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im vollsten Umfange zu bejahen. Die extremen Bedingungen, unter| Beschäftigung, so ist der Nothstand fertig, kommen gar noch Natur­denen die Naturkräfte in den Polargebieten auftreten, rufen außer­ordentliche Erscheinungen hervor, welche das beste Mittel zum Studium der Kräfte selbst bieten. So ist denn in der That fast jeder Zweig der Naturwissenschaften bei der Polarforschung aufs lebhafteste betheiligt. In erster Linie aber steht die Lehre vom Erdmagnetismus, jener wunderbaren, geheimnißvollen Naturkraft, die wir nicht durch irgend welche sinnenfällige, gewaltige Wirkungen, sondern nur durch das stille Zittern und Schwanken der Magnetnadel kennen lernen, die aber doch sicherlich von der größten Bedeutung für das gesammte Leben der Mutter Erde ist, die uns gleichsam das Pulsiren ihres innersten Kernes, die leisen Athmungsbewegungen ihres Leibes verräth. Bereits nach­gewiesen ist der innige Zusammenhang des Erdmagnetismus mit den elektrischen und galvanischen Verhältnissen der Erde; man hat ihn aber auch, und wohl mit Recht, mit dem Nordlicht, den Erdbeben, den Sonnenflecken und allen möglichen atmosphärischen Störungen in Ver­bindung gebracht. Da aber die Geseße des Erdmagnetismus, wie so vieler anderen Kräfte, nur durch das Studium der Störungen und Variationen, denen er unterworfen ist, erkannt werden können, und da die letzteren nur an den Polen   mit genügender Deutlichkeit auf­treten, so ist klar, daß wir nur dort den Schlüssel zu diesen noch un gehobenen Schäßen zu finden hoffen dürfen.( Fortsetzung folgt.)

Nach dem Eisgang der Oder   in den Nothstandsdistrikten Oberschlesiens  . Der Nothstand ist in vielen oberschlesischen Bezirken eigentlich permanent, nur daß heute auch die sonst noch vorhandenen geringen Mittel gänzlich fehlen, sodaß, wäre nicht Hülfe von außen gekommen, dieser Theil der Bevölkerung unerbittlich dem Hunger­tode preisgegeben gewesen wäre. Die Ursachen waren folgende: Die Kreise Glaz  , Neurode, Ratibor  , Kosel, Oppeln  , Falkenberg, Steinau  , Ohlau  , Breslau   und Wohlau   waren durch furchtbare Ueberschwem­mungen heimgesucht worden und infolge dessen ihre Ernten vernichtet. Ferner wurden durch Mißwachs betroffen die Kreise Rybnik  , Pleß, Lubliniß und Gleiwig. Nach amtlichen Nachrichten waren im Kreise Ratibor   allein 6119 Grundbesizer von dem Nothstande betroffen, 3766 darunter haben nur einen Besißstand bis zu 10 Morgen und für zwei Drittel der betroffenen ist der Landbau nur Nebenbetrieb. Er liefert ihnen jedoch unter normalen Verhältnissen die gewohnte farge Nahrung für den Winter. Im Kreise Oppeln   sind 20, im Kreise Gr.- Strehliz 5 und im Kreise Falkenberg 14 Ortschaften von der Ueberschwemmung heimgesucht worden. Die übrigen angeführten Bezirke haben mehr oder weniger stark gelitten. Die Zahl der Hülfsbedürftigen belief sich nach den Angaben des preußischen Finanzministers auf 106 000. Bereits Ende November mangelten deshalb bei tausenden von Familien die Nahrungsmittel gänzlich. Der Regierungspräsident v. Quadt berichtete damals über die Situation in den Kreisen Rybnik   und Pleß: Von den hauptsächlichsten Nahrungsmitteln der niederen Klassen, Kartoffeln und Kraut, ist das letztere von den Raupen gefressen und die erstere hat theilweise nicht einmal die Aussaat wiedergegeben. Roggen und Hafer sind nahezu mißrathen. Er fügt, nachdem er die Verhältnisse spezieller geschildert, hinzu, daß, wenn nicht außerordentliche Maßregeln ergriffen würden, das entseglichste Elend und der Hungertyphus in Aussicht ständen. Aus Loslau, Kreis Rybnik  , wurde um dieselbe Zeit geschrieben: Der Hunger ist bei uns schon eingekehrt in den Hütten unserer kleinen Handwerker, Tagelöhner u. dgl. Unter 2400 Einwohnern sind allein 150 Schuhmacher und keine Arbeit. Es fehlt an Brot, Kartoffeln, Kohlen, Kleidern, kurz an allem. Wenn man nun bedenkt, daß die Bedürfnisse dieser, allgemein als fleißig bekannten Leute schon an und für sich äußerst beschränkte sind, daß die Hauptnahrungsmittel Kartoffeln, Brot, Sauerkraut und andere Gemüse bilden und daß Fleisch höchstens an Sonntagen, aber auch nicht immer, genossen wird, so hat man ein Bild des Elends, wie es greller nicht gedacht werden kann. Ein fusel­artiger Branntwein, der von Alt und Jung, Mann und Weib genossen wird, ist das Hauptgenußmittel. Die Wohnungen sind im jämmer­lichsten Zustande und zumeist zugleich Aufenthaltsort für das Vieh und Vorrathskammer für die geringen Ernteerträgnisse. Die Arbeitslöhne sind denn auch infolge dieser Bedürfnißlosigkeit kaum halb so hoch, oft bilden sie sogar nur ein Drittel gegenüber denen im übrigen Deutsch­ land  . Erklärlich ist aber auch, daß unter solchen Verhältnissen die Bevölkerung geistig zurückbleiben muß und sich infolgedessen in um so hülfsbedürftigerer Lage bei so trüben Ereignissen befindet. Andrerseits hat aber die industrielle Entwicklung rapide Fortschritte gemacht; Berg­und Hüttenwerke, sowie Fabriken existiren in großer Zahl in einzelnen Distrikten. Die übermäßige Entwaldung macht deshalb reißende Fort­schritte und ist wohl auch nicht wenig schuld an den zerstörenden Ueber­schwemmungen. In den Kreisen, die vorwiegend Landwirthschaft treiben, überwiegt hinwiederum der Großgrundbesiz. So gibt es nach einer 1866 erfolgten statistischen Aufnahme im Regierungsbezirk Oppeln   allein 896 Rittergüter, von denen 812 einen Flächenraum von je über 600 Morgen umfassen. Die Grundbesigungen des Fürsten von Pleß und des Herzogs von Ratibor   betragen viele Quadratmeilen; die rothschild'schen im Kreise Ratibor   28000 und die lichnowsky'schen 17000 Morgen. Die Bauern sind kleine Besizer mit meist unter 5 Morgen Land. Sie sind deshalb auf die Beschäftigung in den Berg­werken und industriellen Etablissements angewiesen. Stockt dort die

ereignisse, wie im vorigen Jahre, so ist das entsetzlichste Elend vor­handen. Diesmal wurde die Noth noch vollends vermehrt durch neue Ueberschwemmungen, welche infolge des hohen Eisganges der Oder hervorgerufen wurden. Unser Bild auf Seite 304 zeigt die grauenvollen Verheerungen in der Nähe der früheren Festung Kose!. Zur Steuerung der Noth sind seitens der Proving 3 280 000 Mark bewilligt worden, wovon man einen Theil zur Anlage von Verkehrs­straßen, den Rest zum Ankauf von Viehfutter und Saatgut und ander­weitigen Unterstüßungen verwandte. Außerdem hat auch der preußische Landtag 6 Mill. bewilligt und stellte 121/2 Mill. für den Bau von Eisen­bahnen in Aussicht. Sehr viel hat auch, wie immer, die Privatwohl­thätigkeit geleistet. Man hat Volksküchen errichtet, in denen den gänz­lich Unbemittelten unentgeltlich und den übrigen gegen einen ganz ge­ringen Betrag warme Kost verabreicht wird. Mag aber die Privat­hülfe auch noch so viel und Dankenswerthes leisten, auf die Dauer wird sie derartige Uebelstände nicht bannen können. Hier muß gründ­licher und mit großartigeren Mitteln geholfen werden und zwar, wie unsere Skizze schon zeigt, in materieller und geistiger Beziehung. Wie die moderne Heilkunde ihr Hauptaugenmerk auf die Verhütung von Krankheiten richtet, so sollten auch die Staatsheilfünstler Sorge tragen, daß Krankheiten am Gesellschaftskörper durch eine körperliche und gei­stige Diät seiner Glieder unmöglich gemacht werden.

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Göschenen   am nördlichen Eingang des Gotthardtunnels. ( Bild Seite 305). Am Sonntag den 29. Februar, um 9 Uhr früh, wurde der Gotthardtunnel durchgeschlagen. Mögen die Hoffnungen, die in materieller und ideeller Beziehung an dieses neue Band zwischen Nord und Süd sich knüpfen, in Erfüllung gehen. Bevor wir zur Be­schreibung dieses Riesenbaues schreiten, wollen wir die Leser durch Er­klärung unseres Bildes mit der Lage desselben bekannt machen. Da, wo die uralte Handelsstraße von Luzern  , Flüelen  , Altdorf   und Amsteg herankommt, welche über den mächtigen Gebirgsstock des St. Gotthard  hinweg die Centralschweiz mit dem Kanton Tessin  , mit Mailand   und Genua   verbindet, liegt in einer Höhe von mehr als 1100 Meter über der Meeresfläche das Dorf Göschenen   am Ausgang eines engen Thals, aus welchem der göschener, von einer mächtigen Brücke überspannte Alpbach, sich rauschend in die Reuß   ergießt. Von einer kleinen Anhöhe über der Brücke hat man die Aussicht auf die niedriger gelegene Tunnel­mündung und die Maschinengebäude. Aus dem Hintergrund des Thals locken, wie die Abbildung zeigt, in blendender Weiße die Schneefelder des Dammafirn, begrenzt von dem Winterstock( 3138 Meter) und dem Galenstock( 3470 Meter), der höchsten Erhebung des Kantons Uri.  Sie hängen mit jenem 7 Stunden langen Eismeer zusammen, aus welchem die Quellflüsse der Rhone  , Reuß   und Aar entspringen, und zu dem der Steinberg- und Sustengletscher auf dem nördlichen, der Rhone­gletscher auf dem südlichen Flügel gehört. Die alte Gotthardstraße hat von den Ufern des Vierwaldstättersees bis Göschenen   eine Stei­gung von 627 Meter zu überwinden gehabt, aber hier scheint der eigentliche Aufstieg erst zu beginnen, denn der Wanderer steht vor dem nicht zu umgehenden mächtigen Querriegel, der deutsche und wälsche Art scheidet und durch die Felsengasse der Schöllenen, über die Teufels­brücke hinüber, durch das Felsenthor des Urner   Lochs und von den grünen Matten des Userenthals aufwärts über Hospenthal bis zur öden Paßhöhe zwischen der Fibbia und dem Gotthardstein 2058 Meter über dem Meer erklommen sein will. Das wird nun alles anders durch den großartigen Tunnel, welcher die Eisenbahn von Göschenen  durch die Eingeweide des Bergs nach Airolo   am steilen Südabfall des St. Gotthard   führt. Die Geschichte dieses Werkes der Gemeinsamkeit ist reich an bitteren Erfahrungen und Entbehrungen. Erst nach Vol­lendung der Semmeringbahn  ( Wien  - Triest  ), der Brennerbahn  ( Tyrol­Italien) und der Montcenisbahn( Frankreich  - Italien  ) fing man in der Schweiz  , Italien   und Deutschland   an, sich mit dem Plane einer Gott­hardbahn zu beschäftigen. Im Jahre 1869 trat das Projekt aus dem Dunkel der fachmännischen Kreise an die Oeffentlichkeit und wurde Gegenstand diplomatischer Verhandlungen zwischen den vorgenannten drei Staaten. An die Spitze des Unternehmens war der schwei­zerische Nationalrath Escher in Zürich   berufen, zum Oberingenieur der Baudirektor Gerwig in Karlsruhe   ernannt, welcher im Jahr 1875 durch den Baudirektor der Desterreichischen Nordwestbahn, Hellwag von Eutin, ersetzt wurde. Die Tunnelbohrung wurde dem Genfer   Ingenieur L. Favren übertragen, einem Manne, dessen Energie und rastloser Aus­dauer die glückliche Vollendung des Werkes in erster Linie zu danken ist. Ihm war es jedoch versagt, den Tag des Durchbruchs zu erleben. Wie ein Feldherr angesichts der stürmenden Heere, verschied er inmitten seiner Arbeiter, vom Schlage getroffen, im Tunnel am 19. Juli 1879. Die Länge des Tunnels beträgt 14,92 Kilometer; die Bahn läuft hier mit Ausnahme einer 240 Meter langen Kurve in gerader Linie. Der Scheitelpunkt liegt in der Mitte des Tunnels, 1152,4 Meter über der Meeresfläche, in einer 180 Meter langen Horizontalstrecke. Nach der schweizer   Seite gegen Göschenen   fällt die Bahn auf einer Strecke von 1145 Meter mit 5,82 Meter pro Tausend, nach der italienischen gegen Airolo   auf 1145 Meter mit 1 pro Tausend. Die Tunnelweite beträgt ungefähr 8, die Scheitelhöhe 6 Meter. Der Tunnel sollte in längstens zehn Jahren vollendet sein. Der Termin ist troß großer wiederholter