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Die deutschen   Vor- und Taufnamen.

Von W. Wittich.

( Schluß.)

Beziehung auf das Volksganze, dem einer angehörte, wurde götter dem christlichen Platz machen mußten und im Volks­genommen durch Zusammensetzungen mit dem Worte Volk oder glauben zu Teufeln und Dämonen herabsanken, brachte man die Thinda, Theoda, Diet, was dasselbe bedeutet. Volkmar oder neuen Namen, die den Täuflingen beigelegt wurden, in eine, Dietmar ist gleich der im Volke Berühmte, Dietrich gleich der dem Glauben nach, glück- und heilbringende Beziehung zu dem durch Reichthum unter dem Volfe hervorleuchtet, oder dem viel neuen Allvater oder irgendeiner Person seines Himmels, wobei Volts als Heerführer gehorsamt; Hrod, Rod, Rud in Zusammen das Buch der Bücher als Vorrathskammer von Namen benutt setzung bedeutet Lob und Ruhm, Mogin Megin soviel wie wurde. Megin soviel wie wurde. Davon waren auch die Namen des alten Testamentes Macht und Ansehen. Rat gleich Rath, Wohlberathenheit, und nicht ausgenommen, wozu ein deutscher Namenforscher bemerkt: Hogu gleich Sinn, Gedanke, weisen auf das Gebiet des Ver- Es ist überhaupt ein tragikomischer Zug in unserer christ­standes, der natürlich auch seine anerkennende Werthschäßung lichen Kultur, daß wir den Juden all' ihre bedenklichen Geschichten, fand. Sinnsprüche, Weisheitsregeln, das Beste ihrer Religion, ihre Namen, ihre Heiligen und sogar unsern Erlöser abborgten und sie zum Danke dafür immer schunden, hingen und brieten. Die Geschichten Dietrichs von Bern, Karls des Großen, Otto des Großen, von Christoph Schmid   für die Jugend bearbeitet, würden mehr moralische Eindrücke hinterlassen, als die unmoralischen Geschichten von König Saul, David und Salomo  . Die deutschen Kinder werden immer so erzogen, als wenn sie recht tüchtige Juden werden sollten. Sie müssen alle hebräischen Mythen auswendig lernen, doch von der deutschen Vorzeit hören sie nichts!"

Eine reiche Fülle von Namen läßt sich schon aus diesen wenigen angeführten Elementen zusammensetzen oder ableiten und danu wieder auflösen und erklären. Da ziehen sie vor unserm geistigen Auge vorüber, die Recken der Vorzeit, die Siegfried, Gunther, Dietrich, Hugdietrich, Wolfdietrich, Rotherich, Rother, Walther, Gundomar, Thiodolf, Wigolf, Guntram, Hildebrand und Hadubrand, Volkmar, Diethelm und wie sie alle heißen, und geben uns ein Bild, eine Ahnung von dem, was unsere Altvorderen waren in altersgrauer Vorzeit.

Das eigenste, was der Mensch besitzt, das ist sein Name. An dem Laut desselben erwacht sein Bewußtsein, und wenn schon längst Gras über seinem Hügel wächst, so lebt das Andenken noch fort in seinem Namen. Je weiter wir in das Alterthum hinaufsteigen, um so zahlreicher und um so sinnvoller werden die Namen. Ihren Stolz wie ihre Sehnsucht, ihren Glauben und ihren Aberglauben, ihre ganze Lebensanschauung legen ursprüng­liche Völker in ihren Namen. Und all das spiegelt sich treulich wieder in den altgermanischen Personenbenennungen.

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Auch der Glaube spielt seine Rolle bei unserm Gegenstand. Wenn auch nicht die Götternamen selbst den Menschen beigelegt wurden, so doch Zusammensetzungen, welche Beziehungen zu den Ewigseienden" aussprechen, wie Frowin, d. i. der Freund des Gottes Fro, Godwin ist der Gottesfreund im allgemeinen; Oswald deutet auf Asen  , die Bezeichnung der Himmelsgötter, hin, und Alfred und Alberich   hängen mit den Alfen oder Elfen zusammen. In modernen Adreßbüchern kann man noch weitere Spur davon finden; so habe ich in verschiedenen den alten Sturmriesen Fasold angetroffen.

Thusnelda  , den Namen der Gattin Armins, der die Schlacht im Teutoburger Walde gewann, erklärt Grimm als Thursinhild, d. i. Riesenkampf, und die Riesen, die in den meisten Religionen eine große Rolle spielen, sind in der Regel nichts anderes als Sinnbilder der rohen Naturgewalten, älteste Götter, die schon in heidnischer Zeit von mehr innerlich aufgefaßten Göttergestalten aus ihren Himmeln gestürzt wurden. Eine höhere Gesittung brachte edlere Götterpersönlichkeiten mit sich, und wenn die Römer später jede Tugend allegorisch zu einer persönlichen Gottheit er­hoben, so ging freilich nach der andern Seite den Göttern immer mehr ihre Persönlichkeit verloren.

Bei Betrachtung dieser mit altheidnischer Religion zusammen­hängenden Namen tragen wir nach, daß unsere Ueberschrift Taufnamen ihre Berechtigung wohl hat, indem die Taufe nichts spezifisch Christliches ist, sondern eine rechtlich- religiöse Ceremonie, bei der symbolisches Besprengen des zu Taufenden mit Wasser, eine Abwaschung, auch bei den alten Germanen stattfand. Auch waren den christlichen Bathen entsprechende Taufzeugen dabei anwesend, deren Namen häufig dem Kinde beigelegt wurden, meist die des Oheims von mütterlicher Seite oder des Groß vaters, welche besonderen Einfluß auf den jungen Erdenbürger erhielten. Auch kam es vor, daß man von zwei Namen je einen Bestandtheil nahm und diese zu einem neuen zusammenseßte, wie denn fast alle ältesten Namen zusammengesetzte waren, obgleich auch einstämmige, wie z. B. Karl u. a. m., sich finden. Wie frühe aber schon die Namen in ihrer Bedeutung nicht mehr ver­standen wurden, beweist der Umstand, daß oft zwei solche zu sammengesetzte Theile sich einander aufheben, wie z. B. in dem Mädchennamen Fredegund  , d. i. Friede- Krieg oder Krieg- Friede!

Die legtbehandelte Gruppe von Namen bildet den passenden Uebergang zu der folgenden, welche auffam, als ein neuer Glaube Mode wurde in Deutschlands   Gauen. Als die alten Heiden­

Das bischen Teutonismus wollen wir mit in den Kauf nehmen, das Wort hat ein Korn Wahrheit. Kirchliche, biblische und reli­giöse Namen, d. h. hebräisch- griechisch lateinische, wurden massen­haft eingeschleppt. Am frühesten der Drachentödter Georg, hinter dem der Deutsche   so ein Stück Siegfried schmecken konnte, der ja auch Drachen getödtet hat; dann Johannes, wegen seiner privilegirten Stellung unter den zwölf Aposteln, als der, den der Herr lieb hatte". Am zahlreichsten hielten diese Fremdlinge ihren Einzug in der Zeit nach der Reformation, die Josef, Johann, Jakob, Matthias beginnen immer häufiger zu werden. Daneben­her gehen Neubildungen in ächter, deutscher Form, Traugott, Leberecht, Fürchtegott und ähnliche mehr.

Bei größerer Völkerbewegung wanderten auch viele andere fremde Namen bei uns ein. Die Namen verdienter und be­rühmter Männer wurden begreiflicherweise um ihres ehrenvollen Klanges willen zunächst aufgenommen, wie man umgekehrt ver­haßte Namen nicht wohl gern seinem Kinde beilegen mochte: Nero hat es zwar zum Hundenamen gebracht, als Personen­name ist er wohl nicht häufig gebraucht worden, ebenso wenig Judas  , wegen des verrätherischen, geldgierigen Judas Ischarioth  , der Christus verrieth. Hier waltete nur, wie in anderen Dingen auch, übermächtig die Göttin Mode, die schon in alter Zeit eine große Rolle spielte. Wilhelm war im 12. Jahrhundert ein in Frankreich   sehr beliebter Name; als ein Herzog von der Normandie  auf den Einfall kam, seine gleichnamigen Gäste allemal an einen Tisch zusammenzusetzen, saßen an dem Wilhelmstisch 110 Personen, und da waren nur die Edlen, nicht aber ihre Leute mitplacirt. In der Zeit des Humanismus wurden große Namenanleihen bei den alten Griechen und Römern gemacht und es wimmelte in deutschen Gauen von Leuten, die Cäsar, Achilles, Scipio, von Mädchen, die Dorilis, Amaryllis und ähnlich hießen. In der Zeit der Verwelschung Deutschlands  , vom dreißigjährigen Krieg und weiterhin bis zu Goethe's   Zeit, waren die durch den fran­ zösischen   Schmelztiegel gegangenen griechischen und lateinischen Namen besonders nobel. Da begegnen uns in Leben und Dich­tung auf Schritt und Tritt die Horace, die Leander, ja auch ein Herr Alceste ist von da zu uns gewandert, den es sonst nie gegeben hat, da das Griechische, woher dieses Monstrum stammen soll, nur den Frauennamen Alkestis kennt! So gehen mit Ueberkultur allemal Sprachverderberei und Sprachbarbarei Hand in Hand. Hier war eben die deutsche Gründlichkeit in die Brüche gegangen, wie ich schon einmal bei den Fremdwörtern zu zeigen Gelegen­heit hatte. Im Gegensatz zu diesen vornehmen Herrschaften finden wir als Bezeichnungen für den gemeinen Mann" Namen wie Hinz und Kunz, die Abkürzungen von Heinrich und Konrad, und Scherzbildungen wie Stax und May; diese an Schimpf­namen grenzenden Benennungen waren für den Pöbel da, für den jene zu gut waren! In manchen Dichtungen steigt denn auch nicht selten ein solcher feiner, patschuliduftender Leander von seinen Höhen herab, um einem guten dummen Stay Hörner auf­

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