312Störungen im Fortgang der Arbeiten mit überraschender Pünktlichkeitinnegehalten worden. Mit dem am 29. Februar stattgefundenen Durch-schlagen des Stollens ist aber noch lange nicht der ganze Tunnel vol-lendet, wie einige Zeitungen in unbegreiflichem Jrrlhum annehmen,sondern eben nur der verhältnißmäßig enge, 2,8 Meter hohe und 2,4Meter breite Firststollen, von dem aus der Vollausbruch des übrigenvorgenommen wird. Vollkommen fertig gestellt, also mit Scheitel- undSohlengewölbe, sowie betriebsfähig sind heut nur annäherend 8000Meter auf beiden Seiten zusammen. Die Vollendung des ganzen Tun-nels ist vor dem l. Oktober dieses Jahres auf keinen Fall zu erwarten.Ebensowenig ist aber auch eine erhebliche Ueberschreitung dieses Terminsanzunehmen, desselben, welcher mit der Bauunternehmung als Vollen-dungstermin vereinbart war. Nachdem im Jahre 1875 dem Leiter derBauunternehmung der Gotthardbahngesellschask überreichten Arbeits-Programm hätte zwar der Durchschlag des Firststollens bereits am1. Januar dieses Jahres erfolgen sollen, ebenso sind auch die übrigenArbeiten, die Erweiterung und Auswölbung an allen Punkten nochetwas gegen das Programm zurück; aber in letzter Zeit sind großartigeAnstrengungen gemacht worden, welche ein rascheres Fortschreilen allerArbeiten ermöglichten, als es bei Aufstellung des erwähnten Programmsvorausgesetzt werden konnte. Erfahrungsmäßig nimmt die Schnellig-keit solcher Arbeilen am Ende erheblich zu; die Leistungen im First-stallen, wie sie in den letzten Wochen sich ergeben, sind geradezu stau-nenswerth. Nach den bisherigen Erfolgen konnte man den Durchschlagetwa am 5. März erwarten; derselbe hat sich aber um sechs volle Tageeher eingestellt, da sowohl Arbeiter als Ingenieure mit einem wahrenFeuereifer dahinter waren, als man erst auf beiden Seiten den Wider-hall der Minenschüsse, später das Geräusch der Maschinen und dieStimmen der Arbeiter vernehmen konnte. Ten Jubel zu schildern, alssich die Arbeiter von Nord und Süd durch die gesprengten Felsen dieHände reichten, das vermag keine Feder. Die Einleitungen zum Baubegannen 1870, die Handbohrarbeilen wurden in Airolo am 1. Juli,in Göschenen am 4. Juni 1872 in Angriff genommen; im nächstenFrühjahr wurde auf beiden Seiten Maschincnbohrerei eingeführt, dieanfänglich durch Dampf betrieben wurde, indem man die durch Dampf-Maschinen komprimirte Lust vor Ort leitete. Später ersetzte man dieseDampfmaschinen durch Wasserkraftmaschinen; indem man im Nordendie Gotthardreuß, im Süden die Gewässer der Tremola, eines Gieß-baches, der aus dem See Sella in der Nähe des weltbekannten Gott-hardhospices entspringt, sowie den Tessi» dazu ausnutzte. Beschäftigtwaren an dem Bau des Tunnels durchschnittlich pro Tag 3412 Arbeiter.Die Handbohrung betrug per Tag 0,65, die Maschinenbohrung dagegenaus italienscher Seite 2,05, auf schweizerischer 2,56 Meter. Außer denBetriebsstörungen durch Wasserzudrang und Pressung der Gewölbe durchlockeres Gestein erlitten die Arbeiten erhebliche Unterbrechungen, einmaldurch den Aufstand der italienischen Arbeiter in Göschenen(27., 28. Juli1875), sodann durch den Brand von Airolo(17. September 1877).Im Jahre 1872 erbohrte man nur 121 Meter aus beiden Seiten zu-sammen, 1873 bereits 1133 Meter, da hier schon Maschinen arbeiteten,l874 stieg diese Zahl auf 1775, 1875 auf 2406, fiel dagegen im fol-genden Jahre auf 2026, da hier verschiedene Zwistigkeiten zwischender Gotthardbahngesellschaft und dem Unternehmer ausbrachen, stieg187? wieder aus 2224 Meter und schloß im letzten Jahre mit 225 lMeter ab, sodaß von der 14,920 Meter betragenden Gesammtlängedes Tunnels noch 385 Meter blieben, davon wurden im Januar l. I.185, im Februar 200 Meter erbohrt. Außergewöhnlich waren dieFortschritte der letzten Woche; in der ersten Woche des Februar be-trugen dieselben 47,3, in der zweiten 50,1, in der dritten 47,5, in derletzten endlich 46,2 Meter; der tägliche Fortschritt' belief sich also aufdurchschnittlich 7 Meter. An der Deckung der Kosten betheiligten sichin erster Linie die Schweizerbahnen und zwar die Schweizerische Nord-ostbahn und die Schweizer Centralbahn mit je 3 500000 Ars., denenspäter noch 750 000 Frs. folgten. Die Eisenbahnen von Elsaß-Lothringen gaben eine Subvention von 2 717 OVO Frs. Die Köln-Mindener,Bergisch-Märkische, Hessische Ludwigsbahn, Rheinische und PfälzischeBahn gaben je eine Million Francs. Der badische Staat als Besitzerder badischen Bahnen zahlte gleich Elsaß-Lothringen 2 717 000 Frs.und der preußische Staat als Hauptintcressent der Saarbrücker Kohlen-und Staatsbahn 1 500 000 FrS. Im Interesse des allgemeinen Ver-kehrs wurde außerdem vom deutschen Reiche ein Betrag von 8,060 000Frs. beigesteuert. Es wurde demnach an Subvention für die Gott-hardbahn von Deutschland allein ein Summe von 20 000 000 Frs. ge-geben. Das italienische Parlament beförderte die Oeffnung dieserHauptader des Weltverkehrs mit zehn Millionen Francs. Und dochwaren die Schwierigkeiten, welche das Unternehmen inmitten seinerVollendung ins Stocken zu bringen drohten, finanzieller Natur. Siewurden durch erneutes Eintreten von Deutschland, Italien und nachlangem Hin- und Herreden auch von dem Hauptinteresserenten, derSchweizer Eidgenossenschast, gehoben. Man war von der Wichtigkeitder Gotthardbahn zu sehr durchdrungen, um das internationale Unter-nehmen an der Nothwendigkeit einer Nachtragssubvention von zehnMillionen Francs scheitern zu lassen. Sollen wir dem neuen Weltwun-der nach Art der alten Astrologen das Horoskop stellen? Bor allenDingen feiert der menschliche Unterilehmungsgeist, der vor keinerSchwierigkeit, vor keinem Hinderniß, das ihm die Natur entgegenthürmt,zurückschreckt, einen großartigen Triumph. Die Fahrt von Göschenennach Airolo, die im günstigsten Falle zwölf Stunden währte, sehr oftaber durch den Sturm der Elemente vereitelt wurde, ist auf eine halbeStunde reduzirt. Wie einst durch die Entdeckung des neuen Seewegesnach Ostindien um das Kap der guten Hoffnung, werden durch die Er-öffnung des neuen Verkehrsweges zwischen Deutschland und Italien dieVerkehrsinteressen des gesammten Europas umgestaltet. Das Haupt-glied zwischen dem Anfangs- und Endpunkt der neuen Weltverkehrs-straße ist mit der Durchbohrung des Gotthardtunnels hergestellt. Einenerheblichen Theil des Verkehrs, welcher bis jetzt seinen Weg aus demOrient und dem Südwesten nach Mittel- und Nordeuropa und umge-kehrt über Oesterreich und Frankreich nimmt, dürfte in Zukunft dieGollhardbahn an sich nehmen und dadurch die Brenner- und Montcenis-bahn einen wesentlichen Bruchtheil bisheriger Einnahmen an dieselbeverlieren. Genua wird auf Kosten von Marseille und Trieft einenTheil seines alten Glanzes wiedergewinnen. Möge dies Unternehmenvon so außerordentlichem Umfange, das die rastlose Thätigkeit vontaufenden fleißiger Hände, die unermüdliche Arbeit erfindungsreicher Köpfein der kurzen Spanne eines Jahrzehnts zur glucklichen Vollendung ge-bracht, die Bahn zu dem ersehnten Bölkerfrieden ebnen Helsen! H.Literarische Umschau.Universalbibliothek der GabelSberger'schen Stenographie.Nr. 1:„Nathan der Weise"(Leipzig, Gustav Körner). Unter Redak-tion des Herrn Dr. Jul. Wold. Zeibig, Professor am königl. steno-graphischen Institut in Dresden, ist soeben mit der Herausgabe desersten Bändchens ein stenographisches Unternehmen eingeführt worden,das, nach dem Prospekt zu urtheilen, großartig werden wird.—Die Universalbibliothek soll den vielen tausenden, welche sich Gabels-bergers Kunst zu eigen gemacht und aus ihrer Verwendung Nutzenziehen, in wohlgelungener Stenographie(Lithographie) nach und nacheine Anzahl klassischer Literaturschöpfungen aus dem Alterthum, wieaus der Neuzeit vorführen. Die ersten Bändchen werden wahrschein-lich enthalten: Das Nibelungenlied. Hauff,„Phantasien im BremerRathskeller". Goethe,„Reinecke Fuchs". Scott,„Jvanhoe". JeanPaul,„Flegeljahre". Pseffel,„Poetische Werke". Schiller,„Wallen-stein". Beranger,„Lieder". Calderon,„Das Leben ein Traum".Dickens,„Das Heimchen am Herde". Bulwer,„Die letzten Tage vonPompeji zc.— Das vorliegende erste Heft zeigt, daß die Verlagshand-lung sich die keineswegs leichte Aufgabe gestellt hat, alle seither er-schienenen ähnlichen Unternehmungen in den Schatten zu stellen. Seitder Erfinder Gabelsberger selbst zum Zwecke der Uebung im Lesen undSchreiben seiner Schnellschrist im I. 1838 zu München das erste Hesteiner„stenographischen Bibliothek" herausgegeben, sind außer den a!SBeilagen zu Zeitschriften in München und Dresden noch jetzt erschei-neinenden„Stenographischen Lesebibliotheken" eine große Menge ähn-licher Werke dem stenographirenden Publikum geboten worden;— ichnenne nur;„Deutsche Klassiker" herausgegeben von Prof. Faulmannin Wien,„Stenographisches Lesekabinet", eine Sammlung vorzüglicherWerke deutscher und ausländischer Klassiker von Joseph Schiff(Wien)und„Gabelsberger stenographische Bibliothek" von Vinzenz Zwierzina(Wien)— aber es gebührt vor all' diesen zum Theil recht hübschenSachen unstreitig der Universalbibliothek die Palme. Daß die Schreib-weise durchaus korrekt ist(nur eine der in dem Probebändchen ange-wandten Schreibweisen ist von der maßgebenden Körperschaft, demStenographentag, noch nicht zur Regel gemacht), dafür bürgt derName Zeibig, die Lithographie ist musterhast zu nennen, der Druck(Retzlaff, Dresden) auf schönem starkem Papier außerordentlich sauberausgeführt. Aus diesem Grunde kann die Universalbibliothek— anderen erstem Bändchen nur auszusetzen ist, daß es„Nathan den Weisen"nur zur Hälfte enthält— jedem Jünger Gabelsbergers aufs beste em-pfohlen werden und namentlich dürfte der billige Preis(1 Mark fürdie— monatlich erscheinenden— 4—5 Bogen starken Bändchen) dieUniversalbibliothek zum Lesestoff für Fortbildungskurse recht geeignetmachen.-z-Inhalt. Dem Schicksal abgerungen, Novelle von Rudolph von B......(Fortsetzung).— Herr Hansen und der thierische Magne-tismus, von Emauuel W.(Schluß.)— Ueber die Gesetze, denen der Fortschritt der Civilisation unterworfen ist(Fortsetzung).— Irrfahrten,von L. Rosenberg(Fortsetzung).— Forschungssahrteu im nördlichen Polargebiet. Geschichtliche Zusammenstellung von Dr. M. Trausil(Fortsetzung).— Noch dem Eisgang der Oder in den Nothstandsdistrikten Oberschlesiens(mit Illustration).— Göschenen am nördlichen Eingangdes Gotthardtunnels(mit Illustration).— Literarische Umschau.Verantwortlicher Redakteur: Bruno Geiser in Leipzig(Südstraße 5).— Expedition: Färberstraße 12. II.Druck und Verlag der Genossenschaftsbuchdruckerei zu Leipzig.