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mern so freundlich! Es ist mir so wohl ums Herz und ich| dern ob er überhaupt befähigt ist. Ich glaube nicht, daß Sie denke an die schönen Augen und die liebe, liebe Gestalt. Wann werde ich sie wohl wiedersehen?

Ich habe doch etwas Glück. Der Vater des Knaben, für den ein Lehrer gesucht ward, bittet mich in einem Briefe um einen Besuch. Die Schreibart und das Briefpapier deuten auf eine vornehme Persönlichkeit. Von Berlin   auch einen langen Brief erhalten. Der Heldentenor und der pommersche Gutsbesizer haben mich nicht vergessen. Es hat schwer gehalten, die Stunden ertheilen zu dürfen. Man hielt mich für einen Studenten, weil ich sagte, daß ich mich der Erholung wegen hier aufhalte. Ich entwickelte sodann in einigen Säßen meine Methode und meinen Plan der Erziehung und fand bei Herrn Weise volle Zustim Wir sprachen dann noch über andere wissenschaftliche Dinge, und als ich beiläufig mein Bedauern aussprach, daß es mir versagt gewesen sei, die Universität zu besuchen, merkte ich, wie plöglich die Sympathie Weise's für mich erblaßte. Ja, was Sie sagen?! Sie haben nicht studirt?" rief er erstaunt. Das ändert die Sache! Dann, glaube ich, wird es Ihnen doch schwer werden, meinen Sohn an das gewünschte Ziel zu bringen!" Als Weise ausgeredet, erwiderte ich, sichtlich mißgestimmt: Ich glaube, in Ihnen einen vorurtheilslosen Mann zu sehen, der nicht darnach fragt, wie jemand eine Fähigkeit erlangt hat, son­

Forschungsfahrten im nördlichen Polargebiet. Geschichtliche Zusammenstellung von Dr. M. Traufil. ( Fortsegung.)

Am 6. Mai 1859 fand Hobson   mit seinen Leuten auf Point Victory einen Steinhaufen, unter welchem eine kleine Zinnbüchse lag. Er öffnete diese Büchse und fand in ihr ein von Crozier und Fißjames, den beiden Offizieren Franklins, herrührendes Schriftstück vom 25. April 1848, worin es hieß, der Steinhausen sei von Franklins Leuten auf­gerichtet worden. Die beiden Schiffe Franklins hätten den ersten Winter bei Beechy- Island zugebracht, nachdem sie bis zum 77. Grad nördlicher Breite vorgedrungen wären. Am 11. Juni 1847 sei Sir John Franklin  gestorben. Am 22. April 1848 hätten die Schiffe, weil sie im Eise fest­gesteckt, verlassen werden müssen, und der Bestand der Mannschaft, 115 Mann, sei unter Crozier gelandet, um nach dem Great Fish River fortzugehen. Neun Offiziere und fünfzehn Mann der Expedition seien bis zum Datum des Schriftstückes gestorben. Von den Eskimos erfuhr man, daß eins der verlassenen Schiffe vom Eise erdrückt, das andere aufs Ufer geschoben und von den Eingeborenen als herrenloses Gut ausgebeutet worden sei. Rings um den Steinhaufen, den Hobson   ver­geblich von seinen Leuten umwerfen ließ, lagen Kleidungsstücke, Schiffs­geräthe, Schaufeln und dergleichen.

Die Nachforschungen auf einer über 800 Meilen weiten, unbekannten Landstrecke wurden fortgeseßt, und endlich fand Hobson   unter 690 9 nördlicher Breite und 990 17' westlicher Länge auf festem Boden ein großes Boot mit zwei menschlichen Gerippen, vielen Kleidern, fünf Taschenuhren, Messern, Gabeln, Pulver und Blei, Chokolade, Thee und Tabak, ein Doppelgewehr, einen Medizinkasten, Bogen und Pfeile. Die Knöpfe an den Kleidern waren die der englischen Kriegsmarine. Hierzu brachte M'Clintock einen bei den Eskimos gefundenen Kompaß und verschiedene andere europäische Utensilien. Alles dies befestigte in den Suchern die Ueberzeugung, daß sowohl Franklin als seine Gefährten nach und nach Opfer ihrer Forschungslust geworden seien, und da auch sie nicht weiter ins Polarmeer vorzudringen vermochten, so kehrten sie mit der traurigen, aber hinfort beruhigenden Botschaft nach England zurück. Kapitän M'Clintock hat in dem öffentlichen Vortrage der Geo­graphischen Gesellschaft in London   sich dahin ausgesprochen, das Ver­schwinden des größten Theils der Mannschaft Franklins erkläre sich durch das große Thauwetter des Jahres 1848, welches die arktischen Landregionen mit einer neuen Eisdecke versehen habe, worunter Franklin mit seinen Gefährten ruhe.

Die Schrecken der Schlachtfelder erscheinen gegen die Gefahren, welchen die Reisenden in den Polarländern ausgesezt sind, fast wie Kinderspiele. Als die Versprengten der großen Armee" 1812 bei ihrem Rückzuge aus Rußland  , hungernd und zum Tode ermattet, in Schnee und Eis versanken, erhielten sie einen Vorgeschmack von den Schauern der Eisfelder, welche sich im Norden Asiens   und Amerikas  tausende von Meilen weit erstrecken. Muß der Tod durch eine Kugel oder einen Degenstoß auf dem Schlachtfelde nicht als eine Gunst des Schicksals gelten gegen den furchtbaren legten Kampf mit Hunger, Kälte und Trostlosigkeit, welchen Franklin mit seinen treuen Gefährten erlag? Durch die Franklinsucher Inglefield, Collinson, Kane, Anderson und Stewart ist die nordwestliche Durchfahrt gefunden, aber als durchaus unbrauchbar erkannt worden; alle späteren Expe= ditionen erstrebten eine wissenschaftliche Erforschung der Polarregion und als Endziel die Erreichung des Nordpols.

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Schon früher haben die Vereinigten Staaten Nordamerika's sich um die Erforschung des hohen Nordens unvergeßliche Verdienste er­

der Ansicht sein können, die Universität schaffe aus nichts befähigte Köpfe, und daß alle, welche von der Universität kommen, auch das Privilegium der Weisheit mitbringen. Schließlich denke ich, daß ein gerechter Mann erst prüfen solle, ehe er ein Verdikt der Unfähigkeit abgibt. Was mich anbetrifft, so habe ich Tage und Nächte geopfert, mein Wissen zu vervollkommnen, und ob ich gleich keine Universität besucht habe, so schätze ich mich doch nicht so gering, um es nicht in dem vorliegenden Fall mit manchem Studirten aufzunehmen, den Sie mir etwa vorziehen werden." Meine ruhige Entgegnung wirkte, man versprach mir eine Probe­ zeit.  - Meine Stimmung ist infolge dieser Affaire, trotz des günstigen Verlaufes, arg niedergedrückt. Die Weisheit geht also durch eine bestimmte Pforte, und ich hätte so nie Gelegen­heit, trotz Fleiß und Willen, eine Stellung, meinen Fähigkeiten angemessen, zu erringen!- O, das wäre ja arg, höchst ungerecht und für einen Philosophen zum Lachen. Soweit ist die Beschränkt­heit und Engherzigkeit noch nicht gekommen, mein lieber Herr Weise, wenn Sie mir auch glauben machen wollen, daß man heutzutage mit Recht auf staatliche Sanktionirung der Fähigkeiten halte, da sich die Mittelmäßigkeit zusehens breit mache und sich überall einzunisten suche, wohin sie nicht gehört. ( Fortsetzung folgt.)

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worben; die Namen Henry Grinnell, Isaak Hayes und Elisa Kent Kane   stehen unverlöschlich eingegraben auf den Geschichtstafeln der arktischen Entdeckungsfahrten. Seit dem Jahre 1861 aber, nachdem inzwischen Schweden  , Deutschland   und England verschiedene Nordpol­Expeditionen in die Welt des ewigen Eises entsandt hatten, trat Amerika  , mit schweren politischen und sozialen Fragen beschäftigt, erst nach mehr als einem Dezennium der Polarforschung wieder näher. Ein bewährter, an die Beschwerden und Gefahren, die Drangsale und Ent­behrungen einer arktischen Kampagne gewöhnter, durch unerschütterliche Energie ausgezeichneter, leider jedoch wissenschaftlich nicht hinlänglich gebildeter Reisender, Seekapitän Franz C. Hall, war es, der endlich den Anstoß gab zu einer neuen amerikanischen   Nordpolexpedition und den Kongreß von Washington   für das Unternehmen zu gewinnen wußte. Natürlich ward er zum Führer der Expedition ernannt, die am 29. Juni 1872 mit dem Auslaufen der Polaris" aus dem Hafen von Newyork   ihren Anfang nahm.

,, Polaris", so hatte man treffend das Schiff getauft, ein kleines Fahrzeug von 387 Tonnen Tragfähigkeit, das auf der Werfte der Kriegsmarine zu Washington   für seine neue Bestimmung durchaus um­gebaut worden war; mit der wissenschaftlichen Leitung der Expedition be­traute man aber einen Deutschen  , Dr. Emil Bessels  , dessen Schilde­rung uns als Quelle bei Abfassung des vorliegenden Artikels gedient hat und der bereits im April des Vorjahres aus Bremen   in Newyork  eingetroffen war, um die wissenschaftliche Ausrüstung des Schiffes zu überwachen.

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Dr. Bessels fand das Schiffsinventar in mustergültiger Voll­ständigkeit und auch die auf eine dreijährige Reise bemessenen Mund­vorräthe zeigten quantitativ und qualitativ von der Fürsorge, die von maßgebender Stelle dem Unternehmen zugewandt wurde. Freilich war es keinesfalls allen Theilnehmern der Expedition eine erwünschte Spe zialität der Polaris", daß diese unter dem wasserfarbigen Wimpel des Mäßigkeitsvereins segelte", mithin etwas kräftigere Herz- und Ma­genstärkungen als Milch und Kräuterthee nur unter falscher Flagge und in kleinen Mengen eingeschmuggelt werden konnten. Als einer sehr wichtigen und nüßlichen Vervollständigung der Polarisgesellschaft müssen wir aber eines Eskimo- Ehepaares gedenken. Dasselbe hatte Hall schon auf früheren Reisen, nach dem Hudsonsbaygebiete und auf einer Schlittenfahrt nach King- Williamsland, begleitet und sollte nun auch bei seiner neuen Forschungstour nicht fehlen. Beide, Joseph und Hanne, waren für ihre Nationalität ziemlich zivilisirt, hatten sie an Bord eines Walfischjägers doch bereits eine Reise nach England unter­nommen, und auch sonst ganz tüchtige und respektable Menschen. Der Mann leistete als Schüße und Jäger Vortreffliches, die Frau, die sich als moderne Dame kleidete, war sogar der schweren Kunst des Schrei­bens mächtig und von den anständigen Manieren einer geistig und ge­müthlich leidlich entwickelten Frau, ihren Gemahl an Wissen überragend, wie denn auch ihre Gesichtszüge nur leise an den Typus ihrer Rasse erinnerten. Beide, Joseph und Hanne, neben welcher der erstere in seiner heimathlichen Eisregion übrigens, nach Volksbrauch, noch eine zweite Lebensgefährtin besaß, standen schon in reiferem Alter und hatten ein achtjähriges kleines Mädchen bei sich, Silvia getauft, von Hanne indeß Pannik genannt, das von dem Paar nach dem Tode ihres einzigen eigenen Kindes adoptirt worden war. Auch die Kleine hatte wenig von der Gesichtsbildung des Eskimo aufzuweisen.

( Fortsetzung folgt.)

Bergfahrt in Lappland.  ( Bild Seite 268 und 69). Der be­rühmte Alpenjäger und Nordpolfahrer Julius Payer   ist der Zeichner der vorliegenden Winterlandschaft, welche uns in den unwirthlichsten