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Zum erstenmal, seit Melanie mir das Jawort gab, standen sie sich gegenüber. Meine Gattin, mich im Spielzimmer glaubend, hatte mich aufsuchen wollen, Oswald war ihr gefolgt. Mit dem Ton unvergeßner Liebe sprach er, und doch streng in den Schranken des Anstands, herzlich war Melanies Entgegnung, Theilnahme flang aus jedem ihrer Laute, Innigkeit, keine Spur von Leidenschaft. Oswald fragte, ob sie glücklich sei. Sie vermied, direkt zu bejahen, aber sie erzählte so schlicht, so einfach von den Gaben, mit denen ich sie überhäuse, von der Achtung, die sie für mich empfinde, von dem Segen, den sie, dank der unumschränkten Mittel, die ich ihr zur Verfügung gestellt, um sich zu verbreiten im stande, daß meine Augen sich näßten. Auch Frankenthal schien bewegt, nur war's, als ob er fürchte, durch jede Andeutung der Leidenschaft eine Entweihung an diesem Herzen zu begehen, sein Ton ward ruhiger, wenn auch ein Ausdruck tiefen Seelenschmerzes hindurchklang. Indem er Melanie die Hand reichte, schien er Abschied von seiner Liebe zu nehmen.
Leben Sie wohl, Oswald Frankenthal, streben Sie weiter, ein Mann zu werden, dessen Namen man mit Ehren nennt, streben Sie um meinetwillen, Ihrer Freundin halber,- zum Ziel, das einstens Ihre Ideale sich gebildet."
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es mochte Mir war's, als zittere ihre Stimme ein wenig, die letzte Regung sein des Gedankens an eigene Träume, eigene einstige Ideale.
Noch immer ruhte ihre Hand in der seinen. Er hob sie empor, wie zum Schwur. Ich will's!" sagte er. Dann ließ er sie frei, und sich hastig von Melanie wendend, stürmte er davon. Mit einem Seufzer blickte sie ihm nach; dann trocknete sie ihr Auge und richtete ihre schlanke Gestalt empor. Mein guter Waldenau," sagte sie halblaut, es war eine Prüfung. Eine Elende wäre ich, hätte ich sie minder deiner würdig bestanden."
Sie verließ das Zimmer, und ich schlüpfte hinter meinem Versted hervor, Thränen des Glücks beneßten mein Antlitz. Ich wollte Oswald Frankenthal aufsuchen, ihm sagen, ich wußte selber nicht was, ich durfte ja mit feiner Andeutung verrathen, was ich gehört, empfunden. Zum Glück war er nicht zu finden; er mußte das Haus verlassen haben.
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Die Rede kam auf eine arme Familie, die einst bessere Tage gesehen und ohne Schuld in Noth gerathen war. Ein Bogen zur Zeichnung milder Gaben ward ausgelegt. Ich zeichnete für mich hundert Thaler, zweitausend im Namen meiner Gattin. Man soll sie segnen, sie lieben, wie ich sie liebe, sie segne. Melanie!
Nun, du täppischer Alter mit der Jugend Prätensionen, ist dein Stolz, deine Eitelkeit genug gedemüthigt, krümmst du dich im Staube, ein elender Wurm unter dem Fußtritt dämonischer Gerechtigkeit? Geh hin, alter Mann, dir die Krücke auszusuchen, die deinem Alter ziemit; geh hin, dir den Sarg zu bestellen, aber denke nicht daran, junge Weiber zu freien, zu lieben mit einem Herzen so warm, so voll
Elend, elend, Schande, Verrath,- du biederer Pasquillant, verzeih, verzeih, wenn ich dir unrecht gethan. Als Prophet müßte ich dich verehren, und doch, nein du schriebst ja nur nach menschlicher Einsicht, naturgemäß, und erfährt es die Welt, zuckt sie lächelnd mit den Achseln und sagt: es mußte so kommen.
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Und wenn es gekommen wäre, wenn des Weibes leidenschaftlich schwache Natur unterlegen wäre der Versuchung, bohrt sie den Pfeil, den tödtlichen, mir ins Herz, warum ihn vorher in Gift tauchen?
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Schändliche Heuchelei, unerhörter Frevel! Eine Komödie, so teuflisch- listig, daß die Hölle stolz sein könnte, sie erfunden zu haben, aber bei ihren Qualen, wie sie begann, soll sie enden. Bergab, bergab mit dir, Alter, von Stufe zu Stufe, von Leidenschaft zu Leidenschaft; in den Koth die Jahre der Ehre,
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in den Koth deine Grundsäße; nach Rache lechzt meine Seele, wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser.
Es ist kein Zweifel mehr, sie haben mich an jenem Festabend bemerkt, da ich, auf den Balkon tretend, die erhitzte Stirn zu kühlen suchte, die Unterredung vor dem Bosquet, das mich verbarg, war abgekartetes Spiel, und ich ging in die Falle, ich Nein, keine Thränen, Ehrenfried, beschwöre der letzten Stunde Erinnerung und dann zum Gericht!
Von meines Schlafzimmers Fenster aus sah ich Melanie durch den Garten schreiten, so hold, so duftig; sie winkte mir zu, dann verschwand sie hinter den Bäumen. Es war ein täglicher Spaziergang, den sie zu machen pflegte, che wir zum Frühstück zusammentrafen; ich ordnete unterdessen meine geschäftlichen Korrespondenzen. Zufällig war heute nichts von Belang zu erledigen; ich warf die Schreiberei zur Seite und eilte hinaus, um Melanie einzuholen. Sie mußte einen andern Weg eingeschlagen haben, als sonst ihre Gewohnheit war, vielleicht hatte sie sich über den Feldsteg ins Dorf begeben.
Es war ein schwüler Tag, bleischwere Regenwolken hingen am Horizont, die Atmosphäre lagerte drückend auf Körper und Geist. Ich mochte nicht weiter gehen, unter einer vielästigen Buche ließ ich mich nieder; so still war es ringsum, so einsam, kaum daß ein Vogel zirpte,-- es war das Lieblingspläßchen meiner Gattin.
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Am Boden, vom Wind halb unter den Siz geweht, lag ein zusammengefaltetes Blatt, frischen und weißen Ansehens. Ich hob es auf in halber Zerstreutheit, es mochte vielleicht verloren und dem Eigenthümer von Bedeutung sein; gleichgiltig suchte ich aus der Ueberschrift denselben zu entziffern, sie fehlte; zum Ende flog mein Auge, meine Brust trampfte sich zusammen, ich las den Namen Frankenthal .
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Mit wem meines Hauses konnte Frankenthal korrespondiren? Ich zwang mich zur Ruhe, ich weiß, daß ich sogar lächelte in eitlem Selbstbetrug; einen Augenblick war's mir, als müßte ich die Zeilen, deren Schriftzüge mir verschwommen, wie in heftiger Erregung geschrieben, vorkamen, ungelesen vernichten, als erkaufe ich mit diesem Opfer das Glück meiner Zukunft. Ich hörte nicht meines Engels Warnungsstimme, es war das leztemal, daß sie mir tönte, ich las, er schüttelte die Schwingen, er floh.- Ich bin nun ruhig; es ist keine Sünde, kein Verbrechen. Und doch, der Gedanke, heimlich, wie ein Dieb der Nacht, in sein Eigenthum zu dringen, ist peinigend; wie anders wäre alles ohne diese unselige Ehe, ohne W's allzuspäte Leidenschaft, sie zieht andere mit sich in des Irrthums Kreis. Ja, ich komme, sorgen Sie, daß jenes mir bezeichnete Pförtchen, das durch die Tannenallee auf dem nächsten Weg zum Ziel führt, geöffnet bleibt. Um elf Uhr bin ich am Eingang. Dort, Sie versprechen es, harren Sie meiner. Sie sollen es nicht vergebens, wie an jenem der Gelegenheit so günstigen Festabend zu Rothenstein . Ich komme bestimmt. Jedes Bedenken ist überwunden. Frankenthal."
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Jedes Bedenken ist überwunden." Ich weiß, daß ich ganz laut diese Worte zweimal wiederholte und dann mich erschreckt umblickte, ob mich auch jemand vernommen, jemand mich gesehen. Aber alles war still, so still, wie in mir selber, so dumps, so Ich blickte empor zum Himmel, todt. tiefer und tiefer schienen sich die Wolken zu senken ein bleierner, ungeheurer Sargdeckel. Ich legte den Brief genau so zusammen, wie ich ihn gefunden, und an dieselbe Stelle, von der meine Hand ihn emporgerafft. Dann schlich ich langsam davon, durch Gebüsch und Hecken einer von jener Stätte weit entfernten Allee zu, die zum Herrenhause führte, jeden Argwohn zu täuschen. Ich war so ruhig, so ruhig, daß ich über mich selber erstaunte, ja, mich vor mir selber fürchtete. Ich sprach mit Bernhardt über Geschäfte, mit dem Gärtner über den Bau neuer Treibhäuser. ( Fortsetzung folgt.)
Von H. W. Fabian.
( Schluß.)
Die Sinnesempfindung, hier das Sehen, weiß ursprünglich nichts von dem successiven Zustandekommen ihres Phänomens; sie fennt kein successiv fortschreitendes, sondern nur ein vollständiges Bild, keinen Prozeß, sondern nur das Resultat, und
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dieses Resultat ist der Anfang des Bewußten. Es ergibt sich aus dieser rein geometrischen Betrachtung mit Nothwendigkeit die empirische Scheidung der Begriffe Mechanik“ und„ Empfindung" resp. „ Bewußtsein“, und zugleich als das zeitlich Erste: die Mechanik.