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Leitung geschah sie, der Tag mochte sich neigen, ehe man damit zu Ende kam; meiner Ungeduld ging alles zu langsam. Mich zu entfernen, bis die Hauptschwierigkeiten überwunden, erinnerte mich Bernhardt an mein gestern geäußertes Vorhaben, nach Wolfshagen zum Freiherrn von der Hellen zu reiten. Ich hoffte, bei der Rückkehr mich durch die gelungene Arbeit über­raschen zu lassen, und stimmte bei. Das Wetter war günstig, ein heiterer, nicht zu warmer Tag, der Weg meist durch Gehölz, schattig und erfrischend, ich befahl, zu satteln. Eitelkeit war selten meine Schwäche ge­wesen, heute wählte ich ein einfaches, elegantes Reitkostüm, meinen Jahren angemessen, aber auch meinem Aussehen. Es lag mir nicht daran, dem ruinirten Edelmann zu imponiren, noch seiner Tochter zu gefallen, allein ich kannte diese Art des Adels, ich wollte in keiner Weise Gelegenheit geben, sich über den bourgeois gentilhomme zu moquiren.

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Nach langem Ritt erreichte ich das wolfshagen'sche Gebiet,- ein trauriger Anblick. Die Waldung gelichtet, verkommene Wiesen und Felder, zerfallen die Häuser des kleinen Dorfes und ihre Bewohner mürrisch und feindselig gegen den besser Gekleideten; Kinder, alte Frauen bettelten mich um eine Gabe an, welch' ein Kontrast gegen meiner Besizung Wohlstand! Als ich einen alten Mann nach dem Herrenhause fragte, verzog sich sein faltiges Antlig wie im Zorn bei dem Namen des Gutsherrn und seine Lippen murmelten einen leisen Fluch. Ich richtete einige Fragen an ihn, der Alte verbarg nicht seinen Groll gegen den Eigen­thümer, der von Gemüth nicht schlecht sei, aber durch seinen Leicht sinn sich ruinirt und das Elend seiner Untergebenen mit ver­schuldet habe. Aber auch er war des Lobes der Tochter des Freiherrn voll. In wenig Wochen hat sie sich aller Herzen ge­wonnen. Sie pflegt die Kranken, lehrt den Kindern, theilt von ihrem wenigen der Armuth mit. Eine Samariterin. Ich trage hohe Verehrung für Mädchen dieser Art im Busen, wenn ich sie nur nicht lieben sollte.

Wie alles, bot auch das ursprünglich stattlich angelegte Herren­haus ein Bild der Verkommenheit. Der Garten stand verwildert, nur ein Stückchen desselben schien von sorgender Hand gepflegt, vielleicht war es ein Werk der Baronesse; kein Diener war zu sehen, der sich dem ankommenden Reiter behülflich erwies. Ich stieg ab, und mein Pferd der Obhut eines herumlungernden Jungen anvertrauend, trat ich ins Haus.

Auch im Veſtibül feine Seele, ich stand verlegen; augen scheinlich hatten Sparsamkeitsrücksichten die Dienerschaft bis auf ein Minimum reduzirt. In einiger Entfernung glaubte ich Stimmen zu vernehmen. Des Harrens müde, klopfte ich an die erste beste Thür, und da keiner zum Nähertreten einlud, öffnete ich.

Ich befand mich, wie ich bei flüchtigem Umblick erkannte, in einem Vorzimmer. Das draußen vernommene Gespräch ward im Nebenraum geführt, so laut, daß es meinen Schritt über tönte und ein jedes Wort verständlich ward.

Unschlüssig, ob ich weiter eintreten sollte, blieb ich einige Augenblicke stehen. Was ich vernahm, reizte meine Theilnahme und verleitete mich zu einer Indiskretion.

Es waren augenscheinlich der Freiherr und Baronesse Melanie, Vater und Tochter, die sich im Wortwechsel befanden. Bald er kannte ich die Ursache. Es handelte sich um eine arme, kranke Frau, zu deren Versorgung der Gutsherr, als oberster Versorger der Gemeinde, einen entsprechenden Antheil zu zahlen verpflichtet war. Der Baron weigerte sich entschieden; mit sanftem Ernst drang die Tochter in ihn; ihre Stimme schien mir sonor und von seltenem Wohlflang, sie sprach nicht von Christenpflicht, sie gebrauchte keine abgedroschenen Phrasen, aber was sie sagte, war so gut, so wahr, daß ich empört mich abwandte, da der Alte ihr mit fast frivolen Redensarten entgegnete und endlich, um zu Ende zu kommen, in Wuth gerathend sich Ausdrücke erlaubte, die mich veranlaßten, meine Gegenwart durch starkes Anklopfen an des Familienzimmers Thür vernehmbar zu machen.

Der Wortwechsel verstummte, die Mannesstimme rief barsch ,, herein!" indem ich öffnete, sah ich ein helles Mousselinkleid durch eine Seitenportière verschwinden.

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Es mußte dem Baron klar sein, daß ich ohne völlige Taub­heit jedenfalls einen Theil des lauten Gesprächs vernommen, allein er zeigte sich völlig ungenirt; nicht einmal für den Mangel nothwendigster Bedienung hatte er ein entschuldigendes Wort. Nachdem ich mich vorgestellt, und er, wie ich wohl bemerkte, meine Toilette mit prüfendem Blick gemustert, begann er eine unverfängliche, Jagd und gesellschaftliche Dinge behandelnde

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Unterhaltung. Ich ging darauf ein, um mir ein eigenes Urtheil über den vielverrufenen Mann zu bilden, und fand das fremde bestätigt. Ein gutmüthiger Charakter, mit Frivolität und Leicht­sinn gepaart. Schon das Aeußere verrieth den Lebemann um jeden Preis. Perrücke, Puder und Schminke verliehen dem greisen­haften Antlitz einen fast unheimlichen Ausdruck der Jugendlich­feit, der mich anwiderte.

Aus einem Schranke holte er eine Flasche Madeira und schenkte zwei Gläser voll. Ich lehnte ab und er trank beide.

Nun kam ich auf Geschäftliches zu sprechen. Mit einer wahr­haft naiven Dreistigkeit berichtete der Freiherr, wie geplagt er von Schulden sei. Die meine, obgleich eine der bedeutendsten, drücke ihn am geringsten, denn er wisse, er habe es mit einem Edelmann, wenn auch nicht der Herkunft, doch der Gesinnung nach, zu thun, und als solcher werde ich ihm den neu geforderten Vorschuß wohl nicht versagen. Dagegen versprach er mir, Ein­tritt in gewisse Cirkel der Residenz zu verschaffen, zu denen es mir, dank meinem Vermögen, schon längst Bulaß zu erhalten ein leichtes gewesen wäre, hätten mich die Gesinnungen derselben nicht zurückgestoßen.

Entschieden wies ich die Zumuthung zurück. Selbst in eine Prolongation der Schuld konnte ich nicht willigen, ohne den Grundsägen meines Hauses untreu zu werden. Ich sah, wie das Antlig des Freiherrn sich röthete, fannte meine eigne, leicht erregbare Stimmung und wollte eine Szene vermeiden.- Ich nannte den Hauptgrund meines Kommens, den Kauf der Herr schaft Wolfshagen.

Die Zornmiene des Gutsbesizers besänftigte sich. Ich hatte geglaubt, der Gedanke, den Stammsiz seiner Väter, die Stätte, die seines Geschlechtes höchsten Glanz geborgen, zu opfern, erfor dere wenigstens einiges Bedenken, ich hatte mich getäuscht. Baron Willhard von der Hellen war sofort zum Abschluß bereit, doch nannte er als Kaufpreis eine so fabelhaft hohe Summe, daß ich laut auflachen mußte.

Der Freiherr stimmte ein. Es mag Ihnen hoch vorkommen," sagte er, und doch, nicht minder kann ich Wolfshagen lassen. Mein Gut ist der Nimbus, der die spekulative Hoffnung umgibt, die ich auf meine Tochter, Baronesse Melanie, sebe. Daß ich sie nur einem sehr vermögenden Manne gebe, ist natürlich, denn sie soll mir dereinst in alten Tagen die Opfer vergüten, die ich für sie gebracht. Aber selbst bei diesem ist es, Sie werden es begreifen, Kommerzrath, von bester Wirkung, wenn sein Schwieger­vater sich Besizer von Wolfshagen nennt, abgesehen davon, daß er natürlich meinen Besitz schuldenfrei zu machen sich verpflichten muß. Im andern Fall muß mir natürlich der Kaufpreis diese vereitelte Spekulation mitbezahlen."

Mein Blut wallte über. Und wenn nun beides Sie täuschte," rief ich; wenn sich, ehe sich ein Käufer für Ihre Tochter, die Sie zur Waare entwürdigen, ebensowenig als für Ihren Besitz, den Sie, obwohl er für Sie ein Gegenstand der Pietät sein müßte, als Spekulation behandeln, fände, mehr noch, wenn die Ihnen drohende Subhastation plöglich, wie das jüngste Gericht, herein­bräche, und Sie Wolfshagen zu dem Preise lassen müßten, den Abraham oder Ihig schon im voraus bestimmt und durch List erzwingen?"

Purpurn färbten sich des Freiherrn Wangen. ,, Wer wagt es, in Willhards, Baron von der Hellens Hause von Subhastation zu sprechen?" rief er.

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Meinen Sie mir zu imponiren durch olympischen Zorn?" fragte ich, ruhig bleibend. Ich, Kaspar Ehrenfried Waldenau, wage es, und mehr noch, ich würde sie vollziehen lassen, Ihnen nach Verdienst, ohne allen Verzug, hielte nicht die Rücksicht auf Ihre Tochter meine Hand, deren Name mit ebensoviel Liebe und Verehrung genannt wird, als es mit dem Ihren das Gegentheil."

Von der Hellen sprang auf. Wollen Sie mich in meinem eigenen Hause beleidigen?" schrie er. Thun Sie, was Ihnen recht dünkt; noch bin ich Herr hier und vermag der Unverschämt heit des Parvenü

Mein Vater!"

Der Alte hielt inne; augenscheinlich war der Wohlklang der milden, ruhigen Stimme, die ich schon im Vorzimmer vernommen, doch nicht ohne Wirkung auf ihn. Und ich?

Ich schaute wieder und wieder, wortlos, der Bewegung un­mächtig. Selbst der Höflichkeit gewöhnlichste Form, die fonven­tionelle Verneigung, unterließ ich. Die Baronesse Melanie, nur sie konnte die Eintretende sein, hatte leicht zum Gruße ihr Haupt