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Der eigenthümliche Charakterzug an Kampunzus Dorfe waren zwei Reihen Schädel, die 10 Fuß von einander die ganze Länge des Dorfes durchliefen, etwa 2 Zoll in die Erde gedrückt, die Cerebralhemisphären nach oben, ausgebleicht und weiß vom Wetter glänzend. Der Schädel waren 186 an der Zahl in diesem einen Dorfe. Mir schienen sie menschlich, obwohl manche eine außer ordentliche Erweiterung der Hinterhauptstheile, andere der Seitenwandknochen hatten und die Stirnbeine ungewöhnlich niedrig und zurücktretend waren; aber die Näthe und der allgemeine Anblick der größten Zahl von ihnen war so ähnlich dem, was ich eben für menschlich hielt, daß ich meine Hauptleute und die Araber fragte, was diese Schädel wären. Sie erwiderten: ,, Sofos"- ( vielleicht Chimpansis? fragt Stanley selbst in Parenthese und fährt dann fort:) Sokos vom Urwald?" ,, Sicherlich!" antworteten sie alle. Bringt mir sogleich den Häuptling von Kampunzu!" sagte ich, nun aufs höchste interessirt zufolge der Wunderberichte, die Livingstone mir ebenso wie die Eingebornen von Manjema darüber gegeben hatten.
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Der Häuptling von Kampunzu, ein langer, starkgebauter Mann von etwa 45 Jahren, erschien, und ich fragte ihn: Mein Freund, was ist das da, womit Ihr die Straßen Eures Dorfes geschmückt habt?" Er antwortete: Njama"( Fleisch). Njama! Njama wovon?" ,, Njama vom Walde." Walde! Was für Zeug ist denn dies Njama vom Walde?" ,, Es ist ungefähr von der Gestalt dieses Jungen."( Dabei zeigte er auf meinen Flintenträger Mabruki, der 4' 10" hoch war.) ,, Es geht herum wie ein Mensch und geht an einem Stock; damit schlägt's an die Bäume im Walde und macht abscheulichen Lärm. Diese Njama essen unsere Bananen und wir jagen sie, schlagen sie todt und essen fie." ,, Sind sie gutes Essen?" fragte ich. Er lachte und erwiderte, sie wären sehr gutes! Würdest du jetzt einen essen, wenn du einen hättest?" ,, Gewiß würd ich's. Soll ein Mensch Fleisch zurückweisen?" ,, Gut, sieh her! Ich hab' hier hundert Cauris( afrikanische Zahlmuscheln). Nimm deine Leute und fang' einen und bring' ihn mir lebendig oder todt. Ich brauche nur seinen Schädel und sein Fell. Das Fleisch kannst du behalten!"
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Kapunzu's Häuptling brachte mir, ehe er mit seinen Leuten auszog, ein Stück vom Fell eines Soko, welches wahrscheinlich den Rücken bedeckt hatte. Der Pelz war dunkelgrau, mit zoll langem Vließ, die Haarspitzen weißlich; eine Linie von dunklerem Haar bezeichnete das Rückgrat. Dies, versicherte er mir, war ein Stück Sokohaut". Er zeigte mir auch eine Kappe daraus, die ich kaufte.
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Abends kam der Häuptling vom Jagdzug erfolglos zurück. Er wünschte, wir möchten zwei oder drei Tage bleiben, damit er Fallen für Sokos lege, da sie unstreitig nachts die Bananen besuchen würden.
Da ich soviel Tage zu warten nicht Zeit hatte, erwarb ich mir für einige Cauris den Schädel von einem Männchen und von einem Weibchen.
Diese zwei Schädel wurden später glücklich und heil nach England gebracht und Prof. Huxley gezeigt, der sie folgender maßen beurtheilte:
Der eine gehörte einem etwa 30jährigen Manne, der andere emnem über 50jährigen Weibe. Der Mannsschädel zeigt alle charakteristischen Eigenthümlichkeiten des Negertypus, einschließlich eines starkausgeprägten, doch nicht ungewöhnlichen Grades von Prognathicismus. Am Weibesschädel ist die einzige Merkwürdigkeit eine ziemlich ungewöhnliche Breite der vorderen Najenöffnung im Verhältniß zur Höhe, wonach die Nasenlöcher wohl etwas weiter seitwärts gestanden haben mögen und die Nasenspize selbst ein wenig flacher als sonst gewesen sein mag. Der Inder beider Schädel ist 75. Nichts an diesen Schädeln rechtfertigt die Annahme, daß ihre ursprünglichen Eigenthümer in irgend bemerkenswerthem Grade sich vom gemeinen afrikanischen Neger unterschieden."
So hat durch obiges Gutachten mich Prof. Hurley mit dem Beweis überrascht, daß die Kampuuzuleute Sannibalen waren; denn wenigstens die Hälfte der von mir gesehenen Schädel trug die Spur einer Hacke, die in den Kopf getrieben war, als die Opfer noch lebten.
Soweit Stanley's Bericht über die tiefststehende Menschensorte, die bis jetzt irgendwo gefunden worden ist.
Bedauern wir zunächst, daß Stanley nicht Zeit hatte, zwei oder drei Tage zur Lösung des größten anthropologischen Problems der Gegenwart zu verwenden, woraus ihm übrigens kein
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Vorwurf zu machen ist, da er im ersten Moment wohl nicht die Wichtigkeit der Entdeckung zu ahnen vermochte und überhaupt nur, wer selbst schon in solchen Reisenöthen, wie er, gesteckt hat, über seine Ungeduld, weiterzukommen, eine richtige Vorstellung hegen kann: so muß doch sogar bei den geringen vorliegenden Einzelheiten für unsern gegenwärtigen Zweck anerkannt werden, daß der Bericht des bewunderungswürdigen Reisenden manchen Zweifel über die Zustände des Urmenschen lichtet. Haarig war nach Stanleys Gewährsleuten das Fell des Soko selbst auf dem Rücken; aufrecht ging er an einem Stock, wie man gern die Urangutang malt. Beides hebt die Möglichkeit auf, auch die legte, den Urmenschen des großen Denkers Lazarus Geiger noch auf unserm Planeten zu finden.
Solange aber kein bäumedurchkletterndes, ganz und gar werkzeugloses Menschthier ohne Sprache gefunden ist, bleibt es selbst nur Hypothese. Gäbe es unter den Reichen und Fürsten Anthropologen, begeistert genug, um einige hunderttausend Reichsmark an die völlige Lösung dieses Problems zu wenden, so könnten wir in drei Jahren mehr wissen.
Vorläufig bleibt dem Grübeln und Träumen Spielraum und mehr als träumerisch ergrübelte Annahme ist der Urmensch Geigers nicht.
Nur auf eins in betreff unserer wiederholten Aufstellung ungewohnt großer Zahlen für die Existenzdauer des Menschen muß man hier hindeuten:
Wenn die Soko sich unter den viele Jahrtausende alten Negerrassen noch bis heute unvermischt als Halbthiere, wie eine Art Jagdwild erhalten haben, so muß die Entwicklung auch nur von ihrem Urzustand bis zu den Lebensverhältnissen der kannibalischen Neger an eine jahrzehntausendelange Dauer heranreichen, wonicht noch eine größere Zeit umfassen.
Troß alledem bleibt jedem der Zweifel unbenommen, ob die heutige Anthropologie nicht doch auf Irrwegen wandle.
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Die sogleich zu erörternde Annahme eines versunkenen Erdtheils als Urheimath des Menschthiers oder„ Mannthiers"( wie Rollenhagen uns im Froschmäusler" tauft), bleibt eben Annahme. Die Stufenfolge der Lebensweisen vom Baumfruchtesser und Holzwaffenträger zum Jäger und Fischer( den einzigen heut vorhandenen Urzuständen) bleibt immer nur hypothetisch, bis die Njama Soko in Europas Menagerien gezüchtet und beobachtet werden.
Von der Beobachtung solcher Urthiermenschen erst ließe sich Aufschluß über die Ahnen des jeßigen Menschen erwarten. Bis dahin, daß Genaueres aus Afrika uns bekannt wird, genügen wohl dem ruhigen Skeptiker rein hypothetische Folgerungen aus Analogieen; aber um feinen Preis soll ein historischer Virchow kommen und sagen: wir lehrten hier als Ergebniß, was nur Annahme ist und sein darf!
Die Hypothese von einem unbekleideten, sprach und feuerlosen Baumklettermenschthier zwingt zur Annahme eines Heimathflimas von unerschöpflicher Fruchtbarkeit. Diese Urheimath der Spezies homo sapiens glaubt man nun im Indischen Ozean gefunden zu haben, wörtlich im Ozean. Nämlich verschiedene Gründe lassen darauf schließen, daß die Stille See und das Indische Weltmeer über einem untergefuntenen Kontinent fluthen, dessen Reste noch Celebes und Madagaskar wären. Man nimmt nun an, hier auf diesem versunkenen Urfestland habe das menschenähnliche Affengeschlecht seine Heimath gehabt, welches man die Lemuren nennt. Nach ihnen heißt also ein hypothetischer Erdtheil der Urzeit ,, Lemurien". Er war der Sig des Urmenschen.-
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Als nun nach Jahrmillionen"( wie muur furzweg ein Straßenarbeiter in Rom einmal die Zeit von Casar bis heute vorrechnete!) Menschen sich hordenweis zusammengeschaart hatten, da erfand der Urmensch( wie die italienische Ameise-!-] das Mälzen und Gährenlassen oder mit einem Wort- den ,, Unsterblichkeitstrant". Denn unsterblich erschien sich der berauschte Wilde mit seiner geheimnißvoll gesteigerten Lebenslust und Seelenthätigkeit im Rausche. Das Bereiten dieses Amrita( indisch) oder Ambrosia( griechisch) genannten Wundertranks geschah mit Hülfe eines bohrenden Stabes. Nun aber hatten schon längst außer Holzstücken und Fruchtschalen auch Steine zu Werkzeugen gedient. Das Zubereiten der weicheren Steine vermittels des harten Feuersteins führte bald auf die geheimnißvolle Natur des letteren, die ihm seinen Namen gab: das Funkensprühen.
Man dichtet nun, die lahmen und kranken Mitglieder von Urwelthorden seien zu Hause geblieben, während der übrige Stamm auf Beute ausging, um ihrerseits für die kräftigeren