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Verdacht auf Hefefäule als die Ursache der Halsfäule einen Anhaltspunkt gefunden. Ich frug den Bäcker weiter aus, wie es denn komme, daß in den lezten Jahren die Hefe so häufig ,, träg" werde. Er erzählte mir, daß einige Preßhefefabrikanten gute Branntweinhefe mit der viel billigeren, aber auch viel weicheren, zur Fäulniß neigenden süßen Braunbierhefe vermischten und so eine wohlfeile und schlechte Hefenwaare in den Handel brächten. Das geschehe besonders im Herbst und den Winter hindurch.
Die Einzelheiten der Schilderungen dieses Technikers mir vorbehaltend, stelle ich als Arzt mir die Frage: Was ist ,, träge", ,, faule", schlechtgährende Hefe im Gegensatz zu reiner Hefe? Sind in der trägen Hefe neben dem Hefe- oder Alkoholpilze wesentlich noch andere, und welche Pilze thätig, und in welchem Zahlenverhältniß treten sie auf?
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Träge Hefe diejenige Hefe, von welcher der Bäcker und die Hausfrau, um die Gährwirkung gleichsam zu ertroßen, un seligerweise ungemein große Mengen dem Backteige zuzusetzen pflegen ist eine solche Hefe, welche in Selbstgährung" übergegangen ist. Die Selbstgährung der Hefe ist aber ein ungemein böses Ding. Hören wir, was von Nägeli in seiner ,, Theorie der Gährung" über diesen, oft sogar geruch und geschmacklos sich entwickelnden Pilzverfaulungsprozeß der Backhefe schreibt*).
Professor Nägeli gibt nicht zu, daß Gährung und Fäulniß als zwei ihrem Wesen nach verschiedene Vorgänge zu betrachten seien; er erklärt mit Pasteur das Faulwerden unreiner oder alt gewordener Hefe für eine neue, fremdartige Gährung, die auf Kosten der Hefezellen vor sich gehe, für eine Selbstgährung" der Hefe. Pasteur entdeckte die Selbstgährung der Bierhefe.
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In Hefe, welche rein ausgewaschen( also ihrer Nährstoffe beraubt) ist, tritt bei 30 bis 35 Grad C. eine wahre, beinahe stürmische Gährung( eine Art falscher Nachgährung) ein. Daraus wird der Schluß gezogen, daß in den Hefezellen selbst ein in Berseßung befindlicher Körper enthalten sei.
Nägeli widerspricht dieser Annahme und weist nach, daß die Selbstvergährung der Hefe das Zerstörungswerk eines gesund heitsgefährlichen Schmaroßerpilzes der Hefe aus der Gruppe der berüchtigten Spaltpilze sei. Bei dieser Selbstgährung oder Nachgährung der Backhefe", sagt von Nägeli ,,, können die Spaltpilze ( Faulpilze) nicht ausgeschlossen werden, man erhält( also in solcher Hefe) das Produkt der Thätigkeit zweier verschiedener Hefenarten**)."
Der Vorgang bei der Selbstvergährung ist folgender: Die in der Hefeflüssigkeit befindlichen Spaltpilze verwandeln den Pilzschleim der Sproßhefezellen in Traubenzucker, eine Fähigkeit, die der reinen Sproßhefe gänzlich mangelt; die Spaltpilze vermögen aber sogar die noch unveränderte Membran der Sproß zellen anzugreifen," und so die Hefezellen zu vernichten.
v. Nägeli's Versuche über Selbstgährung der Backhefe. Zwei Proben( A und B) mit Bierhefenbrei, ohne und mit Citronensäure, im Brütkasten bei mittlerer Temperatur von 40 Grad C. angestellt.
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,, A. Kleine Flasche mit 150 ccm Hefenbrei. Nach fünfzig Stunden waren zahlreiche Spaltpilze zwischen den Hefezellen sichtbar." Spaltpilze, diese vielverrufene Pilzsorte, welche von allen Diphtherieforschern in den Diphtheriehäuten nachgewiesen worden ist. Sechs Tage nach dem Beginn des Versuches war der Inhalt des Kolbens in starker Fäulniß begriffen; die Flüssigkeit reagirte schwach sauer von Milch- und Buttersäure, welche durch die Spaltpilze aus dem Pilzschleim der Bierhefe gebildet worden."- v. Nägeli hat hier für wissenschaftliche
*) Theorie der Gährung, von C. v Nägeli. München 1879. **) ,, Ich verstehe unter Hefe überhaupt die sogenannten geformten Fermente und unterscheide die verschiedenen Hefenarten oder Hefenpilze als Sproßhefe( Wein- und Bierhefe) und als Spalt hefe( Fäulniß hefe, Milchsäurehefe u. s. w.).
Ich habe die der Selbst gährung überlassene Bierhefe einigemale mikroskopisch untersucht. Liebig glaubte meine Bemerkung, daß reich liche Fäulnißpilze unter den Bierhefezellen sich befänden, als unerheblich weglassen zu können.
Auch bei anderen Hefeversuchen, die Liebig in den Jahren 1868 und 1869 anstellte, konstatirte ich eine sehr reichliche Verunreinigung der Hefe mit Spaltpilzen und empfahl zur Verhütung derselben, wiewohl umsonst, eine starke Ansäuerung der Versuchsflüssigkeit."
Zwecke das Nämliche gethan, was unbeachtet und unbewußt viele Hefehändler thun, indem sie die Hefe alt werden lassen und sonach Spaltpilzhefe statt reiner Sproßpilzhefe verkaufen. ,, B. Gleicher Versuch wie in A, aber die 150 ccm Hefenbrei waren mit 0,75 Gramm Citronensäure( also mit 5 pCt.) versetzt. Nach fünfzig Stunden waren nur wenige Spaltpilze zu finden. Sechs Tage nach dem Beginn des Versuches war die Oberfläche mit fruftifizirender Schimmeldecke überzogen, und in der Flüssigfeit, in welcher ein Theil der Citronensäure durch den Schimmel verzehrt war, befanden sich schon ziemlich zahlreiche und große Spaltpilze."- Also durch Zusaß eines größeren Quantums Citronensäure wird die Entwicklung der Spaltpilze in der Hefe gehemmt und dafür die Züchtung der weniger schädlichen Schimmelpilze befördert; man erhält statt Faulhefe Schimmelhefe. Durch Verschimmelung verliert die Backhefe zwar auch ihre Gährtüchtigkeit, also ihre Brauchbarkeit, aber sie wird dadurch nicht grade zymotisch giftig, indem der Schimmel im Darm verdaut, dann aber auch durch die Backhize zerstört wird, wogegen in der Faulhefe die lebensfähigeren Spaltpilze durch die Erhizung nur noch lebenskräftiger gemacht werden.
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Der gleiche Versuch wurde in etwas größerem Maßstabe ( 3. A. B. C. D.) wiederholt.
,, 3. A. B. 3wei Flaschen, je mit 450 cem Hefenbrei ohne weiteren Zusah, 25% Stunden nach dem Beginn( 24 Stunden nach dem Warmwerden). Zwischen den abgestorbenen Hefezellen befanden sich sehr zahlreiche stäbchenförmige Spaltpilze. Die Flüssigkeit reagirte auch nach dem Kochen sauer( Milchsäure)."
3. C. D. 3wei gleiche Versuche wie 3. A. B, aber zu den 450 ccm Hefenbrei wurden 2,5 Gramm Citronensäure( also 0,55 pt.) gegeben. Spaltpilze mangelten gänzlich." Sie
,, E. F. Zwei Flaschen mit 0,5 pCt. Citronensäure. blieben während 7 Tagen im Brütkasten und hatten nun beide Decken von Spaltpilzen."
,, Bei unseren Versuchen konnte niemals Alkohol abdestillirt werden. Es geht daraus das eine unzweifelhaft hervor, daß die Hefezellen infolge der krankhaften Veränderung beim Absterben nur sehr wenig Alkohol erzeugen. Tritt derselbe in größeren Mengen auf, so muß er auf einem andern Wege entstehen, wobei das Zusammenwirken der Spaltpilze und der Sproßpilze erforderlich ist, der ersteren, um aus Cellulose Zucker, der letzteren, um aus Zucker Alkohol zu bilden*)."
,, Diese exzeptionelle geistige Gährung( in faulender Hefe) setzt das Wohlbefinden zweier Pilzformen voraus, die ungleiche Existenzbedürfnisse haben und durch Konkurrenz einander leicht verdrängen. Es läßt sich daher schon zum voraus vermuthen, daß( neben der Faulgährung in einer alten Hefemasse) die geistige Gährung nur unter ganz besonderen Umständen, wo die beiden Gegner( Sproßpilze und Spaltpilze) in ihrer Existenzfähigkeit sich die Wage halten, also nur selten eintreten wird. In der That mangelte sie in den angeführten Versuchen entweder gänzlich oder beinahe gänzlich, indem die Spaltpilzbildung meist ausblieb, zuweilen aber auch allzusehr überhand nahm."-Jeder Bäcker wird diese Wahrnehmung von Nägeli's bestätigen, daß in der Regel in dem Maße, wie die Selbstvergährung in der Hefe um
*) ,, Wie ich bereits angeführt habe, wurden bei den liebigschen Bersuchen, bei welchen ich eine mikroskopische Untersuchung anstellte, reichliche Spaltpilze gefunden.
Ihr Vorhandensein ergibt sich übrigens auch aus dem Umstande, daß die Flüssigkeit infolge der Bierhefe nach Liebigs Beobachtung ziem lich viel Leucin( dieses gewöhnliche Produkt fauler Gährung) enthielt. Diese Verbindung wurde nicht von den Sproßpilzen ausgeschieden, sondern von den Spaltpilzen durch Zersetzung der von den Sproßpilzen ausgeschiedenen Peptone gebildet; Liebigs Angabe, daß, man bei dieser ( faulen) Gährung( der Hefe) nicht, den geringsten Fäulnißgeruch beobachtete, hat keine Beweiskraft gegen das Vorhandensein von Fäulniß prozessen, denn bei Anwesenheit von Zucker oder zuckerbildenden Substanzen schreitet die Fäulniß ziemlich weit fort, ohne daß man sie mit dem Geruchsorgan wahrnimmt, weil die( riechbaren) Ammoniakkörper von der durch die Spaltpilze gebildeten Milchsäure neutra lisirt worden. Sowie man dagegen durch vorsichtiges Zuseßen von Alkalien die Säure bildet( und die riechenden Ammoniakkörper wieder frei macht), tritt der Fäulnißgeruch gleich sehr intensiv hervor.
Diese Erklärung wird durch die Angabe Liebigs bestätigt, daß die Flüssigkeit bei der Selbstgährung der Bierhefe stets sauer geworden sei, so daß sie zu fernerem Gebrauche neutralisirt werden mußte. Die Säure fonnte unter den vorliegenden Umständen nur Milchsäure sein, allenfalls gemengt mit Buttersäure, und die Säure konnte nur durch die Spaltpilze vermittelst Gährung aus dem Zucker entstehen."