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Fiel doch nun auf ihn und seine ganze Kostenberechnung ein Schatten des Verdachtes, er habe überhaupt Preise angesetzt, welche sehr gut noch um ein Beträchtliches ermäßigt werden fönnten. Auf vierzig millionen Mark waren die Gesammtkosten der in bestimmte Aussicht genommenen Bauten angenommen. Wenn nun überall zehn Prozent erspart werden konnten, im ganzen also vier Millionen, so hatten die Bahnaktionäre gewiß keine Ursache, über des Herrn Oberbauraths sorgfältige und gewissenhafte Berechnung sich besonders zu ergößen.
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Es war also eine riesige Tattlosigkeit von Alster , das bestätigte Herrn Schneemann der verehrteste von allen seinen Freunden, der Justizrath Wichtel, daß er auf Waldstein solange gedrückt, bis dieser einen so lächerlich mäßigen Preis acceptirt habe. Da hatte er, der alte Wichtel, die Sache ganz anders angefangen. Als Waldstein ihm im letzten Augenblick, noch vor der jüngsten Verwaltungsrathssigung, das Angebot gemacht, er wolle den Viaduktbau übernehmen, hätte er es natürlich für seine Freundespflicht gehalten, Waldstein darauf aufmerksam zu machen, daß er bei seinem Angebot den Kostenanschlag des Oberbauraths nur um ein Unbedeutendes unterbieten dürfe. Mit schwerem Herzen habe er sich entschlossen, von den bewußten fünf Prozent Preisermäßigung zu sprechen, und unter keinen Umständen würde er geduldet haben, wenn man ihm die Leitung der Verhandlungen aufgetragen, daß Waldstein im Preise noch mehr herabginge.| Fatalerweise sei er augenblicklich noch mit Alster zerfallen
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gleichfalls einer ganzen Kette von Taktlosigkeiten Alsters wegen, der den ehemaligen Krämer, die mangelhafte Geistes- und Herzensbildung nun einmal nicht verleugnen fönne, es sei ihm also die Möglichkeit benommen gewesen, so bitter leid es ihm gethan, von Schneemann diese Erschütterung seines Ansehens und des Vertrauens, das er bei den Aktionären der Bahn genieße, abzuwenden. Er wolle sich übrigens erlauben, Schneemann anzudeuten, wie er der drohenden Blamage ein Paroli bieten könne. Er habe sich, leider zu spät, um das Pech zu verhindern, mit Waldstein noch einmal in Verbindung gesezt, und von diesem nach vielen Bemühungen herausbekommen, daß er den Viaduktbau nur darum um einen solchen Spottpreis herzustellen vermöge, weil er ein Arbeiterheer von zweitausend Italienern für Frühling, Sommer und Herbst gedungen habe, die mit einem gradezu hundemäßigen Arbeitslohne zufrieden seien. Der Oberbaurath brauche nun blos seinem Kostenanschlage ein Nachtragsmemorandum hinterdreinzuschicken, in welchem er, natürlich ganz aus eigner Initiative, daß er, Wichtel, den Rath gegeben, brauche ja niemand zu wissen, den Vorschlag motivirt, für die Arbeiten auf den von der eigenen Baukommission fertigzustellenden Bahnstrecken ebenfalls Italiener , eventuell auch Ober schlesier , Polen u. s. w. zu engagiren, dann wäre es jedenfalls leicht, noch billigere Preise zu stellen, als Waldstein, diesen also zu übertrumpfen und sich um die Bahn ernstlich verdient zu machen.
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( Fortsetzung folgt.)
Forschungsfahrten im nördlichen Polargebiet. Geschichtliche Zusammenstellung von Dr. M. Traufil. ( Schluß.)
Seither sind Jahre vergangen; die englische Expedition unter Commodore Nares ist mit einem gründlichen Mißerfolg heimgekehrt, und hat so Weyprechts Säße durch ein warnendes Exempel trefflich illustrirt aber was ist von Seiten der Presse, der Geographen von Fach, der Vertreter der Naturwissenschaften zur Förderung und Verbreitung dieser richtigen Erkenntniß gethan worden?
In mehreren Zeitungen wurden Stimmen laut, welche Weyprecht unlautere oder wenigstens kleinliche Motive seines Auftretens unter schoben; die gelehrte Welt mag wohl im Stillen jener Rede beigestimmt haben, aber was ging sie die Sache näher an? In den geographischen Vereinen wurde viel hin und her räsonnirt über Mangel an Verständniß der hohen Probleme der Erdkunde u. dgl., und von den tonangebenden Leitern der Fachblätter gingen die meisten auffallend rasch über die unbequeme Geschichte hinweg; nur F. v. Hellwald brachte im ,, Ausland"( 1875, Nr. 42) einen Artikel ,, Zur Polarforschung der Gegenwart", worin er zwar dem gleich zu besprechenden Plane Weyprechts für fünftige Polarforschungen einige Worte der Anerkennung widmet, im übrigen aber darzulegen sucht, wie einseitig Weyprecht die physikalische Forschung auf Kosten der geographischen bevorzuge, letztere beinahe als unwissenschaftlich charakterisire, während doch ,, vom Standpunkte der allgemeinen Wissenschaft, welche überhaupt Erweiterung des menschlichen Wissens anstrebt, beispielsweise die Auffindung und Erforschung des Franz- Joseph- Landes genau ebensoviel werth sei, wie die Entdeckung eines neuen Gesetzes der Stürme oder die Ergründung der Nordlichtursachen." Ohne weitere Beweise wird die alte Behauptung einfach wiederholt: die auf solchen Expeditionen gemachten Forschungen aller Art bildeten ,, eine namhafte Bereicherung der physikalischen Wissenschaft;" sie seien ,, ein kostbares Material", dessen Sammlung durch das Streben nach geographischer Entdeckung keineswegs behindert werde. Und diesem, der großen Berechtigung der Weyprecht'schen Ansichten doch wohl lange nicht entsprechenden Bemerkungen stimmt selbst A. Peter mann in den ,, Geographischen Mittheilungen" mit dem Zusage bei: ,, Weyprechts Erwiderung( im ,, Ausland" 1875, Nr. 46), in der er seinen Standpunkt energisch vertheidigt und sich namentlich gegen die Verwechselung von geographischer Forschung" mit ,, Sucht nach geographischer Entdeckung" verwahrt, sei doch wohl nicht im stande, Hellwalds Argumente zu entkräften.( Leider hat der Tod A. Petermann , den größten Förderer der Erdkunde, am 25. Sept. 1878 aus der Liste der Lebenden gestrichen). Mit Ausnahme der Engländer haben fast alle Geographen nichtdeutscher Zunge Weyprechts Vorschläge mißbilligt. Solches Ge bahren der ,, Koryphäen" erscheint um so befremdender, als Weyprecht sich keineswegs mit der Verurtheilung des bisherigen Modus begnügte, sondern einen sehr einfachen und leicht praktikabeln Weg wies, auf dem der Lösung der arktischen Räthsel wirklich mit Erfolg näher zu kommen wäre. Es bedarf ja, wie wir gesehen haben, vor allem umfassender, genauer und gleichzeitiger Beobachtungen an den verschiedensten Punkten des Polargebiets, und diese sind nur zu erlangen mit Hülfe einer Anzahl wohl ausgerüsteter Stationen. Weyprecht meint, daß es zunächst genügen würde, auf Nowaja Semlja unter 760, auf Spißbergen
unter 780, im westlichen oder östlichen Grönland zwischen 760 und 780, nördlich oder östlich von der Beringsstraße unter 710 und an der Mündung der Lena unter 700 nördlicher Breite solche Stationen zu errichten, welche bereits einen Beobachtungsgürtel um das ganze arktische Gebiet bilden und mit Bestimmtheit werthvolle Resultate ergeben würden. ,, Mit den Mitteln, welche eine einzige neue Expedition zur Erreichung der höchsten Breiten kostet, ist es möglich, diese sämmtlichen Stationen auf ein Jahr zu beziehen. Die Aufgabe wäre die: mit gleichen Instrumenten zu möglichst gleicher Zeit durch ein Jahr Beobachtungen anzustellen. In erster Linie wären die verschiedenen Zweige der Physik, Botanik, Zoologie u. f. w. und in zweiter Linie erst die geographischen Entdeckungen zu berücksichtigen. Wäre es möglich, gleichzeitig Stationen im antarktischen Gebiete( um den Südpol herum) zu errichten, so würde der Werth dieser Resultate um vieles erhöht werden."
Zur Unterstüßung oder näheren Erläuterung dieses sofort von selbst einleuchtenden Plans noch etwas beizufügen, wäre überflüssig; es sei deshalb nur erwähnt, daß der um die arktische Forschung so hoch verdiente Graf von Wilczek in Wien , der selbst eine Fahrt nach Spizbergen unternommen und nachher die Kosten der österreichischen Expedition zum guten Theil durch seine Beiträge deckte, bereits diejenigen Mittel in Aussicht stellte, welche nöthig sind, um eine Betheiligung Desterreichs, für den Fall, daß das vorgetragene Projekt zur Ausführung kommt, zu sichern. Wenn wir nun bedenken, mit welchem Eifer von Regierungen und Privaten seither die Mittel geliefert wurden, so oft es galt, ein derartiges wissenschaftliches Werk zu ermöglichen; wenn wir uns nur daran erinnern, welche Einmüthigkeit und gegenseitige Zuvorkommenheit die maßgebenden Persönlichkeiten aller civilisirten Länder vor zwei Jahren bewiesen haben und jetzt neuerdings beweisen, um den rückkehrenden Nordenskiöld, der am 14. Februar mit der ,, Vega" in Neapel eingetroffen ist, zu feiern so werden wir uns wohl der Hoffnung hingeben dürfen, daß Weyprechts Idee allmählich auch in weiteren Kreisen Anklang finden wird.
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Hut ab vor England! Trozdem es in zwei Welttheilen, in Afrika und Asien , Krieg führt und in Irland von einer agrarischen Bewegung bedroht ist, hat es noch immer Muße genug, Weyprechts Pläne zu prüfen und zu billigen. Das Londoner arktische Komité hielt am 2. Januar 1880 eine Sigung, in welcher Commodore Cheyne mittheilte, daß ihm in allen Städten, die er seit der letzten Komitésizung besucht, die größte Ermunterung zu der neuen arktischen Expedition nach Weyprechts Prinzipien zu Theil geworden sei. Ueberall wurde der Wunsch gezeigt, einer solchen Expedition Vorschub zu leisten. Sämmtliche lokale Komités in den Provinzen warteten jetzt thatsächlich nur auf den Beschluß des Centralkomités, wie in Betreff der Beschaffung der nöthigen Fonds vorgegangen werden solle. Auf den Antrag Naekirells wurde beschlossen, unverzüglich Subskriptionslisten im ganzen Lande auszulegen. Der Lord Mayor( Bürgermeister) von London hat eingewilligt, in der Frage betreffs einer arktischen Expedition am 7. Januar eine Deputation zu empfangen.( Ist mittlerweile geschehen). Damit auch dem excentrischen Nationalcharakter der Engländer Rechnung getragen werde, will man statt der Schlitten den Luftballon in Anwendung bringen. Bezüglich dieser Anwendung als Hülfsmittel zur Erreichung des Poles äußerte Coxwell, ein bewährter Luftschiffer, seinen festen Glauben an deren großen Werth, und glaubte,
Nr. 28. 1830.