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Theil des skandinavischen Nordens, nach Lappland versetzt. Dieses nördlichste Ländergebiet Europas grenzt gegen Norden an das Eismeer, gegen Süden an das schwedische Norrland und an Finnland , gegen Osten an das Weiße Meer , gegen Westen an Norwegen und zerfällt in das norwegische, russische und schwedische Lappland . Dieses 3810 Quadratmeilen umfassende Areal ernährt faum 20 000 Menschen, denn es ist eine polare Einöde. Der Winter ist lang und streng, der Sommer furz. Der längste Tag dauert in den südlichsten Gegenden 24 Stunden, in den nördlichsten aber drei Monate; ebenso lang ist dann die längste Nacht. Im Sommer ist infolge der sehr kurzen Nächte die Hize sehr groß, und es plagen dann sehr große Mückenschwärme Menschen und Vieh. Der Boden eignet sich nur in den südlichsten Gegenden des schwedischen Lappland zum Anbau. Pferde, Rindvieh und Schafe finden sich nur bei den Kolonisten; der Lappe züchtet nur Renthiere. Von wilden Thieren gibt es Wölfe, Bären, Luchse, Füchse, Marder, Hermeline, Fischottern und Hasen; Zugvögel und wildes Geflügel, sowie Fische sind in Menge vorhanden. Die Lappen gehören zum finnisch- ugrischen Volksstamm( dessen Urheim ungarische Forscher im Altaigebirge Innerasiens gefunden haben wollen); doch sind sie hinsichtlich ihrer Körpergestalt von den stammverwandten Finnen, Magyaren und Türken sehr verschieden. Sie sind beträchtlich kleiner als die übrigen Bewohner Skandinaviens nnd Europas überhaupt. Ihre Größe ist faum 1,6 Meter. Ihr Gesicht ist breit mit spizzem Kinn, großem Mund, vorstehenden Backenknochen, breiter Nase und enggeschlitten, doch horizontal gestellten Augen. Ihr Haar ist dunkelbraun und schlicht, ihre Gesichtsfarbe gelblich. Von Haus aus gutmüthigen und sanften Charakters sind sie infolge des auf ihnen lasten den Drucks träge, feig und mißtrauisch geworden und zeigen sich von dieser Seite besonders der herrschenden Rasse der Skandinavier und Russen gegenüber. Ihre geistige Begabung ist nicht groß, desto größer ihre Handfertigkeit in der Erzeugung ihrer wirthschaftlichen Geräthe. Als Heiden hatten sie keine Priester, wohl aber Zauberer und Wahrsager, die heute noch, trotzdem sich alle Lappen formell zum Christenthum bekennen, einen großen Einfluß ausüben, indem sie den Aberglauben des armen Volkes ausbeuten. Sprachlich bilden die Lappen ein Mittelglied zwischen den baltischen Finnen und den Ostsinnen, welch lettere die Uferländer des Eismeers bis an den Ural bewohnen. Die Lappen gerben Häute, verfertigen Zwirn aus den Sehnen der Ren thiere, weben Decken, stricken Handschuhe, verfertigen hölzerne Geräthschaften, Kähne, Schlitten und die nöthigen Kleidungsstücke. Die Tracht der beiden Geschlechter ist wenig verschieden; sie besteht in einem Belz, Beinkleidern, Schuhen und ist je nach der Jahreszeit von Renthierfell, Filz oder grobem Tuch. Nach ihrer Lebensweise theilt man die Lappen in Renthier- und Fischerlappen, welch letztere die größere Zahl ausmachen und im ganzen viel höher stehen als die ersteren. Die Berglappen führen ein Nomadenleben, indem sie mit ihren Renthierherden umherziehen. Mit Beginn der warmen Jahreszeit ziehen die letzteren nach den Hochplateaus, von wo sie im Herbst mit ihren beladenen Renthieren in das niedrigere waldreiche Land zurückkehren. An einem zum Winteraufenthalt geeigneten Ort wird die Hütte errichtet. Diese ist von festerer Bauart als das leichte Sommerzelt, außen mit Rasen bedeckt, innen mit Renthierfellen bekleidet und wird oft ganz eingeschneit. Die Schilderung der aufregenden Szene unseres Bildes überlassen wir unserem Gewährsmann Bayer: ,, Südlich des Nordkaps( der nördlichsten Spize Europas ) liegt ein einförmiges Gebirgsplateau aus gneis- granitischen Gesteinen, mit Tannen- und Birkenwäldern dürftig bewachsen, im Winter durch große Kälte, im Sommer durch große Hize und Mückenschwärme heimgesucht. Lappen bewohnen das Binnenland, dessen einzige Wasserader von Bedeutung der Tanaelf ist. Wer dieses Land bereisen will, fährt im Sommer in schmalen leichten Booten auf dem genannten Fluß oder reitet zu Pferd über das bergige, sumpfige Land. Im Winter gibt es nur eine Art des Fortkommens, die mittels des Renthierschlittens, welche zugleich die billigste und beste ist. Ein solcher Schlitten( Kjärris) gleicht einem Damenschuh mit kielartig gestalteter Sohle, welch letterer Umstand zwar feine Wendungen und große Schnelligkeit ermöglicht, allein den Insassen auch nöthigt, unausgesezt mittels der Hüften zu balanciren, um nicht herauszufallen. Wer zum erstenmal in einem solchen Schlitten fährt, liegt in der That alle Augenblicke im Schnee, das Renthier ergreift mit dem Fahrzeug die Flucht, wird von den mitreisenden Lappen verfolgt, eingeholt, endlich besänftigt, gestattet, daß der eine Strecke weit nachgeschleifte Reisende wieder im Kjärris Plaz nimmt, ohne daß er damit jedoch seinem Schicksal entgeht, bis zum Abend völlig hüftenlahm zu werden. Der Gebirgslappe, mit dieser Art des Reisens vertraut, entfaltet im Kjärris eine bewunderungswürdige Gewandtheit der Bewegung. Unter seiner Leitung bricht das Renthier gleich einem Hirsch durch mannshohes Dickicht von Weiden oder Eschen ; der Kjärris mit seinem Insassen schwimmt gewissermaßen über das niedergedrückte Geäst hinweg. Eilt
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das Thier in horizontaler Linie über einen selbst ziemlich steilen Abhang, so genügt eine Körperneigung gegen die Berglehne, um dem bootartigen Fahrzeug dieselbe Richtung zu geben; weder Bäche noch Sümpfe, nur Felswände hemmen den Weg. Nicht leicht kann es eine wechselvollere und interessantere Art des Reisens geben als die geschilderte; im Winter ist sie vom Nordkap bis zur Längenmitte Standi naviens, an gewissen Orten noch weiter nach Süden ausführbar. Daß sie, etwa in Verbindung mit Renthier-, Bären- oder Wolfsjagden, noch nicht zum Sport geworden, erklärt sich nur dadurch, daß das nördliche Skandinavien überhaupt noch wenig besucht wird."
Schließlich bemerken wir noch, daß die in den Höhlen von Mittel europa mit den fossilen Ueberresten von Renthieren, Bären und Hirschen untermischten Menschenschädel eine auffallende Aehnlichkeit mit denen der finnischen Rasse haben, welche Wahrnehmung zu der Schlußfolgerung berechtigt, daß die finnischen Ureinwohner von den eingewanderten Kelten, Germanen und Slaven aus ihren Wohnsitzen vertrieben und nach dem höchsten Norden Europas gedrängt worden sind. Dasselbe ,, Recht des Stärkeren" übten die Indianer gegen die finnischen Stammverwandten, die Eskimos, indem sie dieselben in das amerikanische Polargebiet drängten, um ihrerseits wieder von der kaukasischen Rasse besiegt und ausgerottet zu werden. In der Schmiede des Schicksals kann man eben nur SI. Hammer oder Amboß sein!
Zur Frohne tanzen. Unter den mancherlei Frohndiensten, welche in Deutschland zum Theil noch unsere Großeltern verrichten mußten, ist der sonderbarste gewiß das zur Frohne Tanzen, das noch vor Es tamen den hundert Jahren in Langenberg bei Gera üblich war. vierten Tag nach Pfingsten die Bauern männlichen und weiblichen Geschlechts aus den benachbarten Ortschaften zusammen und hielten auf dem Markte unter einer alten schönen Linde den Frohndienst ab: der Stadt- oder Landknecht eröffnete mit seiner Auserwählten den Reigen und die zum Tanz bestimmten in einen Kreis eingeschlossenen Bauersleute mußten dann solange tanzen, bis sie ein Faß Bier ausgetrunken hatten. Den Ursprung dieses Zwangstanzes, der abgehalten werden mußte, mochte das Wetter sein, wie es wollte, schreibt man aus den Zeiten des Kaisers Heinrich des Vogelstellers her. Als dieser einst durch Langenberg reiste und wegen des steilen Weges von den Einwohnern Vorspann nach Leipzig verlangte, weigerten sich die Bauern, Spanndienste zu verrichten, weil sie eben im Tanzen um einen Baum begriffen wären. Hierauf legte ihnen der Kaiser zur Strafe auf, jährlich an diesem Tage zur Frohne zu tanzen. So berichtet eine Zeitung aus dem vorigen Jahrhundert.
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Literarische Umschau.
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Gewerkschaften von Handwerkern und Fabrikarbeitern", von Dr. J. F. Voigt in Hamburg , Verlag von Gustav Fischer, Jena . Diese kleine, zum Theil früher im ,, Hamburger Correspondent" erschienene, zwei Bogen starke Schrift sucht den Nachweis zu führen, daß die Verbindung der Arbeiter in Gewerkschaften eine wirthschaftliche Nothwendigkeit sei und fordert schließlich, daß der Reichstag Bestimmungen in die Gewerbeordnung aufnehme, welche derartige Verbindungen gesetzlich schützen. Der Verfasser geht sogar so weit, zu behaupten nachdem er die Stärke, Zahl, Einrichtungen der von Angehörigen der Sozialdemokratie gegründeten und in Folge des Sozialistengesetes unterdrückten Gewerkschaften erwähnt- daß die Wiederbelebung dieser Gewerkschaften eine gewerbepolitische Nothwendigkeit sei." Er will nicht, daß irgend eine politische Partei mit Hülfe dieser Organisationen ihren stark gelichteten Reihen neue Verstärkungen zuführe; er ist der Ueberzeugung, daß die Unzufriedenheit in den unteren Schichten fortdaure und in Folge der Arbeitslosigkeit noch gesteigert werde und meint: ,, Es handelt sich darum, die in einem Gewerbebetriebe( dieses Wort im weiteren Sinne genommen) Arbeitenden in ihrem Streben zu unterstützen, um sich genossenschaftlich zur Hebung ihrer Interessen zu vereinigen, um sich eine öffentlich anerkannte Vertretung zu verschaffen und um Mittel behufs thunlichst regelmäßiger Beschäftigung und Erzielung auskömmlichen Lohnes zu ergreifen." So könnten wir noch eine Anzahl Stellen anführen, die beweisen, daß der Verfasser das allgemeine Beste im Auge hat. Die Vorschläge zu einer diesbezüglichen Erweiterung der Gewerbeordnung sowohl als auch das Musterstatut für die zu gründenden Gewerkvereine würden allerdings noch manche kleine Veränderung vertragen können, wie wir auch im Interesse einer günstigen Lösung der so wichtigen Frage wünschen möchten, daß die Schrift in mancher Beziehung noch etwas gründlicher wäre. Ihrer Aufgabe, diese Angelegenheit öffentlich anzuregen, hat sie jedoch bestens erfüllt und wir können sie daher allen Denen, welche Interesse am gewerbepolitischen Leben haben und wer hätte dies nicht? bestens empfehlen.
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Inhalt. Dem Schicksal abgerungen, Novelle von Rudolph von B......( Fortseßung).- Betrachtungen über die Gesundheitspflege des Volkes, von. Dr. Eduard Reich( III. Diät). Die Urgeschichte der Menschheit, von Dr. A. Prowe( Schluß). Irrfahrten, von L. Rosenberg( Fortseßung). Forschungsfahrten im nördlichen Polargebiet. Geschichtliche Zusammenstellung von Dr. M. Traufil( Fortseßung). Bergfahrt in Lappland ( mit Illustration). Zur Frohne tanzen. Literarische Umschau.
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Berantwortlicher Redakteur: Bruno Geiser in Leipzig ( Südstraße 5). Expedition: Färberstraße 12. II, Druck und Verlag der Genossenschaftsbuchdruckerei zu Leipzig .
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