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Sie, tönte es mir aus vielen Kehlen entgegen- Frau Sander hat sich ertränkt. Schiffer fanden sie unweit der Stadt an einsamer Stelle. Sie ist hergebracht. Sie liegt oben in der guten Stube! Ich rannte hinauf, ich öffnete die Thür. Sander stand stumm, unbeweglich an dem entseelten Leichnam seiner Frau. Der kleine Sohn weinte und jammerte. Die Todte war bleich wie Marmor und die feuchten schwarzen Haare hingen ungeordnet an den Schläfen herunter!- Ich ergriff die starre Hand, die sie so oft liebevoll auf meine Schultern gelegt hatte, wenn sie mich den ,, Unverbesserlichen" schalt!- Mir wogte die Brust; ich hätte so vieles sagen können, aber ich war stumm - ich weinte selbst.- ,, Was Gott thut, das ist wohlgethan," sagte Sander. Das schreckte mich aus meiner Wehmuth auf. ,, nein," antwortete ich. Was Menschen thun, ist oft nicht wohlgethan. Das Gewissen wird's ihnen sagen!"-

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Wieder, wie vor einem Jahre, sah ich einen Sarg hinaus geleiten, die Reste eines Menschen, den ich trotz aller Irrthümer lieben gelernt hatte. Wieder sah ich diejenigen an dem Todten schreine   stehen, die die ungeheure Schuld des Mordes auf sich lasteu haben!- Aber ich ließ mich nicht wieder zu einer wüthigen, öffentlichen Anklage von meinen Gefühlen verleiten.- Pastor B.. machte ein ehrbares, frommes Gesicht. Er begleitete wider Gewohnheit die Leiche eines Selbstmörders, vielleicht be­wußt seiner Sünde, vielleicht auch nicht! Als er mich erblickte, glitt ein verächtliches Lächeln über seine Züge, nur für einen Augen blick, dann sprach er salbungsvoll: ,, Lasset uns den letzten schweren Gang antreten!"

Nun ist die Todte eingescharrt. Ich werde für eine Gedenk­tafel Sorge tragen. Sander wird es wohl doch nicht thun. Er

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ist nun ganz fromm geworden. Meine Hoffnung für ihn ist auf den Nullpunkt angelangt. den Nullpunkt angelangt. Morgen werde ich mich nach einer anderen Wohnung umschauen!

So schrieb ich gestern. Heute weiß ich, daß ich keine Woh­nung hier am Orte mehr brauche. Ich kann mein Bündel schnüren, meine Baarschaft zählen und mich davontrollen. Es ist meinen Feinden gelungen, mich meines Brotes zu berauben, aber nicht gelungen, mich zu entmuthigen.

Brief von Weise!

Mein Herr!- Sie haben fortgesezt meinen Sohn durch irreligiöse Lehren zu bethören gesucht. Zur guten Stunde habe ich kenntniß davon erlangt und ich danke Herrn Pastor B.. für den freundlichen Wink von der drohenden Gefahr für das Gemüth meines Sohnes von ganzer Seele! Ich kann Sie nicht länger den Unterricht fortführen sehen, und indem ich Ihnen anbei das Salair für Ihre Bemühungen sende, muß ich Sie bitten, von heute ab alle Verbindungen als aufgelöst zu be­trachten."

Ich wollte Weise persönlich die Antwort übermitteln. Er ließ sich verleugnen. Sein Sohn aber hatte mich kommen sehen, drückte mir heimlich die Hand und sagte: Ich bin nicht daran Schuld, wirklich nicht. Papa hat sich verheyen lassen."- ,, Denke oft an mich," versezte ich bewegt, und vergiß nicht, daß man rastlos nach der Wahrheit streben muß, die den Menschen der Thorheit und der Gläubigkeit überhebt." Dann ging ich. Wo­hin? Ich weiß es noch nicht, aber es flüstert in mir leise eine Stimme: ,, Deinem guten Genius folge!" ( Fortsetzung folgt.)

Dem Schicksal abgerungen.

Novelle von Rudolph von 33...... ( Fortsetzung.)

Einige Wochen nach Weihnachten   finden wir die beiden Wichtel,| nichts anderes gewesen, als ein bewaffneter Friede, dem der offene Vater und Sohn, wieder einmal im Arbeitszimmer des ersteren Krieg- meine ich unter allen Umständen vorzuziehen ist." beisammen. Der Justizrath wiegte ärgerlich den grauen Kopf. " Immer die alten üblen Angewohnheiten. Lange Vorträge und wenig Inhalt. Sage mir lieber, wie du dir das Ziel des Krieges vorstellst, aber kurz, wenn ich bitten darf."

" So hätten wir denn Krieg," sagte der Justizrath, indem er faltblütig die Cigarre aus einem Mundwinkel in den andern schob.

,, Krieg bis aufs Messer," bestätigte der Sohn.

Mit wem alles, mein Lieber?"

" Mit deinem alten Freunde Alster   und unserem gemeinschaft­lichen Freunde Schweder."

,, Und mit Senkbeil und Schneemann dazu, dächte ich." " Ist nicht nöthig, im Gegentheil! Divide et impera, theile und herrsche. Senkbeil und Schneemann können wir zu Bundes­genossen werben."

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, Du kennst meine Feindschaft gegen alle Phrasen," meinte der alte Herr mit ungeduldigem Achselzucken. Der Versuch mit dem Divide et impera ist uns soeben noch mißglückt: dir mit deiner Absicht, dich wieder mit Schweder zu stellen, um Alster  von seinem für uns gefährlichsten, weil schlauesten Alliirten zu isoliren, mir mit meinem Bemühen, über den bockbeinigen Narren, den Alster, die alte Macht wiederzugewinnen und so dem Schweder seine wesentlichste Stüße zu nehmen."

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, Cher papa, ich meine, wir hätten uns über den wahrschein lichen Erfolg dieser unserer Versuche von vornherein nicht ge­täuscht. Ich habe beide nur als Rekognoszirungen betrachtet. Daß Schweder mir zuliebe nicht den albernen Bengel, den Lauter, fortjagen wird, wie ich es als Bedingung für eine Aussöhnung zwischen uns beiden durch einen unserer beiderseitigen Bekannten von Schweder verlangen ließ, das wußte ich wohl. Und daß Alster längst Wind davon hat, wie wenig reelle Garantieen unsere Vermögensumstände ihm für die Fortdauer geschäftlichen Zusammenwirkens bieten, oder gar für den Fall der Verknüpfung unserer Häuser durch die famose Ehe, welche die Herren Väter seit Jahren so köstlich vorbereitet haben, das ist doch wohl über allen Zweifel erhaben. Der biedere alte Freund wollte seit langem los von uns und sein Fräulein Tochter mußte mir den Laufpaß geben. Darauf hatte der alte Fuchs sie dressirt. Daher wäre eine Aussöhnung, wenn sie auch scheinbar gelungen, doch eben

" Das Ziel, nun, was so die Kriege für ein Ziel haben: Ver­nichtung des Gegners."

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Das heißt?"

" Der, Tageskorrespondent', der für Schweder die Leiter werden sollte, und zum Theil schon geworden ist, zu öffentlicher Bedeu­tung, muß ruinirt und Schweder muß gezwungen werden, sich wieder in das Dunkel seiner vegetativen Privatexistenz, in der er unsere Kreise nicht stört, zurückzuziehen das ist Nummer eins meines Programms. Dann kommt Alster   an die Reihe." " Nun?"

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Der junge Wichtel antwortete mit einer Gegenfrage: ,, Kann sich eure Fabrik mit den Bestellungen, welche sie von unsrer Bahn bekommen wird, auf die Dauer halten?" ,, Nein," erwiderte der Justizrath kurz.

" Das setzte ich voraus, obgleich ich nicht recht begreife, warum mein fluger Herr Vater sich von diesem sauberen Geschäfte nicht längst loszumachen versucht hat, in das nus ja nur die Noth­wendigkeit, unsere Kreditfähigkeit durch einen großen Coup wieder aufzufrischen, hineingezwungen hat."

Wenn die Inangriffnahme sämmtlicher Bahnbauprojekte be­schlossene, unabänderliche Sache ist, wenn dann die Bestellungen unsere Fabrik überfluthen, dann wäre die Gelegenheit da zum Rückzug. Vorher aber ist nicht daran zu denken."

Du meinst also, Alster und Senkbeil werden die Einsicht nicht gewinnen, daß die Alliance unsrer Bahn mit der Fabrik legtere nicht für alle Ewigkeit rentabel macht?"

Schwerlich. Alster   ist der alte Hans in allen Gassen, oder vielmehr ein Mensch, dem seine wirklich großen Geschäfte längst über den kleinen Kopf hinausgewachsen sind, und Senkbeils Ver stand lebt erst recht von der Hand in den Mund."

" So sagen wir uns denn einfach von der Kompagnie Alster, Senkbeil im geeigneten Momente los, ziehen unser Geld