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drückte mir die Hand und entgegnete, daß das nichts mache. Er sagte mir ein Lebewohl und ging still wieder fort. Vor Auf­regung über meine eigene Ohnmacht fing ich großer Mensch an zu weinen. Ich weinte wie ein Kind. Ist das unmännlich?

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Meine Wirthin brachte mir mein Essen. Mit den Worten: Bringen Sie es sogleich zum Buchbinder" rannte ich davon, Straße auf, Straße ab, bis ich endlich argen Hunger empfand. Für einige Pfennige kaufte ich mir Semmeln, die ich eben im Begriff bin, zu verzehren.

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Mein Urlaubsgesuch muß jeden Tag seine Erledigung finden. Ich harre sehnlich auf den Bescheid. Es zieht mich aus Berlin  unwiderstehlich fort!- Die kleine Bertha ist auch nicht wohl. Sie hat sich erkältet. Das Dienstmädchen scheert sich wenig um die Kleine. Die Mutter geht mit Frau Weinberg spazieren. Schöne Gesellschaft! Dem Sohn der Frau Ratemsky, der Hausbesizerin, bin ich absichtlich in den Weg getreten. Wir famen ins Gespräch. Ich frug, warum der Buchbinder die Wohnung verlasse? Weil Mama keinen Strolch liebt," gab der Bursche zurück. ,, Wissen Sie, daß er ein Strolch war?" - ,, Gewiß; er arbeitet nicht und zahlt nicht."- ,, Sie scheinen

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Forschungsfahrten im nördlichen Polargebiet. Geschichtliche Zusammenstellung von Dr. M. Traufil.

( Fortsetzung.)

Die Lösung des Sphinxräthsels Bis hierher und nicht weiter" war einem Professor vorbehalten, dem Finnländer Erik Norden­skjöld. Seit etwa zehn Jahren ist er die Seele aller schwedischen Unternehmungen, die die Aufschließung des hohen Nordens bezwecken. Seine erste größere Expedition unternahm er im Jahre 1875. Die­selbe hatte den Auftrag, in das karische Meer bis zu der Mündung des Jenisei und, wenn die Zeit es gestattete, weiter nach Nordosten vorzubringen und jene Gegenden geographisch zu bestimmen. Außer­dem wollten die Mitglieder der Expedition im Interesse und zur För derung der Naturwissenschaften die Geologie, Zoologie und Botanik dieser hohen Breitengrade, insbesondere von Nowaja- Semlja  , erforschen. Endlich beabsichtigten die Forscher, sich an einem noch nicht bestimmten Punkte zu trennen, und während die Einen nach Schweden   seewärts zurückkehrten und nebenbei die Erforschung der Ostküste fortseßten, sollten die Andern einen der großen asiatischen   Flüsse hinauffahren und durch Sibirien  , Rußland   und Finnland   heimkehren. Den Plan zu dieser Expedition hatte Professor Nordenstjöld entworfen. Er hatte das Glück gehabt, in Ostar Dickson, dem Chef eines großen Hand­lungshauses in Gothenburg  , einen Gönner zu finden, der allein die gesammten Kosten des Unternehmens auf sich nahm. Zu der Expedi­tion sollte ein kleines Segelschiff, die ,, Pröven", benußt werden, welches Nordenstjöld ganz nach seinem Ermessen ausrüsten durfte. Dem Pro­fessor schlossen sich zwei Botaniker, die Herren Kjellmann und Lund­ström, und zwei Zoologen, die Herren Stufberg und Theel und vier andere junge Gelehrte der Universität von Upsala an. Am 8. Juli verließ die Expedition Tromsöe, am 3. Oktober lief die Pröven" wiederum dort ein, nachdem sie mehr als 10,000 Kilometer in weniger als vier Monaten durchfahren hatte. Am 19. August hatte sich derjenige Theil der Expedition, die landwärts zurückkehren sollte, an der Mündung des Jenisei abgetrennt und gelangte am 30. November nach Stockholm   zurück. Diese Reise ließ keinen Zweifel über die Mög­lichkeit, die Produkte des nördlichen Sibiriens   durch das karische Meer nach Europa   zu bringen. Man konnte jedoch einwenden, daß die Ex­pedition unter ausnahmsweise günstigen Witterungsverhältnissen von statten gegangen sei und daß ein einziger glücklicher Versuch nicht als vollgültiger Beweis angesehen werden dürfe.

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Aus diesen Gründen unternahm Nordenskiöld   eine zweite Expedi­tion im Jahre 1876. Auch diesmal hatte die Munifizenz zweier reicher Privatleute, abermals des obenerwähnten Schweden Dickson und des reichen Russen Sibiriakoff, die Mittel gewährt. Nunmehr war es ein Dampfer, der den Forscher in die nördlichen Breiten trug. Auch diese Reise verlief glücklich und ergab den erwünschten Erfolg. Nach einer Abwesenheit von drei Monaten ankerte der Dampfer wiederum in Tromsöe. Damit war die Möglichkeit, zwischen Europa   und Asien  durch das karische Meer zu verkehren, erwiesen und die Errichtung einer regelmäßigen Verbindung zwischen den beiden Welttheilen auf diesem Wege bietet nach der Ansicht Nordenskiöld's keine größeren Schwierigkeiten und Gefahren, als viele andere Routen, die heute von tausenden von Schiffen befahren werden.

Der Handel suchte sich alsbald die neue Entdeckung zu Nuze zu machen. Im Jahre 1877 wurden auf dem von Professor Nordenskiöld befahrenen Wege zwei Dampfer abgeschickt und ein in Jenisseist erbautes russisches Segelschiff fuhr nach Norwegen  . Der Frager", ein Dampfer von 158 Tonnen, verließ für Rechnung des obenerwähnten russischen Kaufmanns Sibiriakoff mit einer Ladung Tabak, Zucker und Maschinen Bremerhaven   am 24. Juli, tam am 21. August an den Jeniseimün­

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sonderbare Begriffe von den Menschen zu besitzen, denen die Noth zu Häupten sißt, junger Mann," rief ich mit unterdrücktem

Unwillen.

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Der Buchbinder ist kein Strolch," setzte ich hinzu, ,, und wer einen ehrlichen Menschen dafür hält, ist wohl selbst nicht viel werth." Das Bürschchen war ob dieses Sermons zunächst verduzt, aber gleich darauf lachte er höhnisch und suchte davon zu kommen. Das ging nun nicht sogleich. Ich nestelte mich wie ein Kettenhund an den Naseweisen und gab ihm bis zu seiner Thür eine gründliche Instruktion über Moral, in der Voraussetzung, daß, wer den Alten etwas derb sagen will, das So habe ich doch beste Sprachrohr in den Inngen findet. meinen Gerechtigkeitsgefühlen in etwas Befriedigung verschafft. -Nun weiß ich auch, wer mit Louise Bürger im Theater war: Ein hübscher junger Mann. Unter Erröthen gestand sie mir, es sei ihr Bräutigam. Diese Mittheilung machte mich froh und guter Laune, und mit Eifer hab ich ihr soviel Wünsche hergeplappert, daß ich schließlich selbst habe darüber lachen müssen. Ihre Mutter kam dazu und so mußte dem Gespräch eine ernſtere Wendung gegeben werden. ( Fortsetzung folgt.)

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dungen an und fuhr vom 14. bis 21. September wieder nach Hammer­ fest  . Diese Erfolge ermuthigten den berühmten Reisenden, durch die seit 1553 angestrebte nordöstliche Durchfahrt nach Asien   vorzudringen, die Beringsstraße zu passiren und durch den stillen und indischen Ozean via Suez nach der Heimath zurückzukehren; ein Unternehmen, dessen glänzender Erfolg in diesem Augenblicke die Welt beschäftigt.

Am 25. Juli 1878 verließ Nordenskiöld   mit zwei zur Ueberwinte­rung im Polareis eingerichteten Dampfern ,,, Vega" und Lena", und von zwei Handelsschiffen begleitet, die Küsten Norwegens  , ging um das Nordkap   ins weiße und karische Meer und ankerte bereits am 6. August in Dicksonshafen an der Jeniseimündung. Die ihn begleitenden Han­delsschiffe gingen den Jenisei bis zur Stadt Taruchansk hinauf und Nordenstjöld setzte vier Tage später die Umseglung der Nordküsten der alten Welt in östlicher Richtung fort. Zehn Tage später salutirte die Signalfanone der Vega" die nördlichste Landspize Asiens  , Kap Tschel­justin. Am 28. August ankerten die beiden Schiffe zum letztenmal neben einander in der Lenamündung. Der Dampfer ,, Lena" ging den gleichnamigen Fluß hinauf und erreichte am 21. September die Stadt Jakutsk  . Von hier erhielt Europa   die ersten Nachrichten über den bis­herigen Verlauf der Expedition. Nordenskiöld   verließ die Lenamündung auf dem Dampfer ,, Vega" am 27. August, erreichte in drei Tagen die Ljakowsinsel am, 6. September den Shelatskoi Noß, am 7. Kap Jakan, am 18. Kap North, am 27. Kuljuschin und am 28. die Ueberwinte­rungsstelle beim Kap Kamenoi Serdze. Es ist derselbe Punkt, den im Jahre 1728 Veit Bering von Osten erreicht hat. Durch Nordenskjölds Wagstück ist die nördliche Verbindung zwischen dem atlantischen und stillen Ozean durch das nördliche Eismeer über allen Zweifel erhaben, aber dem Seeweg für Handelsflotten werden die klimatischen Verhält­nisse dieser Regionen immer Schwierigkeiten bereiten. Auch Norden stjöld mußte seinen östlichen Kurs 500 bis 700 Meilen lang durch starkes Treibeis forciren. Er hatte, wie alle Polarfahrer, mit dem Ungemach des arktischen Winters zu kämpfen, war aber insofern besser wie seine Vorgänger daran, daß er von der zivilisirten Welt nicht ab geschnitten war. Um das Vorgebirge Kamenoi Serdze liegen drei von Tschuftschen bewohnte Dörfer. Am 18. Oftober 1878 übernahm der Aelteste des Dorfes die Spedition eines Briefes, der in acht Mo­naten über Anadirst, Kolyma  , Jakutsk  , Jeniseisk und Tobolsk   nach Perm, in den Bereich der Eisenbahnen, und dann auf Dampfesflügeln an den Adressaten, den schwedischen Marineminister Otter   gelangte und zwar am 21. Juni 1879. Im Laufe des Winters meldeten Tschuftschen­jäger, welche auf ihren Schneeschuhen ungeheuere Strecken in verhält­nißmäßig furzer Zeit zurücklegen, holländischen Walfischfängern in der Beringsstraße, daß Nordenskjöld   mit seiner Mannschaft auf dem Dampfer ,, Vega" in der Nähe des Vorgebirges Kamenoi Serdze über­wintere. Vom Koßebuesund trugen amerikanische Belzjäger die Nach­richt nach Alaschka und von hier blitzte sie der Telegraph nach allen Richtungen der Windrose. Das war in den ersten Tagen des Mai 1879. Infolge dieser Nachricht sendete Gordon Bennet, der durch Veranstaltung von Stanley's afrikanischen Entdeckungsreisen rühmlich bekannte Besizer der Zeitung ,, New- York Herald  ", seine in San Fran  zisko ankernde Yacht Jeanette" den Eingefrorenen zu Hilfe. Auch der stets opferwillige Ruffe Sibiriakoff ließ seinen Dampfer ,, Nordenskjöld  ", an dessen Bord sich der Vorstand des leipziger meteorologischen Bureaus, Freiherr von Dandelmann, befand, am 12. Mai 1879 von Malmö  in Schweden   in See stechen, um via Suez der ,, Vega" mit Nahrungs­mitteln und Kleidungsstücken zu Hilfe zu eilen. Beide Schiffe sollten den fühnen Forscher nicht treffen. Der Dampfer Nordenskjöld  " er­reichte am 2. Auguſt Japan  , um der Expedition durch die Berings straße entgegenzugehen; doch hatte er das Unglück, schon am 5. August an der Ostküste von Yesso im dichten Nebel auf Strand zu gerathen. Gordon Bennets Jeanette" verfehlte den rückkehrenden Polarfahrer