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Betrachtungen über die Gesundheitspflege des Volkes.

III. Diät.( Schluß.)

Von Dr. Eduard Reich.

Zu den Würzen rechnet man auch Fett, Kochsalz und Zucker. Die Bedeutung dieser Stoffe im organischen Haushalt ist eine außerordentliche, und die Behauptung, daß man derselben in der Kochkunst entbehren könne, der größte Blödsinn. Ich selbst lebe vegetarianisch und manche Ansichten der Vegetarianer sind mir sehr sympathisch; aber, wenn ich in den Blättern dieser braven Leute lese, man könne vortrefflich ohne Fett leben, man solle nur ja kein Salz genießen u. dgl. m., so weiß ich nicht, ob Die, welche dergleichen niederschreiben und aussprechen, auch gesund im Kopfe sind.

Fett wurde als das vorzüglichste Sparmittel der eiweißartigen Körper erkannt. Dies stimmt überein mit der Thatsache, daß der Mensch im Fortschritte vom Süden zum Norden immer mehr Fett aufnimmt und die nördlichst wohnenden Völker den Thran fannenweise trinken. Der Umsatz der Gebilde im thierischen Haushalte wird um so größer, je mehr man nordwärts geht, weil die mittlere Jahrestemperatur niedriger und der Einfluß der Witterung intensiver sich zeigt. Ob auch die Nationen des Südens weniger Fett aufnehmen, als die des Nordens, so können jene doch der Fettaufnahme nicht ganz entbehren, und wir sehen, daß überall vom Fett als solchem in der Küche und auf der Tafel Gebrauch gemacht wird.

Allzuviel von Fett hat, besonders bei häufiger Aufnahme, für die Verdauungsorgane mancherlei Nachtheile im Gefolge, in dem es die Prozesse daselbst stört, und wird andererseits auch dem Blute unzuträglich, kann verschiedene Vorgänge übel beein­flussen und zu Ablagerungen Anlaß geben. Es gibt Menschen, denen Aufnahme beziehungsweise größerer Fettmengen Bedürfniß ist und welche dieselben wohl auch vertragen. Zu Bestimmung des mit der Nahrung aufzunehmenden Fettquantums dient kein besseres Mittel, als der durch die Erfahrung geregelte gesunde Instinkt.

Manche Menschen gefallen sich darin, den Gebrauch des Koch­salzes unbedingt zu verwerfen. Ich leugne nicht, das allzuviel von Salz, wie jedes allzuviel, bedenkliche Nachtheile für die Ge­sundheit habe; allein ohne Salz ließen die wenigsten Speisen sich verdauen, weil die Salze der meisten Nahrungsstoffe erst mit dem Kochsalz wechselseitig sich umsetzen müssen, bevor jener Zustand erreicht ist, in welchem sie allein assimilirbar sind. Der Mangel an Salz wird demnach zu Störungen in Verdauung, Ernährung und Blutbewegung Anlaß geben und manche Ab­lagerung von Mineralstoffen im Organismus begünstigen.

Zuckeraufnahme ist für den Fortbestand der Gesundheit um so nöthiger, je jünger der Mensch, mit anderen Worten: je rascher sein Stoffwechsel ist. Es kommt durchaus nicht darauf an, Zucker als solchen aufzunehmen, pure denselben in sich hinein zu essen, sondern es ist nöthig, mit den Speisen zugleich die Mengen von Zucker einzuverleiben, deren der Organismus bedarf. Alles, was Zucker und demselben verwandt ist, nüßt dem Organismus unmittelbar und durch seine Zersehungsprodukte, und ist ein Sparmittel der Gewebe. Daher die große Bedeutung der zucker ähnlichen Materien in der Jugend.

Die Frage, ob Alkohol oder, besser ausgedrückt, Branntwein ein Sparmittel der Gewebe. somit unter gewissen Umständen nüßlich sei, muß entschieden verneint werden. Alle Erfahrungen der Kommandanten und Aerzte gehen dahin, daß Kaffee den Sol­daten im Felde mehr nüße, als Branntwein oder überhaupt geistige Getränke, daß er die Nervenkraft erhöhe, ohne die Muskelkraft zu vermindern. Bei Aufnahme von Alkohol macht der Organismus Anstrengungen, um diesen fremden Körper wieder zu entfernen, und entfernt denselben größtentheils in unverändertem Zustande. Hier­bei wird Kraft verbraucht, die wieder durch die Ernährung ge­bildet werden muß. Nun aber haben die alkoholischen Flüssig keiten die Eigenschaft, die Ernährung zu beeinträchtigen, und zwar unmittelbar durch deren chemische Wirkung auf den Prozeß der Verdauung und auf das Blut, und mittelbar durch Ab­schwächung des Nerveneinflusses, indem sie die Nervenmasse zum Theil auflösen und zersetzen.

Hiervon sind die kaffeeartigen Getränke weit entfernt. Die selben wirken begünstigend auf die Verdauung und die Ausschei­dungen, befördern den Umlauf des Blutes und regen das Nerven­

system an. Mäßig genossen, sind Kaffee, Thee und verwandte Aufgüsse demnach sehr nüzliche Getränke, und Chokolade auch sehr nahrhaft. Der Ersatz der Wirths durch Kaffeehäuser ist dringend zu wünschen, denn nicht nur wird durch Gebrauch von Kaffee, Chokolade und Thee , an Stelle berauschender Flüssigkeiten, ungemein viel Leben und körperliche Gesundheit erhalten, sondern die Regungen des Geistes werden größer und von jener seelischen Erschlaffung, welche als Folge des Gebrauches und Mißbrauches Alkohol enthaltender Getränke zutage kommt, ist nicht die Rede. Coca, die man im Amerika des Aequators als Kaumittel und als Aufguß gebraucht, ist nur bei Mißbrauch schädlich, ebenso schädlich, wie in diesem letzteren Falle Kaffee, Thee und Chokolade. Tabat, einerlei ob als Rauch, Schnupf- oder Kaumittel be­nutzt, ist schon bedenklich. Es wäre ein Glück für die Mensch­heit, wenn der sogenannte Tabakgenuß, der in jeder Form eine Unfläthigkeit ist, zur Hölle führe und aller noch vorhandene Ta­bak mit allen Tabaksfabriken, Tabakspfeifen, Tabaksbeuteln, Cigarren, Cigarrenpfeifen, Schnupftabakstosen und Primchen dort im Meere untersänke, wo dieses Medium am tiefsten ist.

Daß diejenigen Schüler eines Kollegiums, welche dem Tabak­genusse ergeben sind, den anderen im allgemeinen, was Fleiß und gute Sitten betrifft, nachstehen und theilweise auch weniger genial sind, kommt ebensowohl von der heftigen Wirkung des Tabaks auf das Nervensystem, als auch davon, daß das Tabak­rauchen die Aufmerksamkeit ablenkt, zerstreut, mit großem Nach­druck die Neigung zur Aufnahme geistiger Getränke vermehrt, und auf diese Weise mittelbar das ganze moralische Leben be­nachtheiligt.

Noch gefährlicher als Tabak sind Haschisch und Opium. Un­zählige von den Menschen, welche diese Stoffe rauchen oder essen, gehen in der jämmerlichsten Art zu Grunde. Die erstaunliche und teuflische Habgier und Gewissenlosigkeit britischer Krämer zerstört die leibliche, ebenso wie die geistige und sittliche Wohl­fahrt der Menschen in ganzen großen Landstrecken Asiens durch Einschmuggelung des Opiums. Hat die anglo- sächsische Rasse ehedem die Indianer durch Branntwein ausgerottet, so sucht sie gegenwärtig Chinesen und Hindu durch Opium auszurotten, um - Geld zu gewinnen. Geld zu gewinnen. Die Engländer laden einen Fluch auf sich, der dieses Volk von Egoisten niederschmettern und zerstören wird, wenn der Tag der Rache des Schicksals anbricht.

Die Lebensweise oder das diätetische Regiment muß je nach Alter, Geschlecht, Leibes- und Seelenverfassung, Klima, Wohnung, Art der Beschäftigung, Krankheitsanlagen u. s. w. verschieden sein. Daß überall dort, wo eine größere Mehrheit von Menschen nach einer Schablone beköstigt wird, mehr Erkrankungen vorkommen, als dort, wo Pflege in der Familie stattfindet und das indivi­duelle Bedürfniß seine Rechnung findet, kommt einfach und größten­theils davon her, daß dort das diätetische Regiment weit weniger mit den leiblichen und seelischen Anforderungen der Einzelnen im Einklang ist. Gehen die Gezwungenen für einige Zeit zu ihren Eltern, in bessere Pflege, so gelangen sie meistens bald zu besserem leiblichen Wohlbefinden, nehmen zu an Gewicht des Körpers und an Heiterkeit des Gemüthes und fühlen sich zu Hause auch in Bezug auf die Küche in einer Art von Eldorado. Zu Hause pflegt mit Butter und Del, Würzen und Gewürzen nicht so sehr gespart zu werden, wie in der betreffenden Anstalt, keines fremden Blickes Einfluß die Mahlzeit zu beschränken oder gar zu vergällen, und die Verdauung eine ruhigere, angemessenere zu sein.

Für den Säugling ist am besten die Brust seiner Mutter. Diese lettere möge ihr Kind mit Liebe säugen, vor Mangel und Gemüthsbewegungen geschüßt sein, einfach, rein in Sitten und gesundheitsgemäß leben. Kann die Mutter das Liebeswerk des Selbststillens nicht vollbringen, und es ist nicht möglich, eine gute, gesunde und menschenfreundliche Amme zu bekommen, so gebe man dem Kinde Kuhmilch von der Temperatur des Körpers, mit etwas Zucker versetzt und anfangs mit Zusatz eines Zehn­theiles Wasser. Doch schon nach ein oder zwei Wochen unter­lasse man den Wasserzusatz und verabfolge reine, süße Milch. Nach Ablauf des sechsten Lebensmonats fann schon neben der Milch etwas Brei dargeboten werden, der aus Zwieback, Milch und Zucker bereitet wurde.