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personal todt oder schwer verwundet. Der unheilvolle Oktober figurirt auf der Unfallstabelle am 2. mit einer Entgleisung bei Kottbus und am 3. mit Bertrümmerung eines Viehzuges zwischen Drebber und Diepholz , und einem Brückenzusammensturz zwischen Cruccoli und Ciro ( Italien ). Am 5. explodirte auf der Eisenbahn Puerto Cortes und San Pedro in Spanisch- Honduras ein Eisenbahnwagen mit 5500 Kilogramm Schießpulver und hat den Zug sammt den Passagieren in Atome zerrissen. Am 13. fand bei Bruchsal und am 18. bei Gleiwiz ein Wagenzusammenstoß mit dem üblichen Menschenverlust statt. Am 20. fuhren auf der Kreuzung von Löwen und Antwerpen zwei Züge ineinander, 2 Todte 18 Verwundete. Am 27. schon wieder ein Zusammenstoß infolge starken Nebels zwischen Königszelt und Freiburg . Zugpersonal verwundet. Am 8. November ist bei Bischofsheim der frankfurter Personenzug mit dem mainzer zusammengestoßen, und der berliner Expreßzug nach Breslau bei dem Bahnhof Gassau entgleist. Am selben Tage stürzte der im Bau begriffene Viadukt bei Feldbergen, an der Hanau - Friedberger Bahn zusammen; 9 Todte, 20 Verwundete. Zwei Tage später haben auf der Bahn von San José nach Santa Cruz in Kalifornien bei der Ausgrabung eines Tunnels drei schnell hintereinander folgende Explosionen stattgefunden, wodurch 28 Chinesen getödtet, 17 Chinesen und 2 Weiße verlegt wurden. Die Explosionen sind dadurch verursacht worden, daß eine von den Arbeitern bloßgelegte Petroleumader in Brand gerieth. Am 24. fuhr auf dem Bahnhof Güsten eine Lokomotive in den berlin - weglarer Zug, und am 28. ditto in Posen in den breslauer Zug. Am 4. Dezember Zusammenstoß von zwei Güterzügen zwischen Witten und Dortmund . Am 5. fuhr ein von Avricourt abgelassener Expreßzug auf zwei im Schnee stecken gebliebene Güterzüge. Ein Schaffner wurde getödtet, ein zweiter, sowie zwei Militärs und mehrere andere Personen trugen schwere Verlegungen davon. Am 8. Dezember sprang an der Lokomotive des IpswichLondon- Zuges infolge des harten Frostes ein Rad ab. Lokomotive und zwei Wagen stürzten den Damm hinunter. Am 16. wiederholte sich derselbe Unfall zwischen Zembowiz und Sausenberg, auf der Rechten Oberuferbahn. Am 28. ereignete sich jener entseßliche Eisenbahnunfall bei Dundee , den wir eingangs geschildert haben.
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Troß dieses, leider noch unvollständigen Unfallverzeichnisses, ist der Mensch unablässig bemüht, die Arsenale des Würgengels zu bereichern. Soweit die geschienten Wege in Frage kommen, verfehlen alle Kulturstaaten ihren Beruf nicht, welcher in der Schöpfung giganti scher Werke zu bestehen scheint. Wir sind stolz darauf, im Zeitalter der kühnen Unternehmungen zu leben. Greift aber das unerbittliche Schicksal mit seiner eisernen Faust in das Spinngewebe menschlicher Berechnung, dann fährt Entsetzen durch die Glieder der Sterblichen,- dann fühlen auch die Mächtigen, daß ihnen der hungrige Tod jeden Augenblick ans Leben kann; aber es dauert nicht lange. Auch die Times", Englands öffentliche Meinung, konnte sich bei der Schilderung des Einsturzes der Taybrücke bei Dundee eines gewissen Schauders nicht erwehren, um im nächsten Artikel eine herrliche" Seebrücke ähn licher Art zu beschreiben, die ebenfalls an der Ostküste Schottlands , bei Forth of Queensferry, erbaut werden soll. Diese erhält Pfeiler von der imposanten" Höhe von 596 Fuß, also sechsmal so hoch, wie die, welche sich bei der Taybrücke so famos bewährt haben. Wie man sieht, ist da ein Unglück möglich, das noch viel romantischer werden kann, wie das von Dundee .
Um nicht mit einem Todtenlied abzuschließen, wollen wir einer journalistischen Großthat erwähnen, welche der Eisenbahnunfall hervor gerufen. Unsere Leser erinnern sich wohl noch des Herausgebers des New- Yorker Herald", namens Francis Bennet, von dem wir erzählten, daß er auf seine Kosten den Journaliſten Stanley zur Auffindung Livingstone's ins Innere von Afrika geschickt, und ein Schiff durch die Beringsstraße an Sibiriens Nordküste zur Auffindung von Nordenskjöld ausgerüstet hat. Am 30. Dezember, am Morgen nach dem schauerlichen Unglück auf der Taybrücke, enthielt das Organ dieses unternehmenden Mannes, der„ New- Yorker Herald", nicht nur eine ihm per Kabel übermittelte, 3000 Worte( à 4 Mark) lange Depesche über das Unglück, sondern auch eine Liste der vermuthlich an Bord des Trains" verunglückten Passagiere und mehrere treffliche Holzschnitte von der Brüde nach ihrer Bollendung und während des Baues, sowie Auszüge aus den Leitartikeln der bedeutendsten englischen Blätter über das Unglück, die bei der Zeitdifferenz von fünf Stunden zu Gunsten Amerikas dort ebenso früh erscheinen konnten, als in England selbst. Alles in allem aber gibt diese Nummer des New- Yorker- Herald" ein so vollständiges Bild der Katastrophe und des Eindrucks, den sie gemacht, wie es in England selbst unmöglich besser hergestellt werden konnte.
Dr. M. T.
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Bewohner sind ein kriegerisches Volk, welches sich theils zum muhamedanischen Glauben bekennt, theils der griechischen und römisch- katho lischen Kirche angehört. In ihrer Gesammtheit schätzt man die Albanesen, türkisch Arnauten, oder wie sie sich selbst nennen, Schkipetaren, auf 2,200,000 Seelen, wovon in der europäischen Türkei ungefähr 1,200,000, in Montenegro und Serbien gegen 600 000, in Griechen land etwa 200 000 und auf Sizilien 1-200 000 leben. Die im Jahre 1878 in Berlin tagende Versammlung europäischer Diplomaten hatte es nun im Interesse der Lösung" der orientalischen Frage für gut befunden, den nördlichen Theil dieser Provinz Montenegro einzuverleiben, für welche weise Fürsorge die Bewohner aber nicht das richtige Verständniß zu haben scheinen, denn sie rebelliren dagegen. Hauptträger des Widerstandes ist die albanesische Liga, eine Verbindung fanatischer Häuptlinge der Clans, jener patriarchalischen Stammesverbände, wie sie in der Geschichte Schottlands bekannt sind, deren Hauptsiz, Prisren, unsere Illustration veranschaulicht. Diese Stadt liegt am Drin und am Nordabhang des hohen Schar Dagh' und zählt neben 30 000 Muhamedanern 8000 griechisch- katholische und 2000 römisch- katholische Christen. Von den früheren 360 Kirchen und Klöstern blieb kaum ein Drittheil den Christen, die größte Zahl wurde entweder in Moscheen oder in Ruinen umgewandelt. Man geht wohl nicht fehl, wenn man annimmt, daß sich hinter der Liga die Hand der Regierung zu Kon stantinopel verbirgt. Zu Boden geschlagen und momentan unfähig, den russischen Todfeind abzuschütteln, sucht sie jedes Mittel zu ergreifen, um den durch überlegene Macht diktirten Vertrag nicht zur Ausführung kommen zu lassen. Wie Rußland seine Eroberungsgelüfte unter der christlichen Maske verbarg, so benüßt sie das so oft in eigennüßiger Weise angewandte Schlagwort der Nationaliät, um den Zusammensturz einer hundertjährigen Herrschaft aufzuhalten. Und in diesem Falle würde sich dieser Vorwand mit mehr Berechtigung anwenden, lassen, als sonst, da die Albanesen einmal eine besondere Gruppe der indogermanischen Völkerfamilie bilden und andererseits die Bewohner des abzutretenden Gebietstheiles Muhamedaner sind. Charakteristisch ist jedoch, daß die aufsässigen Clans auch nie große Vorliebe für die türfische Herrschaft empfanden, und daß es der Pforte nie gelungen ist, sich die nordalbanesischen Stämme ganz zu unterwerfen. Die Clans haben für und gegen die Türkei gekämpft, ganz wie es ihr Interesse erheischte, und der geringe Tribut, welchen sie dem Sultan entrichteten, wanderte meist wieder zurück in ihre Taschen als Belohnung für ihr loyales Betragen. Sie hielten sich meist unabhängig und duldeten selten eine Einmischung der Pforte in Verwaltungs- und Gerichtsangelegenheiten. Sie repräsentiren den Feudalismus, der sich in seiner urwüchsigsten Form in jenen wilden Gebirgsgegenden mit Leichtigkeit erhalten konnte. Wenn sie sich aber jetzt gegen die Bestimmungen des Berliner Vertrags auflehnen, so geschieht dies wohl kaum aus besonders großer Vorliebe für die Regierung in Konstantinopel , sondern vielmehr, weil ihnen ihre alte gewohnte Herrschaft unter der türkischen Wirthschaft sicher ist, obgleich nicht angenommen werden darf, daß das russische Regiment nach dieser Richtung hin gefährlich zu werden die Absicht habe.
nrt.
Künstlerstudien.( Bild Seite 245.) Wir führen heute unsere Leser nach Rom , jener Märchenstadt, wo der Lebensjubel vergangener Jahrhunderte versteinert schläft. Gewaltsam muß man hier das Auge aufgeschlossen halten, um nicht in den Bann des Träumerischen zu gerathen. Der sinnliche Zauber der bildenden Kunst, die Spuren verschollener" Generationen und die originelle Gegenwart zugleich, sie sind es, die den Maler und Dichter mit magischer Gewalt über die Alpen nach dem Lande der Sehnsucht ziehen." So urtheilten noch Winkelmann und Goethe. Mit der Originalität der Gegenwart ist es aber in unseren Tagen auch in Rom vorbei. Wenn es noch ein paar Jahrzehnte mit dem Verwischen jedes eigenartigen Gepräges der Erscheinung der Städte und Menschen Italiens , ihrer Sitten, Trachten und Lebensarten so fortgeht, wie seit der Krönung des Werkes der italienischen Einheit durch die Besetzung von Rom , so dürften die Maler von jenseits der Berge Motiven zu Bildern, wie das Original unseres Holzschnittes,
vergebens in der Wirklichkeit zu begegnen hoffen. Die schönen Römerinnen mit dem derben, flach aufliegenden Schleiertuch auf dem Haupt, mit dem gestickten Hemd von grober Leinwand, dem rothen, glänzend verschnürten Mieder, der blauen Wollenschürze mit den buntdurchwirkten weißen, breiten Querstreifen sind, wenigstens in Rom selbst und in den von der Eisenbahn berührten Umgebungen der ewigen Stadt, heute bereits zur Mythe geworden. Ihr Bild lebt fast nur noch in den Modellen fort, welche in der via Sistina, nahe der spanischen Treppe, auf die Maler warten, von denen sie zum Sißen engagirt zu werden wünschen. Nach einem solchen Modell sieht aber das hübsche frische Kind nicht aus, bei welchem der blondbärtige nordische Künstler im schwar zen Sammetjaquette, sich in der verräucherten Osteria( Wirthshaus), einer echten Malerherberge, der Ragazza ( Mädchen) gegenüber, nieder
Die Albanesen.( Bild S. 244.) Bis zum Berliner Kongreß, der den jüngsten orientalischen Krieg beenden sollte, wußte wohl der größte Theil des Publikums sehr wenig oder gar nichts von diesem Volksstamm der Balkanhalbinsel , welcher neuerdings das öffentliche gelassen hat. Ein Modellmädchen hielte das Glas, welches er ihr mit
Interesse in Anspruch nimmt. Das Stück Land, welches er bewohnt, war bis jetzt eine türkische Provinz, die ungefähr 750 Quadratmeilen umfassend, im Westen vom jonischen und adriatischen Meere, im Süden lien und im Norden von Montenegro , Bosnien und Serbien bgrenzt vom Königreich Griechenland , im Osten von Macedonien und Thessa wird. Das Terrain hat ausgesprochenen Hochgebirgscharakter und die
rothem Weine aus seiner Flasche zu füllen anbot, nicht mit so anmuthiger Schalkheit dem fremden Signore( Herrn) hin, wie die Landschönheit es thut. Ein Modell hätte auch schwerlich einen so wild blickenden, so rasch zur Eifersucht entflammten Begleiter und Schüßer zur Seite, wie jenen braunen, schwarzäugigen hageren Gesellen, der, so ingrimmig zu dem Fremden hinübersehend, seiner kurzen Pfeife die