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Ehren des einziehenden Herrschers auf der Straße aufgeführten Schauspiele die vornehmsten und schönsten Mädchen der Stadt fast gänzlich entkleidet, ohne Hemd und nur mit einem dünnen Flor umhüllt, betheiligten. Der ernste junge Kaiser soll nicht hingesehen haben. Albrecht Dürer , der dies seinem Freunde Melanchton schreibt, gesteht aber, daß er sie sich sehr genau angesehen habe, ,, weil er Maler sei." In demselben Grade, wie hier die Frivolität, tritt andererseits der Luxus auf. Die Hauptrolle spielt von der frühesten Zeit an der Schmuck; vor allem wird derselbe in sehr luxuriöser Weise im 15. Jahr hundert getragen. Die Herren trugen ihn an Müßen und Hüten, selbst in den Haaren; außerdem große Ketten um den Hals und Ringe an den Fingern. Die Damen besäeten, soweit es nicht verboten war, den ganzen Körper mit Perlen und Edelsteinen. Um den freien Hals und den nackten Schultern lagen die vielgestalteten Ketten oft sechs- und fiebenfach. Die Haare und Kleidungsstücke waren mit Perlenschnüren durchflochten; zu diesen gesellte sich noch ein reichverzierter Gürtel, fostbare Heftel und Brochen, Nadeln u. dgl. Außerdem Armbänder und Fingerringe, welch' lettere gewöhnlich am ersten und zweiten Gliede der Finger in vielen Exemplaren getragen wurden. In einzelnen Städten, wie z. B. in Bologne, bestimmte die Obrigkeit, daß Damen bom alten Adel nur sechs, die Frauen und Töchter der Künstler und Handwerker dagegen nur zwei Ringe tragen dürften. An anderen Orten war hingegen das Tragen derselben in unbeschränkter Weise gestattet. So hinterließ die Gemahlin des Herrn Georg Winter in Nürnberg bei ihrem 1485 erfolgten Tode außer anderem Schmuck über dreißig Ringe. Eine Breslauerin, Jungfrau Margarethe, Tochter des Niklas von Brige, erhielt 1470 außer Gürteln, Hefteln und Ketten noch 36 goldene Ringe als mütterliches Erbtheil. Desgleichen hinterließ eine andere Breslauerin 20 goldene Ringe, welche sie an einem größeren Ring aufbewahrt hatte. Was für Preise für den Aufwand an Buzz in bürgerlichen Kreisen der damaligen Zeit gezahlt wurden, dafür nur einige Beispiele. Unter der Aussteuer, die ein breslauer Bürger seiner Tochter mitgab, befanden sich ein mit Perlen besettes Leibchen im Werthe von 24 Gulden, ein Gürtel von 20 und ein Trauring von 25 Gulden Werth. Für Stickereien auf beiden Achseln eines Mantels, den sich Bernhard Rhorbach aus Frankfurt 1464 zu einer Hochzeit machen ließ, zahlte er 24 Gulden; derselbe ließ einst den Aermel eines Rockes so schwer besticken, daß das Silber 11, Mark wog. Die Aussteuer, welche ein Bürger von Breslau 1460 seiner Tochter mitgab, hatte einen Werth von 470 Gulden. Man vergesse nicht, daß genannte Summen gegenüber dem heutigen Gelde einen bedeutend größeren Werth besigen. Ein Ritter aus dem schwäbischen Rittergeschlecht der Ehinger, welches durchaus nicht zu dem reichsten Adel zählte, hinterließ bei seinem Tode soviel an Kleidern, daß aus einem Theil derselben, welcher in Frankfurt verkauft wurde, 1500 Gulden gelöst wurden. Im Bürgerstande griff der Lurus bald derart um sich, daß die Obrigkeit, um dem Adel seine Würde zu retten, ihre Bestimmungen traf. Es that auch noth, wenn Seb. Brant recht hatte, als er sagte:
,, Es kommt daher eines Bürgers Weib Viel stolzer, denn eine Gräfin thut. Wo jetzt Geld ist, da ist Hochgemuth. Was eine Gans von der andern sieht,
Darauf ohn' Unterlaß sie dicht't,
Das muß man haben, es thut sonst weh. Der Adel hat keinen Vortheil meh."
Der Adel hat keinen Vortheil mehr." Nun, die Verordnungen der hohen Obrigkeit von damals sind auch nicht im Stande gewesen, dem Adel seine Vortheile zu erhalten. Daß sich der Geist der Zeit nicht durch Berordnungen bestimmen läßt, zeigt recht deutlich die auf dem Reichstage zu Augsburg 1530 und 1548 erlassene ,, neue Kaiserliche Ordnung und Reformation guter Polizei im heiligen römischen Reiche." Nach dieser sollten die Edelfrauen nur vier Kleider aus den kostbareren Stof fen besigen. Gegen Ende des Jahrhunderts kümmerten sich die betreffenden jedoch nicht im mindesten um diese Bestimmung. So hinterließ zu Anfang des 17. Jahrhunderts eine Edelfrau 32 vollständige Anzüge, ihr Mann Hans Meinhard von Schönberg dagegen 72 Anzüge, exklusive einer gleichen Anzahl mit Gold und Silber gestickter Handschuhe und 21 Hüten, wozu 26 Stück farbige Federn gehörten. Um dieselbe Zeit wurde an Arbeitslohn für ein männliches Gewand 600 Thaler gezahlt, welch' hoher Preis sich daraus erklärt, daß ungeheure Massen von Verzierungen an Spizenbesaz, Stickereien, Goldborden, Perlen und Juwelen angebracht wurden. Die Königin Maria von Medicis soll bei der Taufe ihres Sohnes einen Rock getragen haben, der mit 32 000 Perlen und 3000 Diamanten besetzt war. Der Marschall Bassonpierre ließ sich zur Taufe der Dauphine( ältesten Prinzessin) ein Kleid fertigen, welches ihm 14 000 Thaler foftete, die Stickerei allein 600 Thaler. König Heinrich III. trug einst auf seinem Anzuge 4000 Ellen Goldborden. Als sich der König Sigismund von Polen mit der Erzherzogin Constanzia verheirathete, kostete das Hochzeitskleid der beiden 700 000 Thaler ohne die großen Diamanten, von denen sich fünf am Hut des Königs befanden und einen Werth von einer Million Goldes repräsentirten. Heinrich IV. schenkte Maria von Me dicis gelegentlich seiner Vermählung mit ihr ein Halsband im Werth von 200,000 Kronen, ein Bruststück von 100 000, und für weitere 200 000 Fronthaler Ringe und andere Kleinodien. Philipp II. soll einst seiner Gemahlin Elisabeth eine Schüssel des kostbarsten Salats
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geschenkt haben, in der die Topasen das Del, die Rubinen den Essig, Perlen und Diamanten das Salz und die Smaragden den grünen Salat bedeuteten. So arg war der Prunk an den deutschen Fürstenhöfen allerdings nicht; wenigstens damals. Wer aber wüßte nicht, mit welcher Gier von den biedern Deutschen alles derartige aufgefaßt und angeeignet wurde! Und so werden wir auch später Gelegenheit nehmen und zeigen, wie gerade die Unarten der Franzosen in erster Linie von den höheren Gesellschaftsklassen Deutschlands in unserem Vaterlande eingebürgert wurden, wofür sich denn die Verehrer und Träger derselben hüben und drüben mit dem bekannten Titel ,, Erbfeind" belegten.
nrt.
Die
Die Hermesstatue des Prariteles.( Bild Seite 328.) Schilderung Olympia's, des Fundortes der herrlichen Statue des Praxiteles, haben wir in Nr. 2 des laufenden Jahrgangs der ,, N. W." geliefert. Daß man die Bestimmung der Gebäude und die Bedeutung ihres Bilderschmuckes aus den ausgegrabenen Trümmern der Tempelstadt Olympia annähernd feststellen kann, verdanken wir der genauen Beschreibung des Vitruv und Pausanias , welche beide ihre zahllosen Kunstschäße vor ihrer Zerstörung gesehen haben. Am 8. Mai 1877 wurde 90 Meter nördlich vom Zeustempel zwischen den parallelen Mauern eines antiken Gebäudes die nackte überlebensgroße Marmorstatue eines jugendlichen Gottes gefunden, welcher, nach den verstümmelten, leider spärlich vorhandenen Resten zu urtheilen, auf dem linken Arm ein Kind trägt. Da Pausanias in seiner Beschreibung von Olympia unter den Bildwerken des Heratempels eine Gruppe mit den Worten anführt: ,, Hermes von Marmor; er trägt das Knäblein Dionysos und ist ein Wert des Praxiteles," so lag es nahe, in der gefundenen Statue die von Pausanias gesehene wieder zu erkennen und den Raum, in dem sie gefunden, als die von Vitruv beschriebene Cella des Heratempels aufzufaffen. Die weitere Ausgrabung bestätigte zunächst die letztere Annahme. Genau in der Gegend, wo nach Vitruv und Pausanias das Heraion zu suchen war, am Südwestfuß des von uns in Nr. 2 beschriebenen Kronoshügels, wurden die stattlichen Reste eines auf zwei Stufen stehenden dorischen Tempels blosgelegt, welche nach Lage, Größe und alterthümlicher Behandlung nur dem Heraion angehören können. In der Cella dieses Tempels, dicht neben dem Play, wo sie einst gestanden, lag die Statue mit dem Gesicht auf der Erde, leider der Füße beraubt, aber mit völlig unverlegtem Kopf, dessen Ausdruck die echtesten Züge eines Kunstgenius ersten Ranges an sich trägt. Die trotz aller Verluste, namentlich der Hermesfüße und des Dionysosknäbleins, noch wunderbar genug erhaltene Gruppe bestätigt in vollem Maß, was die neuere Alterthumswissenschaft kraft immer schärfer eindringenden Studium in die Geschichte der griechischen Plastik von der Kunstrichtung und Sinnesweise des zweitgrößten Bildhauers von Hellas, Prariteles genannt, festgestellt hat. Fern lag diesem Meister das Gebiet des Heroischen und Hochpathetischen; mit Vorliebe bewegte er sich im Kreis milderer Affekte. Weniger Leidenschaften als Stimmungen brachte er zum Ausdruck, und unter diesen besonders solche, welche Gefallen erweckten und bei dem Beschauer einen reinen und ungetrübten Genuß zurückließen. Bei aller Natürlichkeit die höchste Grazie in der Wendung, neben der Hoheit und Würde in der Gestalt eine Weichheit und ein Fluß in den Formen, endlich eine Technik in der Behandlung der Haut und aller weichen Fleischtheile sowie aller Stoffe das zartgewebte Mäntelchen des Kindes ist von dem gröberen Zeug des aufgehängten Mantels ebenso bestimmt unterschieden als die Haut in beiden Gestalten, kurz eine ganze Reihe von Vorzügen, welche wohl einzeln bei den besten Statuen bisher beobachtet worden sind, aber niemals in einer so summarischen und doch völlig harmonischen Fassung. Praxiteles' Schöpfung ist ein plastisches Idyll und stellt eine Episode aus der Jugendgeschichte des Dionysos dar. Gleich nach der Geburt hatte Zeus das zarte Knäblein seinem Sohne Hermes, dem Götterboten, übergeben, um es fürsorglich den nysäischen oder dodonäischen Nymphen zur Pflege und Erziehung zu bringen. Bei Erledigung dieses Auftrages oder vielleicht bei einem späteren Besuch hat Hermes nun das Knäblein auf den Arm genommen, um dasselbe durch ein neues und unerwartetes Geschenk zu erfreuen. In vollster Jugendblüthe, aber in bequem lässiger Stellung stüßt sich der Gott mit dem linken Ellnbogen auf einen Baumstamm, den der abgelegte Mantel in malerischem Faltenwurf geschickt verhüllt. Auf dem linken Unterarm trägt er den Knaben, der soeben im Begriff ist, sich etwas ungeduldig von seinem Siz zu erheben. Schon hat das rechte Füßchen auf einem Astknorren des Baumstammes eine Stüße gesucht und gefunden. Indem er nun das rechte Händchen zuthulich auf die Schulter des älteren Bruders legt, ist er im Stande, sich etwas zu heben, und ganz nach Kinderart, mit dem linken Händchen nach einem Gegenstand zu greifen, den Hermes in seiner rechten Hand gehalten hat. Leider ist Hand und Gegenstand abgebrochen und bis jetzt nicht aufgefunden worden. Ueber den muthmaßlichen Gegenstand, Traube oder Stab, ist unter den Archäologen ein Streit entbrannt, der mit deutscher Gründlichkeit geführt wird. Der Größe des Kindes entsprechend, kann es nur ein kleiner Gegenstand gewesen sein. Die leise Neigung des Kopfes des Götterboten und sein Lächeln scheinen auf ein sinnendes Lauschen hinzudeuten. Dieser Umstand gestattet den Schluß, daß der verlorene Gegenstand weder eine Traube noch ein Stab, sondern etwas akustisch Wirksames, etwas Tonerzeugendes war und folglich sehr wahrscheinlich aus einem Baar Cymbeln( Klangblechen) bestand, welche durch einen dünnen Riemen
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