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Job Rhorbach von Engefroschin ein Horufessel pro 145 fl. ist ein Borten, ein Handbreit von Sammet oder Guldenstück gemacht, auf einer Achsel hinten und vornen unter dem andern Arm zugeschleift worden. Dieses ist mit schönen Perlen oder blümichten Fliedern und voller Silber, auch vergulter Schellelein voll gehenkt gewesen, wobei man von weitem ihre Zukunft hat hören können. Es hat solche Zierd herrlich und ansehnlich gestanden, wie auch ein Sprüchwort davon ent­standen: Wo die Herren sein, da klingeln die Schellen. Und sind die Schellen vor alter Zeit eine besondere Zierd vornehmlicher, stattlicher Leut und Personen gewesen, wie aus dem Hohenpriester des jüdischen Volks Rock zu erkennen, aber als solche Pracht und Tracht in ein Miß brauch gerathen, also daß solche Herren ihre Schellen den kurzweiligen und Schaltsnarren allein gelassen und zur stummen Zierde gegriffen." Nach der Mitte des 15. Jahrhunderts verschwindet die Schelle allmäh­lich und wird wenigstens nur bei bestimmten Festlichkeiten angelegt oder spielt im Kinderleben als Zeichen fröhlicher Lustbarkeit eine Rolle, bis sie sich schließlich nur auf die Narren und Schlittenpferde be­schränkt, die, wie allgemein bekannt, sich dieses Schmuckes auch heute noch bedienen. Die Pferde hatte man übrigens, noch bevor sie die menschliche Kleidung zierte, damit geschmückt. Recht sinnreich ist eine Bemerkung J. Falte's in seiner Trachten- und Modenwelt": Es ist höchst bemerkenswerth, daß die Schelle als Narrenzeichen fast gerade so früh vorkommt, wie als Auszeichnung der höchsten Stände. Es ist als ob den Leuten die eigne Thorheit ins Bewußtsein gekommen wäre." So hatte der Graf Adolf zu Cleve schon 1381, wo diese Tracht noch nicht in Blüthe stand, bereits die Geckengesellschaft gegründet. Bei den feierlichen Zusammenkünften mußte jedes Mitglied mit einer Gugel( Kopfbedeckung) von gelber und rother Farbe erscheinen, an welcher, wie auch am Aermel, viele Schellen hingen, und mußte außer­dem auf dem Ordenskleide einen von Silber gestickten Narren mit Schellen tragen. Schon in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ist die Schelle bei den Narrenfesten ein nothwendiges Stück. Um das Bild der damaligen Zeit zu vervollständigen, sei nur noch angeführt, daß die Mitglieder der Gesellschaft Narrenmutter zu Dijon Müßen von grüner, rother und gelber Farbe trugen, die zwei Spigen oder Esels­ohren hatten, an deren jeder eine Schelle hing. Uns däucht, das sei verständlich! Daß sich Narrheiten nicht durch polizeiliche Maßregeln verhüten und ausrotten lassen, zeigt eine andere, der Schellentracht an Abgeschmacktheit nichts nachgebende Modegattung: die Schnabel schuhe. Sie erregten in England schon im 11. und 12. Jahrhundert Aufsehen und müssen in Frankreich um dieselbe Zeit soviel ergerniß gegeben haben, daß sich die Geistlichkeit bemüßigt sah, gegen sie als eine Keßerei zu eisern. Wie es scheint, waren aber die frommen Herren persönlich dieser ,, Keßerei" nicht sonderlich gram. Denn sowohl auf dem Konzil zu Paris ( 1212) als auch auf dem zu Angers ( 1365) wurde sie den Geistlichen verboten, was wohl nicht ohne Grund geschehen sein dürfte. Allgemein wurde diese Tracht in Frankreich aber doch erst zu Ende des 13. und zu Anfang des 14. Jahrhunderts Mode. Der Unterschied in der Länge der Schnäbel diente dazu, um die Rangverschiedenheit der Stände auszudrücken. Während sich die gewöhnlichen Leute mit einer Spiße von der Länge eines halben Fußes begnügen mußten, trugen sie die Reichen einen ganzen und die Damen und Adligen sogar zwei Fuß lang. Sie waren ausgestopft oder mit Sohlen unterlegt, sodaß sie gleich zwei Hörnern krumm gebogen nach oben standen. Gegen das Tragen der Hörner ließe sich wohl am Ende auch heute noch bei manchem Menschengebild nichts einwenden, nur fordert eine Zeit wie die damalige mit Recht unser Mitleid heraus, wenn sie diese Dekora tion an der ganz unrechten Stelle anbringt. Hatte man in Frank reich gegen diese Mode vergebens angekämpft Karl IV. verbot 1412 den Schuhmachern das Verfertigen der Schnabelschuhe und den Krä­mern das Verkaufen derselben so in Deutschland erst recht. Hier konnte nicht einmal die Strafe des Himmels etwas dagegen ausrichten, wie die Böhmische Chronik erzählt. Ueber dem Städtchen Trebnih und dem Schlosse Koschtialow lag nämlich 1372 ein Gewitter, der Bliz schlug in das Schloß ein und dem Burggrafen Albrecht von Slawietin und seinem Weibe die Spizen von den Schuhen hinweg, ohne den Füßen zu schaden. Solches war desselben Tages an anderen Orten mehr geschehen, nichtsdestoweniger ward aber die verdrießliche Hoffart nicht abgelegt, sondern ein jeglicher trug sein Haupt empor und thät in seinem kurzen Röcklein und langspizigen Schuhen als wie ein Storch einhertreten." Nachdem die Verordnungen der Behörden gegen diese Liebhaberei in den höheren Ständen vergeblich angekämpft, verbieten sie dieselbe schließlich nur den niederen Klassen, mit einzelnen Aus­nahmen, wie die regensburger Behörde, welche 1485 den zureisenden Handwerksburschen gestattet, ein paar mitgebrachter Schnabelschuhe erst aufzutragen, aber auch zugleich verbietet, sich neue zu machen.

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Umsomehr machten aber die Adligen und die Fürsten davon Gebrauch, selbst die große Unbequemlichkeit des Gehens hinderte nichts daran. Bei übermäßiger Länge trug man sie auch an kleinen Kettchen, die am Knie oder am Gürtel befestigt waren. In Nothfällen, z. B. in der Schlacht beim Kämpfen zu Fuß hieben die Ritter sie ab. So soll man mit den vor der Schlacht von Sempach ( 1386) von den österreichischen Rittern abgehauenen Schnäbeln haben einen Wagen füllen können. Als in demselben Jahre die Belagerer von Caffel abzogen, fuhren die Hessen etliche Wagen voll der spizigen Schnabel, so die Kriegsleute des Sturmes halber abgeschnitten hatten" in die Stadt. Theils um dieser drolligen Fußbekleidung einen sichern Halt zu geben, theils auch der Witterung und des Bodens wegen denn die Schuhe waren nicht immer von Leder trug man aus Holz gefertigte Unterschuhe, welche mit Riemen an den Füßen befestigt wurden. Zur Erhöhung der Be­quemlichkeit trugen, wie leicht erklärlich, auch diese nichts bei. Später verwandte man an Stelle des Holzes auch doppeltes und dreifaches Leder. Beide, Ober- und Unterschuhe, waren, je nachdem man materiell dazu befähigt war, Gegenstand künstlerischer Verzierungen. Sie wurden mit Perlen besetzt oder gestickt, die Unterschuhe mit Messing beschlagen oder mit Silber und Gold in getriebener Arbeit u. dgl.. Daß dieses geschmacklose Kleidungsstück nicht nur von Gecken und Stußern, sondern von den höchsten Herrschaften selbst bei ernsten, feierlichen Gelegenheiten getragen wurde, erfahren wir aus einer Abbildung, welche den Moment darstellt, in dem der Burggraf Friedrich zu Nürnberg auf dem Konzil zu Konstanz 1417 vom Kaiser Sigismund mit der Mark Brandenburg belehnt wird. Sonst reich gekleidet, trägt der Hohenzoller so lange Schnäbel an den Schuhen, daß sie die Länge des Fußes um das Dop­pelte übertreffen. Die Unterschuhe sind aus Holz, unten mit Klößchen und außerdem mit langen, goldnen Rittersporen versehen. Zu ver­wundern ist es daher nicht, daß die Künstler der damaligen Zeit ihren Göttern und Heiligen auch die Füße mit langen Schnäbeln versahen, wie man ihnen andererseits ja auch die Schellen anhing. Die Beklei­dung des eignen Körpers ist nun einmal die erste und ursprünglichste Kunstäußerung, und es ist deshalb auch nur zu erklärlich, wenn der Mensch die an sich verübten Narrheiten auch in seinen sonstigen Kunst­äußerungen wiederholt. Das Mißgebilde, Schnabelschuh genannt, verschwindet gegen Ende des 15. Jahrhunderts allmählich und macht seinem Extrem: den ,, Kuhmäulern" und Entenschnäbeln" Plaz, die, was sie an Länge gegenüber dem ersteren nachgeben, nun in der Breite gewissenhaft einbringen. Wir werden sie gelegentlich noch antreffen. Auch die verschiedenen interessanten Kleidungsstücke, welche unsere Ju­strationen 1 und 2 vorführen, werden demnächst besprochen werden.

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Das erste stehende Heer. Der ins Unermeßliche hinauswachsende Militarismus ist keineswegs so neuen Datums, als vielfach angenommen wird. Bereits vor mehr als 2000 Jahren, nach den persischen Kriegen, besaß Athen ein großes stets schlagfertiges Heer und eine der Zahl der Schiffe nach dreimal so starke Flotte, als es die deutsche Marine ist. Um aber die große Flotte in ununterbrochener Schlagfertigkeit zu er halten die ca. 400 Schiffe hatten eine Bemannung von ca. 60 000 Köpfe waren große Geldmittel nöthig und was wir jetzt erleben, daß in allen Militärstaaten die Ausgaben für das stehende Heer be­ständig steigen, das war auch schon zu jener Zeit der Fall. Der Mili­täretat wurde jedes Jahr größer. Um das Jahr 450 v. Chr. betrug er 460 Talente(= ca. 2 Millonen Mark), 430 dagegen 640 Talente (= 3 000 000 Mark). Athen ging schließlich durch den Militarismus zu Grunde.

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Eine Lutherbibel ganz eigener Art befindet sich in der vatikani­schen Bibliothek zu Rom . Der große Reformator hat nämlich auf das Titelblatt des Buches aller Bücher mit eigener Hand folgenden mert­würdigen Vers niedergeschrieben:

Gott durch deine Güte Bescheer uns Kleider und Hüte, Auch Mäntel und Röcke,

Fette Kälber und Böcke,

Viel Weiber, wenig Kinder:

Denn kein lieber Ding auf Erden,

Als Frauenlieb, wem sie mag werden."

Luther hat die Bibel, deren Echtheit außer Zweifel steht, katholischen Schriftstellern zufolge dem Magister Agricola( eigentlich Schnitter, Freund Luthers ) geschenkt; später kam sie an den Bischof von Augs­ burg und dieser sandte sie in die päpstliche Bibliothet. Der einzige protestantische Geschichtsschreiber, der von dieser Lutherbibel Notiz nimmt, ist Christian Juncker.

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Inhalt. Ein verlorner Mann, von Hermann Hirschfeld( Fortseßung).- Die Verirrungen modernster Naturwissenschaft, eine Wieder geburt der Monadenlehre Giordano Bruno's , von H. W. Fabian( Schluß). Betrachtungen über die Gesundheitspflege des Volkes, von Dr. Eduard Reich( IV. Hautpflege). Irrfahrten, von L. Rosenberg( Fortsetzung). Dem Schicksal abgerungen, Novelle von Rudolph v. B......( Fortseßung). Die Republiken Südamerikas in ihrer Bergangenheit und Gegenwart. Historische Stizze von Dr. M. Vogler ( Fortsetzung). Die dobschauer Eishöhle( mit Illustration). Modethorheiten vergangener Jahrhunderte( III. mit Illustrationen). Das erste stehende Heer. Eine Lutherbibel.

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Verantwortlicher Redakteur: Bruno Geiser in Leipzig ( Südstraße 5). Expedition: Färberstraße 12. II. Druck und Verlag der Genossenschaftsbuchdruckerei zu Leipzig .