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Der Geheimmittelschwindel.

Von Emanuel 28.

( Fortsetzung.)

Die Zahl der Mundspülwasser und Zahnseifen ist Legion, über den Werth solcher Mittel haben wir uns schon oben aus gesprochen, und wollen wir hier nur die größten Marktschreier herausgreifen. Da ist vor allem das Anatherin- Mundwasser von J. G. Popp in Wien  , welches aus einer Abkochung von Sandelholz, Guajakholz, Myrrhe, Nelken, Zimmet, sowie aus Nelkenöl, Zimmtöl, Alkohol und Rosenwasser zusammengesetzt ist. Das nach dem Erlöschen des Privilegiums veröffentlichte Origi nalrezept lautet aber etwas anders als obige von Hager ange gebene Analyse: 1 Loth Myrrhe, 4 Loth Guajakholz, 1 Loth Salpeter werden mit 2 Maß Kornbranntwein und 3 Maß Löffelkrautspiritus eine Nacht hindurch maverirt, dann aus einer Blase 4 Maß davon abdestillirt, in diesen 1 Loth Gartenraute, 1 Loth Löffelkraut, 1 Loth Rosenblätter, 1 Loth schwarzer Senf, Loth Meerrettig, 1 Loth Bertramwurzel, 1 Loth Chinarinde, 1 Loth Bärlappkraut, 1 Loth Salbei, 1 Loth Vetiverwurzel, 1 Loth Alkaunawurzel 14 Tage lang digerirt, nach dem Filtri ren jedem Pfunde 14 Loth Salpeterätherweingeist zugesetzt. Witt stein gibt an, daß ein 6 Loth enthaltendes Glas 3 Mt. kostet, aber kaum den sechsten Theil davon werth ist. In dieser Ab­fochung so mannichfacher Pflanzensäfte steckt ein gutes Stück mittelalterlicher Medizin. Ebenso komplizirt zusammengesetzt ist das Mundwasser von J. Pohlmann in Wien  ; das von H. Thiel in Berlin   enthält Krausemünze, Salbei und Sandel Holz, das von Fr. Bier in Wien   besteht aus Pfeffermünzöl und Melissenblätterabkochung. Die Mund- und Zahn- Essenz von A. Ott in Augsburg   ist weiter nichts als eine Auflösung von Krauseminzöl in Spiritus. Von Zahnseifen sei erwähnt die Pasta von A. H. A. Bergmann in Waldheim  , welche etwas Pfeffermünzöl enthält, die von Pfeffermann in Wien  , welche aus Schlemmkreide, Austerschalen, Florentiner Lack und Pfeffer münzöl, sowie Tragantschleim zusammengemischt ist, und die Aromatische Zahn- Pasta von Dr. Suinde de Boutemard in Rheinsberg  , die Delseife, Stärkemehl, Kugellack, kohlen­sauren Kalt, schwefelsauren Kalk, Bimstein und Pfeffermünzöl enthält. Von Zahnpulvern sind die sogen. Chinesischen sehr verbreitet, dieselben sind nichts als sehr feingeriebener Bim­stein, der wegen seiner Härte und Rauheit den Zähnen bei wie­derholtem Gebrauche höchst schädlich wird. Das Myrrhine von J. B. George in Paris   enthält Glycerin, Myrrhe, Ar rowroot( Stärke aus der amerikanischen Pfeifwurzel), Kreide und Zimmtöl, fostet 4 Mt. und ist 20-30 Pf. werth. Daß die Ge­heinmittelfabrikanten weniger auf die Gesundheit ihrer Mitmen­schen als auf deren Geldbeutel Rücksicht nehmen, wird aus den angeführten Proben ersichtlich sein. Mitunter sind dieselben so gar so gewissenlos, schädliche und giftige Substanzen unter ver­lockenden Anpreisungen auszubieten. Wir warnen vor dem Zahn amalgam   zum Ausfüllen hohler Zähne, welcher aus Queck silber und Kupfer besteht.

An Häufigkeit der Verbreitung den Zahnmitteln entsprechend sind die Mixturen zum Färben der Haare und zur Stärkung des Haarwuchses. Auch hier begegnen wir in der Presse tagtäglich der gar manchem sehr angenehmen Anzeige: Keine grauen Haare mehr. Bei starkem Gebrauch wird auch sicherlich die versprochene Wirkung nicht ausbleiben: der Verfertiger dieses Heilmittels wird dann so viel verdienen, daß er sich keine grauen Haare mehr wachsen zu lassen braucht. Im übrigen werden wir den Haar leidenden und Kahlköpfigen auch hier manche Hoffnung zu nichte machen müssen: in den meisten Fällen läßt sich die verschwundene Zierde des Hauptes nicht mehr in alter Pracht und Herrlichkeit hervorzaubern. Das Ergrauen der Haare wie das Ausfallen derselben wird durch Erkrankung des Gesammtorganismus oder der Kopfhaut allein bedingt. Besonders häufig tritt Haarschwund nach Typhus   und Pocken, auch nach dem Wochenbettfieber auf. Die Störungen, welche die Ernährung der Haarwurzeln beein trächtigen, fönnen oft durch Kräftigung der Kopfhaut beseitigt werden und sind laue Waschungen, Frottiren der Kopfhaut mit weichem Flanell von gutem Erfolge. Mitunter aber wird die Haarkrankheit durch einen Bilz, Trichophiton tonsurans, veran faßt, der mit seinen Fäden entweder in den Haarbalg eindringt, diesen zerstört und das Haar zum Ausfallen bringt, es zeigen

sich alsdann zwischen sonst behaarten Stellen kahle Flecke; oder der Pilz dringt in den Haarschaft ein und bewirkt, daß dieser über der Kopfhaut abbricht, so daß dieselbe wie soeben kurz ge­schoren aussieht. In diesem Falle muß vor allen Dingen der gefährliche Schmarozer beseitigt werden. Mittel zur Erzeugung verschwundenen Haarwuchses können also, wenn die Kopfhaut noch gesund ist, auch Erfolge haben, nicht als ob sie im Stande wären, die verschwundenen Lebensfunktionen derselben wieder her­vorzubringen, sondern nur indem sie die unterdrückten wieder kräf­tigen. Eine schwach reizende Pommade, die vielleicht etwas chininhaltig ist, wird ein Arzt wohl anrathen; ein solcher ist aber stets um Rath zu fragen, denn, wie wir gleich sehen werden, gibt es der angepriesenen Mittel eine ganze Menge, dieselben sind aber theils nichtsnuhig, theils schädlich.

Die Haar Konservirungs- Pommade von Dr. J. Brown in Wien   ist mit Pyrogallussäure und Kalilauge schwarzgefärbte Pommade. 50 gr. kosten 4 Mt., Materialwerth 50 Pf. Das Haarerzeugungsmittel von Morny ist nach Hager und Jakobsen eine mit Essig versetzte, aufgekochte und mit Eau de Cologne parfümirte Bierwürze. Die 95 gr. enthaltende Flasche kostet 3 Mt., Materialwerth 10 Pf., medizinischer Werth gleich Null. Die Haarerzeugungstinktur von Kneifel in Dresden   ist ein Gemisch von Chinatinktur, hoffmannschem Lebensbalsam( einer Auflösung ätherischer Dele in Spiritus) und Zwiebelsaft. Das 32 gr. enthaltende Glas kostet 1 Mt., Material­werth 30 Pf. Der Haarbalsam von Wakerson in London  enthält Koloquinthen und Spanischen  - Fliegenextrakt. Die 3 Loth enthaltende Weißblechschachtel kostet 3 Mt., ist aber um den vierten Theil dieses Preises aus jeder Apotheke zu beziehen. Außerdem ist der Balsam schädlich, da die Spanischen Fliegen reizend wirken und die etwa noch vorhandenen Haarwurzeln zerstören. Eine ähnliche Zusammensetzung hat das Glyko­blastol von Klezinsky in Wien  . Noch nichtswürdiger ist das Haarwasser des Dr. Sachs, bereitet von Gilbert in Berlin.  ( Auch unter dem Eau du docteur Sachs). Dasselbe soll die behaarte Haut vor allen schädlichen Einflüssen schützen, die Haare in kürzester Zeit wieder hervorrufen, ihr Weißwerden verhindern und die Haut stets rein und gesund erhalten. Hager fand, daß es eine Lösung von Pikrotorin und Ricinusöl in Al­fohol ist. Dieses Mittel hatte, wie Wittstein angibt, nach drei­tägiger Anwendung bei einem Herrn einen bedeutenden Hautaus schlag auf der Kopfhaut und eine starke Augenentzündung her­vorgerufen.( Pikrotoxin ist ein heftiges Gift, welches aus den Koffelsförnern bereitet wird.) Ohne Werth ist das Mittel zur Beförderung des Haarwuchses von Edm. Bühligen in Leipzig  , daß nach Schädler aus Arnikablüthentinktur, Glycerin, Spiritus und Wasser besteht, 6 Mk. kostet, aber nur 20 Pf. Material werth besitzt. Die Haarwuchssalbe von Apotheker D. Selle in Zachau ist nicht ganz werthlos, sie besteht, wie Hager und Jakobsen angeben aus Wachsjalbe mit Chinarindenextrakt nebst etwas Katechutinktur und Perubalsam, ihr Verkaufspreis, Mt., ist aber dreimal zu hoch.

Und nun gar die Barterzeugungsmittel. Nur, wer die Sehn sucht fennt, weiß was er leidet", der arme Jüngling, an dessen spiegelglatten Wangen und Kinn auch nicht das kleinste Härchen Hoffnung verheißend hervorsprießen will. Wie sollte er nicht 1 Mark wagen für das ,, unstreitig sicherste Mittel, binnen kürzester Zeit bei selbst noch jungen Leuten einen starken und kräftigen Bartwuchs hervorzurufen. Für den sicheren Erfolg garantirt der Erfinder Bergmann in Rochlib." Diese ,, Barterzeugungs­Tinktur" ist nach Wittstein der spirituöse Auszug irgend einer beliebigen Baumrinde, versetzt mit ein wenig Rosmarin- und Thymianöl; wem nach Anwendung derselben der Bart wächst, hat das günstige Resultat lediglich seinen Haarwurzeln zuzu schreiben, die ohne Tinktur auch nicht gezögert hätten, ihre Pflicht zu thun. Die vielangepriesene Royersche Barterzeugungs Pommade, ebenfalls mit garantirter Wirkung, ist, wie Hager angibt, ein Gemisch von 15 Theilen schlechter Pommade mit 1 Theil Chinarindenpulver. Die Dose fostet 2 Mt. 20 Pf., wäre aber um 20 Pf. herzustellen.

Der große Absatz dieser Artikel findet seine Erklärung nicht