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Herr Schweder wird die Freundlichkeit haben, in meinem Namen die nöthigen Verhandlungen zu führen. Hochachtungsvoll ergebenst
Willisch, Kaufmann. Adresse: Sr. Hochwohlgeboren Herrn Justizrath Wichtel, hier, Ritter hoher Orden. So, und nun werfen Sie den Brief in den nächsten Briefkasten und holen Sich in drei oder vier Tagen auf meiner Redaktion, wo ich täglich von 9 bis 11 Uhr vormittags zu sprechen bin, die Besizurkunde und weitere Mit theilungen. Uebrigens brauchen Sie nicht zu glauben, daß ich in uneigennüßigem Wohlthun mich für Sie aufopfere. Sie sollen dabei Ihre Rechnung finden, ich will es aber auch. Wie das geschehen wird, sollen Sie hören. Ich würde allerdings auch andere Leute zu diesem Geschäft gefunden haben, als Sie, aber ich weiß, daß man sich auf Ihren Verstand und, was für mich in diesem Falle besonders werthvoll ist, auch auf Ihre Verschwiegenheit verlassen kann. Vorläufig zu keinem Menschen ein Wort. Ihr Cigarrengeschäft verkaufen oder, liquidiren Sie, aber sofort und in einer Ihren Ruf nicht schädigenden Weise. Wenn Sie dazu einiges Geld brauchen, so kommen Sie zu mir. Und nun Adieu. Ich habe einen tollen Appetit auf Sherry und Kaviar."
Willisch stand noch immer wie angedonnert hinter seinem Pulte, als Schweder schon längst fort war. Dann überlas er sich ein, zwei-, dreimal den noch offen vor ihm liegenden Brief und schüttelte immer wieder von neuem den Kopf.
„ Ein räthselhafter Mensch, dieser Herr Schweder," sprach er dann vor sich hin." Nun, mir kann's recht sein. Ich bin bisher immer gut gefahren, wenn ich gethan habe, was er gewollt hat. Warum sollte ich auch nicht Rittergutsbesizer werden können daß ich Dienstmann werden sollte, wurde mir auch nicht an der Wiege gesungen."
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Am Nachmittage des folgenden Tages herrschte im Setzer saale von Gandersberg und Kompagnie große Heiterkeit. Die am Morgen erschienene dritte Nummer des Tageskorrespondenten" war von mehreren Segern in der Mittagsstunde gelesen und so interessant gefunden worden, daß Därmig jezt, die zeitweilige Abwesenheit des Faktors benutzend, eine ganze Reihe von Stellen daraus mit großem Pathos vortrug.
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" Hier, ah, das ist das Beste welcher geistreiche Jüngling hat den Roman gesezt? Unser gemeinschaftlicher Freund Christlieb dacht' ich mir's doch der ist mir immer so vorgekommen, wie ein großer deutscher Humorist. Aber das hätte ich ihm doch nicht zugetraut, dieses tiefe Gefühl-"
" Lesen, lesen!" rief es von allen Seiten. Nach einigem Sperren begann Därmig:
Die blondlockige Laura saß am Fenster und blickte hinaus in die Nacht. Ein Seufzer hob ihren Busen; sie dachte an Roderich. Hammel, seufzte sie, wie bist du so grausam Ein donnerndes Gelächter unterbrach ihn. " Famos, ausgezeichnet... Hammel, seufzte sie. Hammel, seufzte sie. Christlieb, das ist der beste Wig, der im Leben gemacht worden ist," jubelten
die Seher.
" Es ist aber doch eigentlich frivol," meinte Därmig im Pastorton. Aus dem Himmel einen Hammel machen."
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Christlieb, der den Sehwitz auf dem Gewissen hatte, schien durchaus darüber nicht betrübt zu sein.
" Ich denke, der hochnäsige Herr Chefredakteur wird allmählich einsehen lernen, daß das Korrekturenlesen doch nicht von dem ersten besten nur so nebenbei gemacht werden kann. Ich war Ich war vorgestern nämlich grade im Contor, als der Herr Schweder erklärte, die Redaktion werde fortan die Korrektur ganz allein lesen. Herr Hampel habe vollkommen Zeit dazu und werde eine derartige untergeordnete Arbeit natürlich sehr gut leisten können." " Aha, und da hat unser Freund Christlieb ein wenig strafende Vorsehung gespielt und aus dem Himmel einen Hammel gemacht, um die Herren von der Redaktion für ihre beleidigende Geringschäzung der Korrektorthätigkeit zu bestrafen," rief Därmig.
„ Na, ich dächte, besagter Hammel wäre nicht der einzige Sepfehler in dieser Nummer," entgegnete Christlieb.„ Und im Roman, den ich gesetzt hab', sind noch lange nicht die meisten." Aber die genialsten. Hört nur weiter." Därmig hatte weiter gelesen und mußte wieder auf einen sehr interessanten Bock gekommen sein, denn er wieherte förmlich vor Lachen.
" Na, drauf, vorlesen!" riefen die Kollegen.
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Gleich, nachdem die reizende Laura nach dem Hammel geseufzt, auf der dritten Spalte der zweiten Seite, auf der letzten Zeile geht's weiter:, Die Nachtigall ließ ihre melodische Liebesflage ertönen und nun hört, hört," unterbrach sich Därmig, um die Neugierde derjenigen, welche den Tageskorrespondenten" noch nicht selbst gelesen hatten, auf das höchste anzuspannen, hört, hört die Nachtigall ließ also ihre Liebesklage ertönen und, griff nach Hut und Stock, um auf der Stelle den schweren Gang zu dem Arzte zu unternehmen."
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Das Gelächter, welches diesem letzten Theil der därmig'schen Vorlesung folgte, übertráf an erschütternder Gewalt fast noch das von vorher.
„ Das ist ja kostbar, unbezahlbar. Die Nachtigall mit Hut und Stock zum Arzt gehend. Na, da hat der Christlieb sich selbst übertroffen, so ein brillanter Unsinn ist wohl noch keinem von uns gelungen."
Dem Sezer Christlieb mochte die Sache selbst bedenklich vorgekommen sein. Denn er war sofort zu Därmig hingesprungen und hatte in's Blatt hineingeschaut, um sich zu überzeugen, ob wirklich darin stände, was Därmig gelesen.
" Falsch umbrochen, weiter nichts, geht mich garnichts an. Auf die dritte Spalte der zweiten Seite folgt die zweite, nein die dritte Spalte der dritten Seite. Na, das ist freilich gescheit; Herr Metteur Packert, was sagen Sie denn dazu?" Christlieb ging befriedigt auf seinen Platz.
Packert, der dem ganzen Spektakel ohne ein Wort dreinzureden zugehört, hatte endlich auch nach dem Exemplar der neuesten Nummer des„ Tageskorrespondenten" gegriffen, welche er auf dem Fensterbrett, an dem er stand, unter einem großen Bierglase deponirt hatte.
" Himmelkreuzdonnerwetter," fluchte er jetzt fos.„ Das kommt von der niederträchtigen Heßerei mit so einem Tageblatt, da möchte der Teufel Metteur sein. Und die Korrektur, die so' n neugebackener Redakteur, so' n davongelaufener Schulmeister liest, das ist' n wahrer Standal, ene Schande für die Menschheit, so einer merkt natürlich garnichts, und wenn man ihm auch en Kirchenlied an die Stelle des Leitartikels setzte...."
Die Heiterkeit in der Druckerei war auf den denkbar höchsten Gipfel gestiegen, und es war wirklich Zeit, daß der Faktor Weber aus dem Contor, wohin er gerufen worden war, zurückkehrte. Nicht der Respekt vor dem Faktor, weit mehr die Neugierde, was er diesmal hinter den Falten seines allezeit bedenklichen Antlitzes zu verbergen hätte, brachte einige Ruhe in den tobenden Sturm des allgemeinen Vergnügens.
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Na, das ist eine schöne Geschichte," begann der Faktor, dessen Mund allezeit sofort von dem überlief, wess' sein Herz voll war. Das ist ja im ganzen Leben noch nicht dagewesen. So' ne Blamage für die Druckerei die ganze dritte Nummer des, Tageskorrespondenten' wimmelt von Druckfehlern und noch dazu von den fürchterlichsten, die ich je in meinem ganzen Buchdruckerleben gesehen habe."
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Blamage für die Druckerei- oho! oho! das wäre," riefen die Sezer. Wozu ist denn die Korrektur da. Der Korrektor ist verantwortlich für das und höchstens noch für Fehler im Um
brechen der Metteur."
Backert wurde kirschroth vor Wuth und donnerte eine Fluth von ungeheuerlichen Fluchkompositionen in den Segersaal hinein. Gelächter, Zurufe erheuchelten Mitgefühls oder unverhüllten Spottes antworteten ihm. Es blieb dem Faktor Weber nichts übrig, als seiner Gewohnheit zuwider energisch auf Ruhe zu bringen.
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" Jeden Augenblick kann der Chef hier sein," versicherte er. „ Er will sich persönlich erkundigen, wer die meiste Schuld an dem Skandal und der verpfuschten Nummer trägt. Er war fürchterlich aufgebracht, und der Chefredakteur, der Herr Schweder, war bei ihm und der zuckte immerfort verächtlich die Achseln und firirte mich durch seinen Zwicker, wie einen Schuljungen oder Rekruten, und sagte, er müsse darauf bestehen, daß alle, deren Böswilligkeit oder Leichtsinn die Druckfehler dieser Schandnummer veranlaßt habe, ohne alles Weitere entlassen würden, und er würde im, Tagesforrespondenten von dieser nicht mehr wie billigen Strafmaßregel ohne Verzug dem Publikum Mittheilung machen."
Backert und Christlieb schien es gar nicht mehr so wohl zu Muthe zu sein, als kurz zuvor. Backert grunzte nur noch erbittert, aber doch recht kleinlaut, vor sich hin. Christlieb wollte flugs hinunter ins Kontor da that sich die Thür auf und es traten der Chefredakteur Schweder in Begleitung des eigent
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