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Heroen der Horde Waffen aus Stein und Holz zu bereiten. Da hätten die armen Verachteten, diese oft( wie noch heute bei Pescheräh und Alfuru) mißhandelten Lahmen das Feuer­bereiten gelernt und als lahme Vulkane und Wielande" auch Erz und Kupfer zu schmieden begonnen.

Alle Poesie und Religion der Urzeit( beides war in der Ur­zeit eins: Poet war selbstverständlich Prophet und Gottesherold) also alle Poesie und Religion der Urzeit bewegte sich um Feuer und Feuertrank. Davon wimmeln die Mythen und mythischen Lieder. Hierauf beziehen die modernen Mythologen alle Urreligion. Abbild nur des irdischen Feuerbereitens, Feuer trankbrauens, Berauschens und Polterabendgelärmes war das Gewitter am Himmel; die oberen Götter waren nur höher­gehobene Menschen, anfangs vielleicht kaum erhabener als die Erdsöhne. Dann erst, allmählich, erlangte das Kind die Vor­stellung: jene dort hoch existirenden Wesen sind nicht nur höher, sondern auch besser, jedenfalls stärker, als wir. Da trat das Bild der Sterne, des Mondes, der Sonne hinzu, um den Glau­ben zu wecken, daß droben himmlisch verklärt die eigenen Ahnen des Erdmenschen aus der irdischen Gruft aufstiegen zum glän­zenden Himmel.

Doch nicht roh genug denken darf man sich die Urreligion. Der Schamanismus in Nordasien   ist noch Gold gegen den rohen Fetisch­glauben der rohesten Erdbewohner der Gegenwart. Wie roh mag erst vor Jahrhunderttausenden diese Uranfangsreligon des Gestirn und Feuerdienstes gewesen sein.

Auch Baum und Stein blieb bis in die neueren Zeiten heilig, sowie es gewisse Thierarten noch sind.

Storch z. B. und Schwalbe genießen bis heut unsere unwill­fürliche, halb abergläubische Achtung und Schonung. Der Specht ist auch ein solcher geheiligter Blizvogel, der die Wünschelruthe findet und verschlossene Räume durch sie aufspringen macht; in Italien   ward er abgöttisch verehrt.

Bei unseren Bauern im protestantisch aufgeklärten Nord­deutschland gibt es noch zahlreiche Anklänge an die heidnische Urreligion der Indogermanen; danach urtheile man, was sich in anderen Gegenden erst recht von solcherlei Aberglauben alles mag erhalten haben. Sagen und Märchen sind Ueberbleibsel der alten Urreligion und in den Erzählungen der Bibel z. B. von Simson, Esther u. a. will eine weitverbreitete Schule von Mythologen geheime Reste derselben entdecken.

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Wir lassen uns hierdurch nicht im geringsten mehr beein­flussen als durch andere Hypothesen. Die Geschichtsforscher sehen z. B. in den 7 Königen Roms alte Mythen, worüber dann unser Philosoph Hegel   seinerseits wieder sehr ungehalten ist. Die Wissenschaft schwingt eben wie ein Pendel hin und her, damit das Zifferblatt der allgemeinen Bildung den Zeiger Aufklärung nach langen Zeiträumen um eine Sekunde vorrücken sehe. Was aber jetzt auf Erden sich zeigt, kann unmittelbar den Fingerzeig ab­geben für die Vergangenheit. Wir schließen daher unsere An­Wir schließen daher unsere An­deutungen mit einem Hinblick auf die Gegenwart. Gegenwärtig unterscheidet man die Menschen am sichersten oder, besser gesagt am wenigsten unsicher nach dem Schädel und seiner Behaarung. Die wollhaarigen Rassen sind langschäd­lig und haben vorspringende Kiefern, heißen also dolichocephale Prognathen. Die Schlichthaarigen, welche das Gegentheil( des Orthognathismus) auszeichnet, zerfallen ihrerseits in Straffhaa­rige, deren stets dunkles Haar ungefähr wie Pferdemähnen glatt herabfällt, und in Lockenhaarige, die bald auch schwarz, wie jene, bald aber blond sind. Da nun im äquatorialen Afrika   und Australien   die erstere Gattung überwiegt, d. h. in jenen Erd­gegenden, wo die Lebensweise der paradiesisch arbeitlosen am nächsten kommt und wegen der überreichen Naturfülle am näch ſten kommen darf: so kann man sich schwer der Hypothese ver­schließen, daß in diesen Wollköpfen mit vorstehendem affenhaften Gebiß, also ebensowohl in den Büschelhaarigen( Hottentotten, Papua 2c.) als in den Vließhaarigen( Kaffern und Negern), sich die älteren Sorten der Menschthiere erhalten haben während hiergegen die eigentlichen Australier und die Feuerländer, sowie auch die Eskimos oder Innuit, Aino und Kamtschadalen sammt den anderen Umwohnern des nördlichen Eismeers bereits einen förperlichen Fortschritt anzeigen, der sich im gemäßigten Klima Amerika's und Asiens   bei Malayen, Mongolen und Mexikanern, Peruanern und sonstigen Indianern auch zu geistigem Fortschritt entwickelt hat.

Aber solche Annahmen bleiben jehr gewagt. Jm reichgeseg­neten Centralafrika fanden unsere Reisenden, wie Heinrich Barth  

u. a., schöngebildete Neger und blühende Negerstaaten, wie sie darzustellen den Indianern nie gelang. Es kann daher kein un­trüglicher Schluß aus den Rassenähnlichkeiten und Rassenunter­schieden gezogen werden, um die historische Entwicklung der Menschheit daraus herzuleiten.

Nicht minder unzuverlässig für die Urgeschichte sind die Be­weise, die man aus der Sprachverwandtschaft gern entlehnen möchte. Das einsilbige Chinesisch enthält eine so reiche Literatur, daß Jakob Grimm   es getrost mit der fast auch wieder einsilbig gewordenen, fast flexionslosen englischen Kultursprache zusammen­zustellen wagte. So stehen sich beide Sprachen als Anfang und Ausgang der menschlichen Sprachentwicklung gegenüber. Wo ist da fester Boden zur Beweisführung über Uralterthumsbeginn? Indessen gibts hier doch Fingerzeige. Die einzigen wahrhaft flectirenden Sprachen sind die semitischen und die arischen. Nun kann man sagen: die ganze Weltgeschichte beginnt mit der Be­siegung der semito- hamitischen Kulturvölfer in Vorderasien und Ostafrika   durch die arischen Perser und Griechen; sie dreht sich dann lange Zeit um den Weltkampf zwischen dem semitischen Carthago und dem arischen Rom   und dieser Weltstreit erneuert sich in den Kreuzzügen, die den letzten Versuch der Semiten, als arabische Moslemine sich zur Weltherrschaft zu erheben, vereitelten. Neben diesen zwei Hauptarten der lockenhaarigen Mittelmeerrasse spielten die straffhaarigen Mongolen und finnisch- tatarischen Step­penvölker nur immer die Rolle der räuberischen Kulturstörer.

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So ahnt man gewissermaßen, daß jede Menschenart sich in einer höchsten Kulturform auszuleben verstand, wie etwa Insekten in der Gattung Ameise, Dickhäuter im Elephanten. Ist es nun auch erklärlich, daß die höherstehende Art vor der niedern einen gewissen natürlichen Abscheu empfindet, daß der menschliche Neben­buhler im Kampf ums Mehrsein" gradeso tödtlich bekämpft wird, wie im Thierreich der Wettbewerber ums ,, Dasein", so muß doch der wahrhaft hochgebildete Mensch diese instinktive Reflexbewegung in sich selbst überwinden und alle Seinesgleichen mit gleicher allgemeiner Menschenliebe" umfassen. Dann allein erhebt er sich wahrhaft aus den rohen Urzeitzuständen, in denen jeder ,, Gast" gehaßt ward, jeder hospes für hostis galt, d. h. jeder Fremde für einen Feind!

Aber

Ob wir aus dieser Urzeit schon ganz herausgetreten sind, kann zweifelhaft scheinen, und manche Geschichtbetrachter finden feinen innern wesentlichen, sondern höchstens einen Gradunterschied zwischen jener und der Gegenwart. Noch immer herrscht Mytho­logie mit fanatischer Ausschließung jeder anderen in den Köpfen der Millionen, noch immer bekämpfen sich stammverwandte Völker mit ,, patriotischer Schwachheit" des Urtheilsvermögens. noch schlimmer als dieser unverändert gebliebene Charakter der Religions- und Staatsgeschichte seit 5000 Jahren scheint uns der Rassenhochmuth, gegen den im englischen   Indien   wie im portugiesischen   Afrika   und im angelsächsischen   Amerika   vergebens der Eifer christlicher Missionäre und wissenschaftlicher Forscher ankämpft. Ein wesentlicher Fortschritt wäre erst dann erreicht, wenn alle Europäer wenigstens brüderlich einträchtig ihr gemeinsames Wohl gemeinsam arbeitend fördern wollten, und wenn sie wenigstens jedem Rassenhochmuth entsagen, alle Mit­bewohner der Erde als Verwandte, ob auch immerhin zum Theil recht arme Verwandte, ansehen wollten!

Kann die Betrachtungsweise der gegenwärtigen Wissenschaft vom Urzustande der Menschheit" zu solchen Ergebnissen führen, kann als letzte Schlußfolgerung ihr die Nothwendigkeit allgemeiner Verwandtenliebe wie ein unwidersprechliches Ariom entspringen, da nämlich alle Menschen doch ursprünglich einer Art sind, und nur durch gegenseitige Förderung zu besseren Zuständen kommen konnten und kommen können, so müßten die Gegner unserer Wissenschaft, die auf dem Boden engbegrenzter, hebräisirend­scholastischer Anschauungen stehen, sich wenigstens mit unserem Endgedanken einverstanden erklären. Denn dieser stimmt, nur anders ausgedrückt, mit dem ihren überein. Gemeinschaftlicher Feind beider Parteien ist einzig der Pessimismus, der jeden Fort­schritt der Menschheit leugnet. Aber eine dem blasirt- frivolen Es ist alles eitel" sich entgegenstemmende Gedankenreihe führt allemal zu dem Gesetze fortschreitender Geistesentwicklung, wie es Leibniz  , Kant, Lessing, Herder  , Goethe, Schiller aufgestellt und die Heroen unserer Wissenschaft des 19. Jahrhunderts von Geiger und Max Müller   bis zu Noiré u. s. w.fest un­verrücklich aufrecht erhalten haben.

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Berührt sich das opferwillig edle Streben der oft nur in Nebensachen mehr oder minder befangenen, religiös Gläubigen,