nelkenöl und Aether. Man sieht, der Erfindungsgeist der Geheimmittelkrämer erweist sich nur fruchtbar in Erfindung neuer Namen; arzneilichen Werth besitzen die angeführten Medikamente nur in geringem Maße. Giftig und gefährlich anzuwenden ist die Jodpaste aus Paris , welche zum Tödten der Zahnnerven empfohlen wird. Sie ist ein mit Berlinerblau gefärbtes und mit Glycerin in Teigform gebrachtes Gemenge von 1 Theil arseniger Säure und 3 Theilen salzsaurem Morphin , enthält mithin gar kein Jod. Ihr Preis, 52 Frcs., übersteigt den wirklichen Werth um das zwanzigfache. Direkt betrügerisch ist die Zahnwolle von Bergmann. Dieselbe soll jeden Zahn­schmerz stillen und zwar in der Art, daß man das Objekt an einem Ende anzündet, dann gleich wieder ausbläst und den von der fortglimmenden Wolle entweichenden Dampf einathmet. Die Angabe, daß es mit einem unschädlichen Blumen Extraft parfü­mirt sei, ist, wie Wittstein angibt, erlogen; dagegen besißt es einen deutlichen Geruch nach Kreosot. Das Strähnchen kostet 25 Pf., ist aber nicht über 1 Pf. werth. Schädlicher Humbug sind auch die Zahnperlen für Kinder von Gehrig und Grunzig in Beriin, sowie von Ramçois in Paris . Erstere bestehen aus vulkanisirter Guttapercha und kosten fünfmal mehr als sie werth sind, letztere sind beinerne Küchelchen, welche 3 Mt. kosten, aber nur 20 Pf. wirklichen Werth haben. Wittstein bemerkt zu letzteren, daß der Verfertiger, ein Dr. Ramçois in Paris gar nicht existirt, sondern der ganze Sput von dem Kaufmann August Leonhardi in Freiburg ausgegangen ist. Lächerlicher Schwindel sind die Zahn- Cigaretten von J. v. Török in Pesth. ,,. K. ausschließlich privilegirtes neuestes und bestes Mittel gegen Zahn­schmerz." Es sind dies Cylinder aus grauweißem, dickem, grobem Löschpapier, welches mit Styraxtinktur getränkt ist. 8 Stück kosten i mit. 71 Pf., Werth 9 Pf. Auf die Dummheit der Käufer spekuliren die elektromotorischen Zahnhalsbänder von Gehrig in Berlin , Julius Schrader in Munder­ kingen a. D. und W. Zehle in Berlin . Ueber ersteres theilt D. Helm Folgendes mit: Das Halsband hat dem Aeußeren nach das Ansehen eines gewöhnlichen doppelten Sammetbandes, an dessen Enden Schnürchen zum Buknöpfen befestigt sind. Im In­nern befinden sich der Länge nach zwei übereinander liegende Leinwandstreifen, welche mit Schwefel imprägnirt sind; beim Tragen des Bandes entsteht eine Reibung der beiden Streifen unter sich und an der Rückseite des Sammets, so daß mit der Zeit ein Theil des Schwefels sich ablöst und in den Poren des Sammets festsetzt. Das Schrader'sche Zahnhalsband enthält statt zwei, drei auf eine Fläche mit Schwefel überzogene Leinwand­streifen. ( Fortsetzung folgt.)

Die Backhefe und ihre faule Selbstgährung".

Von Dr. H. Oidtmann, Arzt in Linnich .

Herr Professor v. Nägeli in München hat in seinen Arbeiten über die niederen Pilze und deren Beziehungen zu den Infektions­frankheiten den Aerzten eine Fundgrube für die Entdeckung der natürlichen Ursachen der zymotischen Krankheiten, der Krankheiten fauligen Charakters, geöffnet. Aber die unpraktischen praktischen" Aerzte stehen vor den hier entwickelten Thatsachen und Theorieen und wissen nicht, was sie aus denselben machen, wie sie dieselben in der Krankheitslehre und der Heilwissenschaft verwerthen sollen. Aus von Nägeli's neuestem Buche, welches den Titel führt: Die Theorie der Gährung", sei mir's verstattet, denjenigen Gegenstand, welcher meines Erachtens bei der Suche nach den Ursachen der zymotischen Krankheiten die höchste Aufmerksamkeit verdient, nämlich v. Nägeli's Studien über die Backhefe und ihre Nachgährung, herauszugreifen und die Nach- oder Selbstgährung" der Hefe vom hygienischen und sanitätspolizeilichen Gesichtspunkte zu besprechen.

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Jezt eben, während ich von Nägeli's mytologische Beobach­tungen über die Hefefäule den Aerzten zugänglich zu machen im Begriff stehe, habe ich als Ergänzung zu meinen epidemio­logischen Erfahrungen über Halsdiphtherie und über die Hefe als ihre muthmaßliche Ursache- in meiner Pragis einen sehr

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bezeichnenden Einzelfall von Halsdiphtherie in Behandlung. In der Familie eines Kleinbäckers leiden nach einem vier- bis fünf­tägigen Vorbotenstadium von Bauch- und Kopfbeschwerden alle drei Kinder an Halsdiphtherie. Zwei derselben, und zwar die­jenigen, welche einige Tage an stinkendem Durchfall gelitten, find leicht erkrankt, das größere dritte, welches hartleibig geblieben war, hat auf beiden Mandeln groschengroße Faulbeläge mit be­denklichen Allgemeinerscheinungen hochgradiger Blutvergiftung. Auf mein Befragen gesteht mir der Vater, daß er am Freitag vor der Kirchweih, also vor zehn Tagen, zu seiner Verwunderung den Backteig der gewöhnlichen Kundschaftsbrötchen, trotzdem er denselben, wie gewöhnlich, abends vorher mit der Hefe eingeknetet hatte, nicht habe brauchen können, da dieser Teig nicht habe gehen" wollen. Der Teig sei so schlecht gewesen, daß er die bereits daraus geformten Brötchen wieder zusammengeknetet und es vorgezogen habe, aus diesem schlecht gegohrenen Teige nur die Kirchweihbrote für seinen eigenen Familienbedarf zu backen, während er für seine Kunden neuen Teig mit neu gekaufter frischer Hefe ansetzte. Von jenem Kirchweihgebäck aus der trägen" Hefe hatten aber die Kinder in der Kirmeswoche tagtäglich sich gesättigt. Genug, ich hatte für meinen wiederholt ausgesprochenen

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