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ein Opfer des gelben Fiebers, worauf er wieder nach der französischen Hauptstadt ging( 1804) und sich dort bis 1809 aufhielt. In dem zulegt genannten Jahre begab er sich nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika und kehrte dann mit der Absicht, sein Vaterland vom spanischen Joche zu befreien, abermals nach Venezuela zurück. Hier schloß er sich den Patrioten an, holte nach Ausbruch des Aufstandes in Ca racas ( 19. April 1810) Waffen aus London und kämpfte seit dem September 1811 als Oberstlieutenant unter Miranda, bis er infolge der Unterwerfung Venezuela's durch die Spanier sich zur Flucht nach der Insel Curaçao gezwungen sah. Aber bereits im September 1812 betheiligte er sich als Genosse der Insurgenten von Neu- Granada von neuem an dem Kampfe gegen die Spanier und ward der Hauptführer in demselben. Hatte man ihm schon nach der am 4. August 1813 unter seinem Befehle erfolgten Einnahme von Caracas jenen Ehrentitel ,, der Befreier" beigelegt, so wurde er durch eine von ihm einberufene Generalversammlung am 2. Januar 1814 mit der gesammten Civilund Militärgewalt betraut. Eine durch den Feind am 11. Juni des genannten Jahres bei La Puerta erlittene Niederlage gab ihm Veranlassung, sich nach Cumana zu wenden, wo ihm der Kongreß NeuGranada's den Oberbefehl übertrug. Darauf ergriff er von Bogota Besitz und befreite die Provinz Cundinamarca , mußte sich aber, nachdem im März von 1815 der spanische General Morillo mit 10 000 Mann Kerntruppen aus dem Mutterlande eingetroffen war, am 10. Mai nach Jamaica einschiffen. Hier befand er sich durch einen gegen ihn gedungenen Meuchelmörder in Gefahr, der indeß statt seiner einen anderen erdolchte. Nachdem er sich dann nach Haiti begeben, bildete er aus dortigen Patrioten, welche den Henkern Morillo's entgangen waren, wieder eine kleine Streitmacht und landete wit dieser im Dezember von 1816 auf der Insel Margarita, deren sich der tapfere Guerillaführer Arismendi durch einen Handstreich vorher bemächtigt hatte. Von hier aus verkündete er die Abschaffung der Sklaverei, indem er gleichzeitig mit der Freilassung seiner eigenen Sklaven den Anfang machte. Im Jahre 1816 hatte sich auch Buenos- Ayres unabhängig erklärt, welchem 1818 Chile mit der Erkämpfung und Proklamation seiner Selbstständigkeit folgte. ( Fortsetzung folgt.)
Die Dobschauer Eishöhle.( Bild Seite 352.) Es gibt kein zweites Land in Europa , das den Kulturcentren des 19. Jahrhunderts so nahe liegt wie Ungarn und wo so viel Schönheit, ungekannt und ungenannt, an entlegenen Orten ein unberühmtes Dasein fristet. Wir besigen ausführliche Beschreibungen des Altaigebirges in Asien von dem Geologen Cotta, bis ins einzelne gehende Schilderungen der Cordilleren Amerikas von A. v. Humboldt , Generalstabskarten des Balkan und eine Anzahl guter und schlechter Werke über die Pyrenäen , Alpen und Apenninen; unsere passionirten Jäger und Fischer fröhnen ihrer Leidenschaft in Schottland und Norwegen , aber in die Karpathen, welche Galizien von Ungarn trennen, verlauft sich selten ein Tourist. Unser Bild gibt nun die Veranlassung, von einem neuentdeckten Naturwunder zu erzählen. Ein solches Phänomen ist die Eishöhle bei Dobschau, einer fleinen Gebirgsstadt im Gömörer Komitat( nördliches Ungarn ), die sich hauptsächlich von dem reichen Ertrag ihrer Kobalt- und Nickelgruben ernährt. Höchst romantisch im gesegneten Gömörthal gelegen, bietet Dobschau einen passenden Ausgangspunkt zu den herrlichsten Bergpartien. Auch der Weg nach der Eishöhle im obern Göllnigthal ist reich an prächtigen Naturszenerien. Die Höhle selbst wurde am 18. Juli 1870 entdeckt. Seit langer Zeit war den Holzknechten und Jägern eine 965 Meter über dem Meeresspiegel liegende, unter herabhängenden Fichtenzweigen halb versteckte Stelle bekannt, wo, unabhängig von Hiße und Kälte, große Eisstücke zu Tage lagen, obgleich ringsum nirgends eine Spur gleicher Bildung zu entdecken war. Inmitten der Eisstücke befand sich ein Loch, das zur Tiefe führte. Ein Ingenieur Ruffinyi, der mit zwei Gefährten zufällig an dieser Stelle rastete, feuerte sein Gewehr in die Deffnung ab; es antwortete ein langverhallendes Echo, woraus zu schließen war, daß der Spalt tief in die Erde hineindringen mußte. Wenige Tage darauf ließ sich Ruffinyi unter Beihülfe mehrerer Bergleute in die Höhle hinab, nahm Beleuchtungsmaterial mit hinunter und entdeckte so die wunderbarste Eishöhle, die es wohl auf der Erde gibt. Am Eingang starrt uns ein schwarzer Schlund entgegen, ziemlich steil führt uns ein schmaler Pfad hinab, kalte Luft weht uns an, die Seitenwände gligern wie kandirt, der Sand unter unsern Füßen knistert, ein Beweis, daß er gefroren ist. Der schmale Gang ist durch eine Lampe matt erleuchtet, wir schreiten unsicher und nach allen Seiten tastend weiter, jezt fühlen wir, daß wir auf einer Bretterunterlage gehen, noch ist es düster, noch sehen wir nichts da, wir bleiben staunend, keines Wortes fähig, stehen ein ungeahntes Bild entfaltet sich vor unseren Blicken, ein lichtes Baubermärchen steht vor uns, ein Saal von milliarden phantastisch funkelnder Eiskrystalle in noch nie gesehener Bildung nimmt uns auf. Der Boden spiegelblankes Eis, die hochgewölbte Decke ein Meer von eisgeformten Backen, die Wände wie blankpolirter Stahl, die Säulen, die das Ganze zu tragen scheinen, hellfunkelnd wie aus durchscheinendem Demantstein geformt. Das Fackellicht im tausendfachen Widerschein erhöht den wunderherrlichen Anblick. Ein Wasserfall stürzt dort herab, starr, stumm steht er da; sein Schweigen kündet uns, daß er gefroren ist. Ein Vorhang hängt hier hernieder, zart, fein gewebt wie aus braban
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ter Spißen, jezt rosenfarbig angehaucht von der bengalischen Flamme, die unser Führer hinter uns eben entzündet. Edelgeformte Säulen streben hoch empor, und Laubgewinde mit Blumen, mit Früchten untermischt, umschlingen sie so leicht, so voll Grazie, als hätten zarte Mädchenhände sie umkränzt. Jezt wollen wir den Wolfenwagen der Frau Phantasie verlassen und zur Wirklichkeit zurückkehren, die uns mit trocknen, nackten Zahlen traktirt. Der Saal ist etwa 10 Meter hoch, 120 Meter lang, 36 Meter breit und besitzt einen Flächenraum von 4644 Quadratmetern. Wie ist die Wunderhöhle entstanden? Betrachten wir zunächst die Temperaturverhältnisse. Die Lufttemperatur ist in den einzelnen Theilen der Höhle verschieden, in den Korridoren durchschnittlich 3 Grad Celsius, im Saal 0 Grad Celsius. Die Höhlenluft steht mit der Außenluft in genauer Beziehung, die äußere Jahresmitteltemperatur ist+3,58 Celsius, die der Höhle-0,58 Celsius; im Sommer ist es drinnen meist wärmer als im Winter, die höchste Temperatur im Jahre 1875 bei 23 Grad Celsius äußerer Luft im Höhlensaal+5 Grad Celsius. Die Eisbildung in der Höhle wechselt: im Winter nimmt sie zu, im Sommer ab, jedoch nur wenig, weil die Höhlentemperatur immer sehr gering ist, sodaß das Eis, welches sich in der kalten Jahreszeit bildet, in der warmen Jahreszeit bleibt oder nur wenig abnimmt. Diese ganze Erscheinung ist durch die Lage und die eigenthümlichen Verhältnisse der Höhle zu erklären; dieselbe liegt, wie schon eingangs erwähnt, 965 Meter über dem Meeresspiegel, der nach Norden gekehrte Eingang ist überdies durch überhängende Zweige und Felswände stets beschattet; Sonne und warme Luft können also nur wenig einwirken. Der Eingang ist klein, die Höhle senkt sich nach Süden, wo der durch Eis, Steine und Moos fast ganz geschlossene spaltenartige Ausgang sich befindet, der im Winter zufriert. Die falte, schwere Luft, welche im Winter eintritt, fühlt die Wände ab, kann südlich, also nach dem Ausgang der Höhle, nur schwer entweichen; ebenso wenig vermag sie als schwererer Körper nach oben auszuströmen; sie bleibt also, kühlt die Wände ab und bewirkt immer neue Eisbildungen. Im Sommer 1879 zählte, vom Jahre 1871 an gerechnet, das Fremdenbuch der Höhle etwa 7000 Besucher, darunter nur wenig Deutsche und sonderbarerweise teinen einzigen Engländer, ein Beweis, daß die ,, Times" das vereiste Zauberschloß noch nicht unter ihre Protektionsfittige genommen hat. Mögen diese Zeilen den einen oder den andern veranlaffen, seine Schritte nach der Wunderhöhle zu lenken. Der herrliche Tannenwald, durch Menschenhand in einen prächtigen Park umgewandelt und ein guter Gasthof bilden ein freundliches Gegenstück zu dem schauerlich schönen Abgrund mit seinen bläulich und grünlich schillernden Eisgebilden. Die Kaschau- Oderberger Eisenbahn vermittelt den Verkehr durch das Gömörer Komitat und dürfte dazu berufen sein, die Naturfreunde mit dem Aschenbrödel unter den europäischen Schönheiten bekannt zu machen. Y.
Modethorheiten vergangener Jahrhunderte. III.( Siehe die Illustrationen auf S. 353.) Eine vorwiegend deutsche Mode war die Schellentracht. Ihre Geschichte soll bis zu den jüdischen Hohenpriestern zurückreichen, welche Schellen an den Säumen ihrer Amtsgewänder trugen. In derselben Weise trugen sie auch die Anführer der ungari schen Reiterschaaren, welche im 10. Jahrhundert in der Schlacht bei Augsburg gefangen wurden. In England und Frankreich tauchte diese Mode im 14. Jahrhundert auf, fand aber wenig Anklang. In Deutsch land erzählen die Schriftsteller schon in früher Zeit von vereinzelten Fällen, wo sich Stußer ihre Gewänder mit diesem Geklingel verzieren; 1343 verordnet die nürnberger Behörde: Kein Mann noch Frau soll keinerlei Glocken, Schellen, noch keinerlei von Silber gemacht hangend Ding an einer Kette noch an Gürteln tragen." Zu Ende dieses Jahrhun derts wird jedoch diese Tracht bei den Grafen, Fürsten , kurz beim Adel nebst Zubehör allgemein Mode, bis sie zu Anfang des 15. Jahrh. auch in weitere Kreise dringt. Nach der Göttinger Chronik gab 1370 und 1376 der Herzog Otto zu Göttingen große Feste, wobei die Ritter, Frauen und Jungfrauen mit großer Pracht in Purpurkleidern und ,, mit flingenden, silbernen und güldenen Gürteln, mit langen Röcken und Kleidern, die gingen alle schurr, schurr und kling, fling", erschienen. Nach einer alten Chronik war ,, Anno 1400 bis man schrieb 1430 so ein großer Ueberfluß an prächtigem Gewand und Kleidungen der Für sten , Grafen und Herren, Ritter und Knechte, auch der Weiber, als vordem niemals ist gehört worden; da trug man Ketten von 4 oder 6 Mark, sammt köstlichen Halsbändern, großen silbernen Gürteln und mancherlei Spangen, auch silberne Fassungen oder Bänder mit großen Glocken von 10, 12, 15 und bisweilen von 20 Mark." Das Gefolge des Herzogs Friedrich von Sachsen : Knappen, Ritter und Barone , ging 1417 bei seinem feierlichen Einzuge in Konstanz mit glockenbehängten GürDie Form der Schellen war verschieden, bald ei- oder teln einher. birnenförmig, bald schneckenhausartig gewunden; vielfach verwandte man man auch größere oder kleinere offene Glocken. Getragen wurden sie am Gürtel, um den Hals oder an einem langen, schärpenähnlichen Gurt, welcher über die rechte oder die linke Schulter den Körper bis zu den Knieen umzog. Wie oben bereits angeführt, wurden auch die Kleider damit umsäumt, manche trieben ihre Liebhaberei sogar so weit, sie an den Spizen der langen Schnabelschuhe zu befestigen und sich sonst in nichts weniger als maßvoller Weise damit zu behängen. Wie man über diese drollige Tracht früher dachte, sagt recht deutlich eine Stelle aus der Chronik der Gesellschaft Limburg : Anno 1466 faufte
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