net. Seine Wälder sind von mächtigen Wiesen eingefaßt, die von Hiße und Feuchtigkeit dampfen und zahlreichen Herden wilden Viehes Nahrung gewähren, aber bei all' dieser übermäßigen Fruchtbarkeit, unter all dieser glänzenden Pracht ist für den Menschen keine Stätte übrig geblieben; er ward durch die Großartigkeit der ihn umgebenden Natur erdrückt. Die Entwicklung des Ackerbaues wird durch undurchdringliche Wälder aufgehalten, die Ernte durch unzählige Insekten zerstört; alles ist darauf angelegt, den Geist des Menschen zu lähmen; selbst jetzt sieht man trotz aller von Europa eingeführter Verbesserungen, nur wenig Zeichen wirklichen Fortschrittes, nicht einmal der fünfzigste Theil des Landes ist angebaut; dieses Land mit den mächtigsten natürlichen Hülfsquellen, wo sich Früchte und Thiere im Ueberflusse finden, wo der Boden durch die schönsten Flusse bewässert wird und die Küsten mit den trefflichsten Häfen übersäet sind dieses Land, mehr als 12 mal so groß als Frankreich , hat nur 6 Mill. Einwohner.
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In Peru und Mexiko konnte unter andern Naturbedingungen auch eine ganz andere Kulturstufe erreicht werden; in diesen beiden Ländern bleibt die Zeugungskraft der Natur innerhalb gewisser Grenzen stehen, obgleich daher ihre Hülfsquellen nicht so zahlreich waren, als diejenigen Brasiliens , so waren sie dafür weit leichter zu beherrschen und flossen immerhin reichlich genug, die Ansammlung von Reichthum zu ermöglichen, ohne die kein Fortschritt möglich ist. Die gewöhnliche Nahrung ist der Mais, eine den Bestandtheilen nach den Datteln und dem Reis völlig entsprechende Frucht, welche 3-400 fältigen Ertrag gewährt; daneben nähren sich die Mexikaner und Peruaner von Bananen, welche so reichlich wachsen und so viel Nahrungsstoff enthalten, daß ein Morgen mehr als 50 Personen ernähren kann, während ein Morgen Weizen in Europa nur zwei Personen ernährt. So sind wir im stande, durch einfaches Aufsuchen natürlicher Ursachen zu erkennen, warum im allgemeinen die Kulturen von Mexiko , Peru , Indien , Aegypten , sowie einigen anderen Ländern Südasiens und Centralamerikas einander ziemlich ähnlich waren. Alle waren jedoch gleich unfähig, diese Civilisation weiter zu verbreiten. Das Volf war überall so gefesselt, daß es ohne Erlaubniß der Regierung weder seinen Wohnort noch seine Kleidung ändern durfte; daß Gesetz schrieb jedem das Gewerbe vor, das er treiben, die Kleider, die er tragen, die Frau, die er nehmen, die Vergnügungen, die er sich machen durfte. Es gab nur zwei Klassen: die Klasse der Herrschenden und die der Gehorchenden. In einem solchen Zustande war z. B. Meriko, als es von den Spaniern entdeckt wurde, dieser Zustand war aber so unerträglich geworden, daß die allgemeine Unzufriedenheit eine der Ursachen war, welche die Erfolge der Spanier erleichterten und den Sturz dieses Reiches herbeiführte. Ueberall treffen wir die Eintheilung in scharfgesonderte Kasten, es war beinahe unmöglich, von einer niedern in eine höhere zu gelangen; der Sohn mußte die Beschäftigung seines Vaters fortseßen; dieser stationäre und konservative Geist ist jedem Lande eigenthümlich, indem die oberen Klassen die Gewalt ausschließlich an sich gerissen haben. Derselbe Geist zeigte sich auch in der ungewöhnlichen Ehrfurcht für das Alterthum und in dem thörichten Hasse gegen Neuerungen. Die Folge dieser großen bis jetzt besprochenen Naturgeseße, welche in den blühendsten außereuropäischen Ländern zwar die Ansammlung von Reichthum beförderten, seine Vertheilung aber verhinderten war, daß in allen diesen Formen der Civilisation die große Masse des Volkes von den nationalen Verbesserungen keinen Vortheil hatte. So wurde die Grundlage des Fortschritts sehr beschränkt und der Fortschritt selbst fast unmöglich. Wenn daher ungünstige Umstände von außen auftraten, so war es natürlich, daß das ganze System zu Grunde ging. Diese einseitigen und unregelmäßigen Kulturformen waren ohne Zweifel lange vor ihrer wirklichen Zerstörung schon in Verfall gerathen; die Gesellschaft konnte sich nicht erhalten, weil sie in sich selbst feindlich getheilt war, ihre eigene Entartung beförderte den Fortschritt fremder Eroberer und bewirkte den Sturz dieser alten Reiche, die bei einem gesünderen System leicht zu retten gewesen
wären.
Während Klima, Nahrung und Boden hauptsächlich die Ansammlung und Vertheilung des Reichthums beeinflussen, wirken die übrigen, mehr in die Augen fallenden Naturerscheinungen auf die Ansammlung und Verbreitung der Gedanken. Diese Erscheinungen sind zweierlei: solche, welche vornehmlich auf die Phantasie wirken und solche, die sich an den Verstand wenden, an die
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rein logischen Operationen des Denkens. Bei einem gesunden Gleichgewicht des Geistes spielen Phantasie und Verstand jedes seine Rolle und unterstüßen einander, meistens ist aber der Verstand zu schwach und wird von der Phantasie beherrscht; selbst in unserem Zeitalter, da die Phantasie mehr als in einem früheren beherrscht wird, hat sie leider immer noch viel zu viel Gewalt. Dies läßt sich leicht beweisen nicht nur durch den überall noch unter dem Volke herrschenden Aberglauben, sondern auch durch die Ehrfurcht vor dem Alterthum, welche immer noch bei der Mehrzahl der Menschen die Unabhängigkeit fesselt, das Urtheil blendet und das Selbstvertrauen schwächt.
Alle Naturerscheinungen, welche die Gefühle der Furcht erregen oder das Gemüth mit Verwunderung und dem Begriff des Unbestimmten und Üebermächtigen erfüllen, sind geeignet, die Phantasie zu entflammen und die langsamere und bedächtigere Operation des Verstandes unter ihre Herrschaft zu bringen. Im Vergleich mit der Gewalt und Majestät der Natur gewinnt der Mensch das peinliche Gefühl seiner eigenen Kleinheit und Unbedeutendheit. Durch unzählige Hindernisse von allen Seiten eingeschränkt, erschrickt sein Geist vor dem Unergründlichen und bemüht sich kaum noch um das Einzelne, woraus jene erhabene Größe besteht. Wo dagegen die Werke der Natur jener furchtbaren Großartigkeit entbehren, gewinnt der Mensch Selbstvertrauen und meint sich mehr auf seine eigene Kraft verlassen zu können, er kann sich sozusagen hindurcharbeiten und nach allen Richtungen seine Macht ausüben.
In Asien , Afrika und Amerika ist die Außenwelt im allgemeinen furchtbarer als in Europa ; dies gilt nicht nur von festen und beständigen Erscheinungen, wie von Bergen, Flüssen u. dgl., sondern auch von periodischen, wie: Erdbeben, Stürmen u. dgl., naturgemäß mußte also dort die Phantasie die Oberhand gewinnen. Wird der Mensch fortwährend durch die ernstlichsten Gefahren beunruhigt, die er weder vermeiden noch begreifen kann, so überzeugt er sich von seiner Schwäche und der Unzulänglichkeit seiner Hülfsmittel, wodurch der Glaube an übernatürliche Einwirkungen mächtig unterstützt wird. Wo menschliche Macht nicht ausreicht, wird übermenschliche zu Hülfe gerufen, es wird an die Gegenwart des Geheimnißvollen und Unsichtbaren geglaubt und unter dem Volke gedeihen jene Gefühle von Furcht und Hülflosigkeit, worauf sich aller Aberglaube gründet und ohne welche er sich gar nicht halten kann.
Dies läßt sich sogar in Europa nachweisen, wo solche Erschei nungen viel seltener sind. Erdbeben und vulkanische Ausbrüche sind in Italien und der pyrenäischen Halbinsel häufiger und verheerender, als in irgend einem anderen großen Lande Europas und gerade dort ist der Aberglaube am größten und dort etablirten die Priester ihre Autorität.
Wie drohende Naturerscheinungen die Phantasie erregen, den Aberglauben befördern und der Wissenschaft in den Weg treten, läßt sich durch weitere Thatsachen deutlich machen. Bei einem unwissenden Volke herrscht die Neigung, alle ernsthaften Gefahren übernatürlicher Einwirkung zuzuschreiben, dadurch wird ein starkes religiöses Gefühl erzeugt und so unterwirft man sich nicht nur fortdauernd der Gefahr, sondern betet sie geradezu an. Dies geht so weit, daß man in manchen Ländern aus chrfurchtsvoller Scheu wilde und schädliche Thiere nicht tödtet, so daß der Schaden, den dieselben anrichten, die Ursache ihrer Unverletzlichkeit
wird.
So hatten die alten Kulturvölfer mit unzähligen Schwierig keiten zu kämpfen, die den europäischen unbekannt waren, auf ihnen dagegen wie eine dauernde Bürde lagen und in ihrem Gemüthe Gedankenreihen erzeugten, welche die Phantasie über die Vernunft zur Herrschaft brachten, welche den Geist des Volkes mit Ehrfurcht erfüllten, statt ihn zur Forschung anzutreiben und die Neigung beförderten, die Erkenntniß natürlicher Ursachen zu vernachlässigen und die Ereignisse der Wirkung übernatürlicher Wesen zuzuschreiben. Namentlich ist die Neigung allgemein, der Gottheit die plötzlich und verheerend auftretenden Krankheiten zuzuschreiben. Da nun das tropische Klima viel ungesünder ist, als das gemäßigte, so haben wir hierin eine weitere ungünstige Einwirkung der Außenwelt auf den Geist, welche in der That einen bedeutenden Einfluß auf die alten Civilisationen ausgeübt hat und namentlich die Macht der Geistlichkeit verstärkt haben muß, denn wie ein französischer Schriftsteller sagt: Bestseuchen sind die Ernten der Diener Gottes."
( Schluß folgt.)