Dem alten Klose trat bei dieser Auseinandersetzung ein Ge danke vor die Seele, der bei ihm schon seit längerer Zeit sich eingenistet hatte und den Inhalt eines Lieblingswunsches bildete, des einzigen im Grunde, der sein anspruchsloses Gemüth beseelte. Demselben nachgebend, lehnte er in dankbarer Herzlichkeit für die unerwartete Anerkennung seiner schwachen Kräfte, wie er sich ausdrückte, für sich den ehrenvollen Antrag ab, aber an seiner Stelle empfahl er einen andern.
" Ich kenne einen jungen Mann," sagte er, der ganz die Eigenschaften besitzt, welche erforderlich sind, einen Posten auszufüllen, wie mir der zu sein scheint, welchen Sie, geehrter Herr, augenblicklich zu vergeben haben. Zwar ist er kein Publizist von Beruf, aber deren gibt es ja doch bei uns in Deutschland überhaupt nur sehr wenige."
Herr Prell warf sich, als er das hörte, in die Brust, als ob er sagen wollte: der Mann hat recht, aber die wenigen, die es gibt, die sind dann auch um so besser; hier steht z. B. ein Pracht exemplar. Leider achtete niemand auf Herrn Prells imposante Attitude, und Herr Klose fuhr unbekümmert fort:
Dafür hat sich der junge Mann eine garnicht zu verachtende geschichtliche und literarische Bildung erworben, und zwar durch ein mit staunenswerthem Fleiße und Ausdauer betriebenes Selbst studium. Er ist intelligent, schreibt ein korrektes und fließendes Deutsch und findet sich in kleinere journalistische Arbeiten sofort und leicht hinein. Natürlich dürfen Sie Ihre Erwartungen und Anforderungen nicht gleich von vornherein zu hoch spannen. Daß Sie aber zufrieden sein werden, wenn Sie anfänglich ein wenig Nachsicht üben wollen, geehrter Herr Chefredakteur, deß bin ich ganz gewiß."
Herr Schweder schaute ein wenig zweifelhaft drein, als er sagte:„ Der Betreffende müßte vor allen Dingen vorzüglich zu forrigiren verstehen. Denn die höhere- d. H. den schwierigern Theil der andern Arbeit," Schweder verbesserte sich rasch, weil er Klose, der ja so viele Jahre nichts weiter als Korrektor gewesen war, nicht verlegen wollte, werden wohl wir, mein Kollege Herr Prell und ich auf uns nehmen, falls es uns nicht sofort gelänge, eine Kraft, wie Sie, mein bester Klose, für unsre Redaktion zu gewinnen; nicht wahr, Herr Prell?"
Dieser konnte nur durch eine leichte Verbeugung antworten, denn Herr Klose erwiderte sehr eifrig:
Das trifft sich prächtig! Grade das Korrekturlesen ist die stärkste Seite meines Schüßlings, so darf ich in gewisser Be ziehung den fraglichen jungen Mann wohl nennen. Sogar die in Bezug auf die Korrektur ihrer wissenschaftlichen Werke allerpeinlichsten unter unsern Universitätsprofessoren versichern, daß sie nie ihre Bücher von Druckfehlern freier gefunden hätten, als jetzt, seit Fritz Lauter Korrektor ist bei Gandersberg und Kompagnie. S'ist das," sezte der alte Herr gutmüthig lächelnd hinzu, zwar für mich keine besondere Schmeichelei, aber es ist kein übertriebenes Selbstlob, wenn ich sage: ich war auch der ungeschickteste noch lange nicht als Korrektor."
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Ah, Fritz Lauter meinen Sie!" Herr Schweder war einiger maßen überrascht. Von dem jungen Menschen scheint alle Welt soweit die Welt ihn kennt! merkwürdig hohe Begriffe zu haben. Daß er ein guter Korrektor, sagte mir heute erst wieder Gandersberg ich weiß nicht mehr zum wievieltenmale. Nun, wenn Sie meinen, daß dieser Lauter anstellig und ausbildungsfähig ist, so könnten wirs mit ihm versuchen. Einverstanden, Herr Kollege?"
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Kollege Prell wußte zu gut, daß er bei derartigen Anstellun gen eigentlich gar nicht mitzusprechen habe, um nicht bereitwilligst seine Zustimmung zu versichern. Und so war denn im Hand umdrehen Friz Lauters Einsetzung als Hülfsredakteur beim ,, Tageskorrespondenten" beschlossene Sache. Schweders Bedenken, Gandersberg werde seinen Korrektor wahrscheinlich überhaupt, jedenfalls aber nicht so Knall und Fall verlieren wollen, ward von dem alten Herrn Klose beschwichtigt, der ganz entzückt war, seinem Friz Lauter zu raschem Emporkommen, wie er hoffte und glaubte, behülflich sein zu können. Herr Gandersberg sei ein viel zu edler Mann, um einem jungen Menschen, den er seiner trefflichen Eigenschaften wegen schätze, gewissermaßen die Karriere zu verderben. Und bis sich ein tüchtiger Ersatz für Lauter fände oder bis er, was er allerdings gar nicht besorge, aus der Redaktion wieder in die Druckerei zurückkehre, wolle er, Klose, herzlich gerne wieder einmal zur Fahne der Korrektur schwören. Schweder erklärte, damit sei allerdings alles in Ordnung, und ersuchte Herrn Klose, den jungen Mann, den nach seiner Ein
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willigung zu fragen, der Herr Chefredakteur nicht im geringsten nöthig fand, von seiner Anstellung als Hülfsredakteur zu benachrichtigen.
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Sonderbarer Kauz, dieser Alte," brummte Herr Prell vor sich hin. Wird auf seine alten Tage noch einmal Korrektor, trotzdem er Schriftsteller von Profession ist, um einen Korrektor von Profession zum Schriftsteller, wenigstens zu einer Art davon," fügte der fachkundige Herr im stillen dazu, zu machen." Uebrigens war er nicht nur äußerlich einverstanden. So ein junges, unerfahrenes, arbeitsames Kerlchen kann ein routinirter Journalist und an Dreistigkeit nichts zu wünschen übrig laffender Residenzler, der im Ausnüzen fremder Arbeitskraft eine staunenswerthe Fertigkeit hat, stets auf das beste gebrauchen.
Herr Sentbeil hatte an der ganzen Szene wenig oder gar keinen Antheil genommen. Nur soviel leuchtete ihm ein, daß den sehr zu unrecht kommenden Artikel und wohl auch noch andere Ungeschicklichkeiten, wenn nicht etwa Bosheiten, das bisherige Redaktionsmitglied verschuldet habe, für das sich Schweder jezt um Ersatz bemühte.
Schweders Energie imponirte ihm dabei wie immer. Die ganze Angelegenheit würde ihm bei den mannichfachen Sorgen, welche ihn drückten, übrigens in der That außerordentlich fatal geworden sein, wenn er sich nicht auf Schweders, wie er meinte, unübertreffliche Gewandtheit, alle Schwierigkeiten und Verlegenheiten schließlich doch zu besiegen und zu seinem und seiner Freunde Besten zu kehren, felsenfest verlassen hätte.
Aber er bedurfte noch in tausend anderen Dingen den Rath und die Hülfe seines Freundes. Daher war er froh, als die Redaktionsfrage ihre Erledigung gefunden hatte und sich kurz nachher auch die Herren Prell und Klose entfernten und Schweder ihm gestattete, sein Herz auszuschütten, nachdem er ihm noch mitgetheilt, er werde in der nächsten Nummer mit der Namensunterschrift des Hampel das Publikum wegen der lächerlichen Druckfehler von denen Herr Senkbeil jetzt zum erstenmale etwas hörte um Entschuldigung bitten und erklären lassen, daß in diesem einen Falle, dessen Wiederkehr durch geeignete Maßnahmen unmöglich gemacht sei, momentane Arbeitsüberhäufung eine sorgfältige Korrektur unmöglich gemacht habe.
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,, Und nun, lieber Senkbeil, heraus mit dem, was du mir zu sagen hast. Es sieht mir nicht aus, als ob es viel Ergögliches sei. Was du mir vorhin über euer Geschäft mittheiltest, wußte ich allerdings lange. Wie kann geholfen werden und was gibt's noch das ist die Frage!"
Die Auseinandersetzung des Herrn Senkbeil dehnte sich zu einem stundenlangen Vortrage aus, dessen wesentlichster Inhalt darin bestand, daß das im Besitz der Gesellschaft Alster , Wichtel, Senkbeil befindliche Fabriketablissement nicht nur sich immer noch nicht rentire, tros der paarmal hunderttausend Thaler, welche in den letzten zwei Jahren noch hineingesteckt und zur Anknüpfung von Geschäftsverbindungen in aller Herren Länder benußt worden seien, sondern daß die Möglichkeit, es rentabel zu machen, infolge der kolossalen Kapitalanlagen, die es verschlungen hätte, heute ferner gerückt erscheine, als je. Dazu käme, daß Alster, der allgemach weitaus das meiste Geld dem gemeinsamen Geschäft anvertraut habe, seine anfangs unerschütterliche Zuversicht bezüglich der baldigen Prosperität des Etablissements schon ziemlich verloren habe. Selbst seine Zuneigung zu Schweder scheine im Wanken oder vielleicht gar im Schwinden zu sein. Er müsse einen geheimen Groll gegen Schweder hegen; und das sei sehr zu bedauern, weil Schweder derjenige gewesen, welcher die in ihren Interessen und Neigungen doch nur äußerlich Verbundenen zu gemeinschaftlichem Handeln zusammengehalten habe. Würde Schweders Einfluß sich eines Tages als machtlos erweisen, so wisse er, Senkbeil, nicht, wie das Bündniß weiterbestehen könne; dann würde die alte, tiesinnerliche Abneigung zwischen Alster und den Wichtels einen gewaltsamen Bruch nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich und unvermeidlich machen, und damit falle das Geschäft, damit falle nicht nur er, sondern wahrscheinlich auch die Wichtels, und Alster wäre vielleicht, aber auch nur vielleicht, der einzige, welcher mit furchtbarem Verlust über den gänzlichen Ruin glücklich hinwegzukommen vermöchte. Was ihn selbst beträfe, so bleibe ihm absolut nichts andres übrig, als eine Kugel vor den Kopf; alle seine Hülfsquellen seien erschöpft bis auf den letzten Tropfen, viel schlimmer noch als vor zwei Jahren. Der garnicht innehaltende Niedergang aller Geschäfte habe sich wie ein Alp gelegt auch auf seine und seiner Geschäftsgenossen riesenhafte Anstrengungen, in die Höhe zu kommen, und