und unternahm eine selbständige Polarexpedition. Während der unermüdliche Sibiriakoff zur Hilfeleistung der monatelang verschollenen Mannschaft der Vega" in Nischni Kolymsk und an der Anadirmündung Landexpeditionen organisirte, bekam die Gattin Nordenskiölds am 16. Mai die telegraphische Nachricht, daß Briefe des Professors in Jakutsk ( Sibirien ) angekommen wären. Wären nicht vor Thores schluß, hieß es darin, besonders ungünstige Verhältnisse eingetreten, so würde es der ,, Vega" gelungen sein, die ganze Reise ohne Unterbrechung zu vollenden und vor dem Winter in Japan anzukommen. An der Stelle, an welcher das Schiff Ende September einfror, verkehren amerikanische Walfischfahrer oft bis zur Mitte Oktober.
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Wenn Vega eine Stunde mit voller Kraft hätte vorwärts kommen können," so berichtet Nordenskiöld , dann hätten wir vermuthlich den Weg zurückgelegt und einen Tag früher würde das Treibeis an dieser Stelle kein ernstliches Hinderniß für Vega's Fahrt gebildet haben."
Diese Einschließung, so nahe vor dem Ziele, bezeichnet der Professor als dasjenige Mißgeschickt, mit welchem er sich während seiner Eismeerreisen am schwersten habe versöhnen können. Eine Zeit lang rechnete er auch darauf, wieder frei zu werden. Beständiger Nordwind aber verstärkte die Eismassen an der Küste mehr und mehr; die Temperatur fiel langsam, doch stetig, und am 25. November schrieb er ins Tagebuch: Hoffnung, vor nächstem Sommer loszukommen, ist nicht mehr vorhanden."
Troß dieses am Schlusse der Fahrt eingetretenen Unfalls ist deren Zweck doch vollständig erfüllt.( Siehe Karte Seite 220.) Denn die Möglichkeit, die Reise auf einem Dampfer in einer Hochsommersaison zu vollenden, darf nicht mehr bezweifelt werden. Ein Schiff, das soweit kommt, als die Vega" gekommen ist, wird unter normalen Umständen voraussichtlich nicht einfrieren. Nur eine schwedische Meile weiter, wäre sie in der offenen See gewesen. Diese kurze Strecke foftete einen ganzen langen Winter. Neun Monate zwanzig Tage lag die ,, Vega" fest. Am 18. Juli 1879 gab das Eis sie endlich frei. Am 20. Juli passirte sie das Ostkap , besuchte die beiden Küsten des Be ringsmeeres, die Lorenzinsel und die Beringsinseln, wo sie durch einen Agenten der Alaschkagesellschaft( früher russische, jetzt nordamerikanische Handelskompagnie) die ersten Nachrichten aus der kultivirten Welt erhielt, und seßte von da am 19. August die Reise fort. Am 31. August überstand sie einen Sturm und ein Gewitter, bei welchem ein Bliz den Hauptmast spaltete. Dann erreichte sie am 2. September 10 Uhr Abends glücklich den japanesischen Hafen Yokohama . Japans Beherrscher, der Mikado( Gottmensch), ein lernbegieriger Reformator seines Landes, ließ sich von Professor Nordenskiöld die interessante Fahrt erzählen und verkehrte mit ihm, zum Schrecken aller Finsterlinge, wie mit seines Gleichen. Während wir dieses schreiben( zweite Dezemberhälfte), meldet der Telegraph die Ankunft der„ Vega" in Point de Galle , einem Hafenort auf der Insel Ceylon .
Wie wir oben bemerkten, ist das von Sibiriakoff der ,, Vega" zu Hilfe eilende Dampfschiff„ Nordenskjöld " am 5. August an der Ostküste von Jesso( Japan ) an den Strand gerathen. Eine soeben aus Japan eingetroffene, allerdings nicht sehr ins Einzelne gehende Nachricht giebt jedoch Hoffnung auf Rettung des sehr stark gebauten Schiffes. Der russische Konsul in Yokohama meldet nämlich, daß der Dampfer( wahrscheinlich bei einer hohen Fluth) von dem sandigen Strande abgekommen ist und daß derselbe durch die Strömung nach einer 30 Seemeilen von dem Unglücksplaße entfernten Stelle getrieben worden ist, wo er augenblicklich vor den zur Winterszeit sehr starken Schneeſtürmen und bor dem Wogengange geschüßt liegt. Die schon ihrem Rücktransport nach Europa entgegensehende Mannschaft ist von Yokohama aus wieder nach Jeffo zurückgekehrt, um in der Nähe des Schiffes eine weitere günstige Entwickelung der Verhältnisse abzuwarten. Herr A. Sibiriakoff ist soeben im Begriffe, einen neuen Kapitän für das Schiff nach Japan zu senden, der versuchen soll, das Schiff vollständig zu retten, und wenn möglich, nach Yokohama zur Reparatur und Neuausrüstung zu bringen. Wenn dies gelingen sollte, so wird der Dampfer im nächsten Sommer seine Reise durch die Beringsstraße nach dem sibirischen Eismeere fortseßen und vielleicht um Kap Tscheljuskin nach Skandinavien zurückkehren. Der neue Führer des Schiffes ist der bekannte, sehr erfahrene norwegische Fangschiffer Johannssen, der alljährlich die nordischen Gewässer besucht. Er ist es unter Anderem, der im Sommer 1879 in dem farischen Meere östlich von Nowaja Semlja kühn mit seinem kleinen, für den Walroß- und Robbenschlag bestimmten Fahrzeuge vordringend, die von ihm so genannte ,, Eiserne Insel" im Süden des Franz- Joseph- Lands entdeckte. Als erster Steuermann wird ihn ſein von Jakutsk kommender, eben so bekannter Bruder nach Japan begleiten, der als Kapitän des Dampfers ,, Lena" die„ Bega“ bei ihrer mit seinem Schiffe diesen Fluß bis Jakutsk hinaufdampfend, die letzten Briefe von Professor Nordenskjöld mit der Nachricht von der ersten glücklichen Umschiffung der Nordspiße Asiens , des Kaps Tscheljustin, nach Europa vermittelte, welche bekanntlich im vorigen Herbst hier anlangten. Gelingt es also, das gestrandete Schiff wieder flott zu machen und zu repariren, so steht in dem nächsten Sommer, wenn nicht ganz ungewöhnlich ungünstige Eisverhältnisse eintreten sollten, eine zweite Umschiffung Asiens , diesmal in der Richtung von Ost nach West, in ( Fortsetzung folgt.)
Aussicht.
Der Einsturz der Taybrücke in Schottland. ( Bild Seite 221.) Einer der schrecklichsten Eisenbahnunfälle, die sich je ereignet, führt uns an die Ostküste von Schottland . Der Firth of Tay, ein Küstenfluß, der aus dem Grampiangebirge kommt, ergießt sich in einer sehr breiten Mündung bei Dundee in die Nordsee , und die dort über den Fluß führende Eisenbahnbrücke der Strecke Dundee Edinburgh , war bis zum 28. Dezember vorigen Jahres, dem Tage der Katastrophe, die ängste der Welt. Sie war 10 320 englische Fuß oder 3459 Yards, also ungefähr zwei englische Meilen lang und wurde als ein Wunderwerk der Ingenieurkunst gepriesen. Der Bau hatte sechs Jahre gedauert und 350 000 Pfund Sterling gekostet. Die Brücke, dem Ansehen nach ein leichter, zierlicher Bau, nach Norden gegen Dundee zu in gekrümmter Linie dem Ufer zustrebend, wurde Ende Februar 1878 amtlich geprüft, und im Mai desselben Jahres dem Verkehr übergeben. Sie ist eingleisig und besteht aus 85 Deffnungen von verschiedener Spannweite, von denen die elf weitesten je 245 Fuß haben. Die Brückenbahn lag in der Mitte 130 Fuß höher als die Fluthmarke. Ein Theil der Pfeiler ist auf Felsen fundirt. Beim Bau zeigte sich jedoch, daß der Felsen in der Mitte des Flusses so plößlich abfällt, daß er dort unerreichbar war und man sich mit einem mit Kies vermischten Thonboden begnügen mußte, auf dem mit Beton gegründet wurde. Ueber der Fluthmarke standen Gruppen von eisernen Säulen, auf denen die Gitterträger ruhten. Die beiden Träger, welche die mittleren Deffnungen der Brücke überspannten, waren 27 Fuß hoch und wogen zusammen 190 Tonnen. So sehr man nach der Vollendung der Brücke die Kühnheit des Entwurfs, die Leichtigkeit und Schönheit des Baues bewunderte, so fehlte es doch anderseits damals nicht an bedenklichen Aeußerungen Sachkundiger, welche die Brücke sowohl im Oberbau wie im Fundament im Verhältniß zur Höhe für zu schmal erklärten, um einem ungewöhnlich starken seitlichen Druck widerstehen zu können. Auch wurde die Verschiedenheit in de Wahl des Materials sowie in der Art der Konstruktion für fehlerhaft gehalten. Doch kehren wir nach der Schilderung des Schauplazes zu dem grauenvollen Ereigniß des 28. Dezember zurück.
druck, denn es war, als wären alle Teufel losgelassen, um heulend, Es war ein stürmischer Sonntagsabend. Das ist ein matter Auskreischend, winselnd und zischend mit den Fittigen des Sturms über Schottland zu fliegen. Indessen keuchte ein Eisenbahnzug, aus Lokomotive, Tender und sechs Wagen bestehend, seine kalte, blinkende Bahn von Edinburgh entlang auf die berühmte Taybrücke zu, nach der Hafenstadt Dundee . Die Leute in den Waggons waren guter Dinge. ja so fest gebaut. Als sie die Billete löften, hatten sie scherzend gefragt, Sie hatten trotz des wüthenden Sturmes keine Angst. Die Brücke ist ob die Brücke den Sturm aushalten könnte? Würden sonst Väter von sechs und sieben Kindern mitgefahren sein? Der eine steckte fröhlich eine Cigarre an, jener that einen Zug aus der Weinflasche und ein dritter dachte an die Mutter seiner Kinder, die jetzt daheim um den Theetisch saßen und fragten, wann Papa kommen würde. Oh, ihr armen Würmer, Euer ,, darling papa" ist am Sterben, nur weiß er es nicht. Jezt betritt der Zug die eine halbe deutsche Meile lange vielbewunderte Brücke. Thomas Barklay, der alte Bahnwächter kommt aus dem Signalhause hervor, um seine Pflicht zu erfüllen. Er macht, mit dem Sturme kämpfend, seine Zeichen und der Zug beginnt auf der Brücke zu rollen. Kaum kann der Alte ins Häuschen zurück, der Sturm will ihn in die Lüfte entführen. Aus dem Häuschen blickt er dem Zuge nach. Er sieht die rothen Lichter des letzten Waggons. Aha, sagt Tom, jezt sind sie auf der Höhe der Brücke; 130 Fuß über der Brandung, das ist hoch für eine solche Nacht!
Plößlich sieht Tom Barklay keine Lichter mehr. Der Zug ist auf der Kurve, denkt er. Da kommt ihm ein anderer Gedanke. Er schaudert bei dem Gedanken und geht rasch auf seinen Signalfasten zu, in den acht Drähte einlaufen. Die Drähte gehen alle über die Brücke. Er probirt einen nach dem anderen. Keine Antwort.
Die Brücke ist entzwei, der Zug ist im Fluß.
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Unter den Leuten zu Dundee gab es manche Aengstliche, die sich fragten, ob bei dem Sturme die Brücke passirt werden könne? Ein Vater er schreibt es der ,, Times" sah mit seinem kleinen Mädchen beim Fenster hinaus, als der Zug die Brücke betrat. Plößlich rief das Kind: ,, Papa, das ist wie ein Blig!" Es war, als ob ein Meteor zerspränge, es regnete Funken und gab einen flammenden Schein, dann war alles dunkel. Es hörte niemand etwas, als das Heulen des Sturmes.
Jemand, der dieses Phänomen gesehen, meldet es dem Bahnbeamten. Die Nachricht verbreitet sich in der gewerbfleißigen Stadt, die Leute erschrecken darüber, wie die Trojaner über den Inhalt des hölzernen Pferdes. Man rennt auf die Station. Was Freunde oder Verwandte mit dem Zuge erwartet, steht bleich, händeringend in Gruppen zusammen. Noch kann mans nicht glauben. Was? Daß ein ganzer Zug ertrinken konnte, Maschine und Waggons, Männer, Weiber und Kinder. Hatte doch niemand den Sturz gehört!
Die Bahnbeamten wissen ebensowenig wie alle anderen. Zwei von ihnen machen sich auf, die Brücke zu begehen. Es kann, es muß ihnen das Leben kosten, doch ist es ihre Pflicht. Die Brücke ist am hellen Tage unübersehbar und führt in gekrümmter Linie dort über den Fluß, wo er mehr ein Meerbusen als ein Fluß ist. Es ist die Zeit der Fluth, der Sturm peischt die heranrollenden Wogen zu Gischt, er