Jllustrirtes Unterhaltungsblatt für das Volk. Erscheint wöchentlich.— Preis vierteljährlich 1 Mark 20 Pfennig.— In Heften ä 30 Pfennig. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter.
Ein verlorner Mann. Von Kermann Kirschfekd.
(Fortsetzung.)
Sie ist mein,— niir schwindelt bei dem Gedanken— mein, das köstlichste Kleinod der Erde; mein, alles was irdisches Gluck umschließt: Gesundheit, Reichthum und sein Höchstes, ein Weib, blühend, in Jugendfrische. Verdiene ich soviel der Seligkeit? Ja! Wer liebt, wer fühlt, wie ich, darf lieben. Ich preise das Geschick, das Herz und Sinn mir rein und frisch erhielt, um die ganze Größe seiner Gabe zu empfinden. Als ich in fieberhaft erregter Stimmung in Wolfshagen an- langte, fand ich Melanie allein. Der Baron hatte einen Spazier- gang unternommen, von dem er jeden Augenblick zurück sein mußte. Ich nutzte die Gelegenheit, ich öffnete ihr mein Herz in seiner ganzen Fülle,— ich sprach zu ihr lange, lange.— Un- verwandt, ernst mir ins Auge blickend, hörte sie zu; selbst als ich des Namens Oswald Frankenthal erwähnte, der Unterredung, die ich soeben mit seinem Vater gehabt, veränderte sich kein Zug des milden, sinnigen Antlitzes. Nun war ich zu Ende, nun hatte ich ihr meine Hand an- getragen,— alles, alles, lvas ich mein nannte an Liebe und Besitz auf Erden. Stockenden Athems harrte ich ihrer Antwort. „Die Stunde, die über mein Schicksal entscheidet," erwiderte sie ruhig,„ich habe sie vorausgesehen, vorauserwogen, wie ich zu Ihnen rede.— Vernehmen Sie meinen Entschluß. Ich stand am Sterbebette meiner Mutter,— am Boden, aufgelöst in Weh- »»Ith, lag Baron der Hellen,— die Gatten hatten sich geliebt; trotz aller Schwächen, aller Fehler des Gemahls hatte Leonore an dem leichtlebigen, aber von Charakter gutmüthigen Manne gehangen, der erst nach ihrem Scheiden, verführt durch schlechte Gesellschaft, sich mehr und mehr seiner Würde entäußerte. Am Lager der Theuren gelobte ich, den letzten Wunsch zu erfüllen, die alten Tage meines Vaters sollte ich, soviel es an mir lag, sorgenftei, glücklich gestalten,— der Sterbenden prophetischer Geist mochte die Zukunft ahnen. Ich versprach, alles wolle ich thun, was sich vereinen ließe mit Ehre und Würde, bereit, außer jenen Kleinoden, zu jedem Opfer. Sie wußte, meinen Schwur werde ich halten. Sie lächelte und starb." Melanie hielt inne,— nun sah ich eine Thräne in dem großen, dunklen Auge perlen.,. �.,..,. Ich kam zu meiner Tante nach H.," fuhr sie nach einer Pause fort Oeftere Gelegenheit führte mich mit Oswald Frankenthal zusammen. Das bescheidene, brave Wesen des jungen Mannes, der kein Hehl aus seinen Verhältnissen machte, die Theilnahme,
der er sich in allen Kreisen erfreute, gewann ihm auch niein Herz. Er ward mir Werth, er ist es noch und wird es bleiben." „Bielanie!" „Mir ahnt, daß er H. verließ und nach Rothenstein kam, weil er mich auf dem nahen Wolfshagen wußte. Wir sahen uns wieder,— zum erstenmal, schüchtern, erröthend, redete er von seines Herzens Gefühlen. Er beschwor mich, ihm meine Zukunft zu vertrauen, ihm Hoffnung auf meine Hand zu gewähren,— und ich antwortete ihm offen, ehrlich, wie es meine Art, wie ich zu Ihnen rede in dieser Stunde. Ich sagte ihm, daß er mir Werth, daß ich mehr als bloße Theilnahme für ihn hege, aber nimmer die Seine werden könne, denn ich erwartete Ihren Antrag und war bereit, ihn anzunehmen." Ein Ruf des Entzückens drang aus meiner überwallenden Brust. „Melanie," rief ich,„Sie weisen meine Liebe nicht zurück? Sic wollen des alten Mannes Gattin werden? O Melanie, Melanie, wissen Sie, was es heißt, des alten Mannes, der da liebt mit aller Gluth, aller Leidenschaft der ersten Jugend?" „Ich fiirchtete das Resultat dieser Leidenschaft; mein Herz kämpfte schweren Kampf,— nun ist alles überwunden. Ja, Waldenau, ich nehme es auf, der Welt Gerede, nehme alles auf, was das Schicksal mir bestimmt. Zu meinen Füßen lag mein Vater und flehte mich an, Ihre Werbung nicht zurückzuweisen; an der Mutter Bitte erinnerte er mich, an mein Versprechen. Und ich? Ich ließ Ehre und Würde, jene Heiligthümcr, die ich mir bewahrt, unumschränkt zu Gericht sitzen, und Ja sprachen beide. Nicht Liebe kann ich Ihnen bringen, aber hohe Achtung; nicht Leidenschaft kann ich Ihnen versprechen, aber Freundschaft. Eine schöne Mission harrt meiner, eines Einsamen Pfad zu er- hellen, zu schmücken, und Ihr Pfad war einsam, trotz Ihres Reichthums freudeleer; eine theilnehmende Gefährtin will ich Ihnen sein, Waldenau, eine treue Gattin." Ich vermag nicht mehr, zu schreiben, die Erinnerung über- wältigt mich, Thränen der Seligkeit netzen das Papier,— sie ist mein, mein Melanie!-- Ich bin mit meinem Sohne gespannt; Herberts Zeilen, die ich von ihm infolge meiner Verlobungsmittheilung empfing, sind abscheulich. Der Habsucht zeiht er sie— der Habsucht, und doch weiß er, daß ich meine Geschenke nur auf die einfachsten Gegen- stände beschränken darf, weiß, daß eine Bedingung ihrer Ein-
V. 24«pril 1880,