„Melanie!" wollte ich ihr nachschreien, aber ich that's nicht, und auflachend sagte ich:„Gute Nacht, dein Freund!"-- Nein, ich bin nicht alt; prüfet euer Blut, ihr Jünglinge der Gegenwart, ob es heißer wallt, als das meine, nur der Bedächtig- kcit Vorzug verleiht mir der Jahre Reife. Nicht lebend soll der Frevler an meines Hauses Ehre den Ort verlassen, wo er die Frucht verbotener Freuden zu ernten gedachte,— ich aber will sie pflücken;— habe ich meine Seele verkauft, will ich den Preis nicht verlieren,— keiner als Melanie soll wissen, was geschehen, auf ihr Haupt wälze ich die Schuld, und Blut soll das Band sein, mit dem ich sie an mich ketten will, wie an ihren Dämon die verdammte Seele. Alles ist bereit. Ich habe mich eingeschlossen, mein Revolver ist geladen.— Am Ausgang der Tannenallee, die er passiren will, befindet sich eine Baumgruppe, hinter ihr berge ich mich trefflich.— Ich hoffe ungesehen das Haus zu verlassen, ungesehen es wieder zu betreten. Das Wetter ist günstig. Kein Stern am Himmel, ein kalter, herbstlicher Wind pfeift durch das Laub,— wer dächte daran, den Garten zu betreten, wer, den nicht die Liebe führt oder die Rache?-- Noch eine Stunde Zeit,— ich muß mich zerstreuen, ich suche Briefe hervor aus alten Zeiten— Erinnerungen. Ein Miniaturporträt meiner ersten Gattin fällt mir in die Hand. Wie bittend schaut das liebe Antlitz mir entgegen! Du Gute, Edle, wärest du mit mir alt geworden,— Frieden athmet deine Nähe, mir ist, als weilest du bei mir im Geist;— ich will keinen Frieden,— die Hand, die deine milden Züge hält, ist befleckt durch unheilige Gedanken,— dein Gedächtniß wird entwürdigt,— hinweg mit dir, bleibe in deines Paradieses Rein- heit, finsteren Mächten gehöre ich.— Die Bücher meines Hauses, ehrenvoller Vergangenheit Zeugen, Annalen meines Strebens, nieiner Kraft,— das Konto, das ich heute anlege, wird in euch nicht verzeichnet; in ein größeres Schuldbuch schreibt es in blutigen Lettern die allwachende Nemesis, in das Schuldbuch der Ewig- keit, es wird den Gläubiger zu mahnen wissen zu rechter Zeit.— Diplome dieses Kästchens Inhalt— Ehrenbeweise aller möglichen Bereine,— ja, das Geld, das Geld,-- nein, allmächtig ist es nicht; ein Weib kann's kaufen, nicht aber ihre Treue. Weg mit euch, ihr Pergamente,— nie gab ich auf Menschenlob, auf Menschenchren;— genügte ich mir selber, war es mir genug; nicht meinetwillen, nein, zur Ehre meines Hauses, nahm ich den Titel vou meinem Landesherrn,— ich glaube, ihn dem Staate bezahlt zu haben. Das königliche Schreiben fällt in meine Hand: „Dem Manne der ehrenhaften Gesinnung, dem Manne der That!" Gut so, mein Fürst, dein Königswort sanktionirt diese Stunde, wie eines andern Königs, eines Königs des Geistes, sie geweiht. Sei gesegnet Calderon für den„Arztz seiner Ehre"! Stürmisch rollt mein Blut,— die That begehe ich mit voller Ueberlegung, so ruhig, so bewußt, wie sie es waren, die jenes Festabends elende Komödie ausgesonnen. Man wird zischeln, munkeln,— wer wird es wagen, den Stein zu heben wider mich? Ich möchte wissen, ob der Pitawall sich des Falls be- mächtigt?— Der Wind nimmt zu,— willkommener Gehülfe, er wird den Knall des Schusses dämpfen. Bald ist es Zeit, bald;— ich blicke in den Spiegel,— nein, ich bin nicht bleich,— der Arzt seiner Ehre,— aber Kaspar Ehrenftied Waldenau ist doch ein gar prosaischer Name,— Kaspar Ehrenfried,— Kommerzrath Kaspar Ehrenfried,— was treibst du für närrisches Zeug,- was soll der Mantel auf dem Sessel, was der Revolver darunter? Ein Traum quält dich, nichts weiter, und bald ist's Morgen, und die Fabrikglocke läutet, und dein alter Jakob kommt mit der Zeitung und dem Kaffee, auch Briefe bringt er, aber die darfst du nicht eher lesen, bis du den Morgentrnnk geschlürft,— sie könnten etwas Unangenehmes enthalten und deine Kaffeestimmung verderben, die rosigste des Tages.— Ja, ich träume, träume schwer, ich trinke Burgunder gern, aber er bekommt mir schlecht und— wer sagte es doch— des Rausches Traum ist kurz und das Erwachen Elend und Reue. — Wer es sagte? Sein Vater! Frankenthal! Ich träume nicht,— meine Sehnen spannen sich zur That. Der Arzt seiner Ehre!'S ist Zeit. Nein, Vater, ich kann dir nicht helfen,— nicht dein mildes Antlitz will ich klagend sehen mit meiner Seele Augen. Du verlierst nur einen Sohn, ich eine Seligkeit. ** * „Mord! "— Es war ein Aufschrei,— dann brach sie zu- sammen, die in den Mantel gehüllte Gestalt; regungslos lag sie am Boden, der Wind heulte das Todtenlied. Ich habe sicher gezielt, die Kugel muß durch die Brust gedrungen sein. „Mord! "— Warum war das sein letztes Wort,— warum nicht„Melanie!"?-- Keiner sah mich gehen, keiner wiederkehren. Wie ein Dieb im eignen Eigenthum schlich ich durch Korridore und Seiten- pförtchen,— ick blickte zu ihren Fenstern empor, ihr Schlaf- zimmer war matt erhellt. Lösche dein Licht, Hero, dein Leander kommt nicht!— Mord!— Es ist ein häßliches Wort,— ich wollte, er hätte es nicht gerufen. Wie ruhig, wie traulich ist es um mich her. Ich sitze auf weichem Teppich im Fauteuil am Schreibtisch, die Silberlampe wirft ihren milden Schein auf diese Blätter. Wie behaglich wäre es hier, läge nicht draußen einer mit der Kugel in der Brust; sein Blut sickert auf den feuchten Boden,— sein Blut— Still, Geräusch,— wenn man den Knall gehört, ihn gefunden hätte;— mag man. Jede Spur ist entfernt, ich bin ruhig, nur etwas bleich,— ich habe scharf gearbeitet diesen Abend. Nein, noch ist alles still, der Wind ist's, der an die Laden pocht; ein unheimlicher Geselle,— grade, als ob einer ächzte und stöhnte. Wenn er nicht todt wäre, wenn er sich wände und krümmte in unsäglichem Schmerz!?— Allmächtiger Gott, was habe ich gethan? Feigling, hast du nicht den Muth deiner That? Den Himmel hast du verloren und die Hölle erröthet vor dir! Jetzt,— es ist keine Täuschung,— Stimmen werden laut. Ich luge in den Hof,— sie reden durcheinander; Lichter tauchen auf. Still,— was sagen sie?— Mord!— O, schon wieder,— ich kann's nicht hören. Die Stiegen kommt's empor,— den Korridor entlang, leise, ängstlich, wie des Unglücks Kunde;— es pocht.— Her mit dir, Calderon —„der Arzt seiner Ehre". In der Kajüte der„Medusa ", September 187*. Strecke aus die Krallen nach deinem Schuldner, rächende Vergeltung, triumphire du, der ich geglaubt zu trotzen, allewige Natur mit deinen Rechten, wie über ein Atom, über Staub schreitet in unverrückbarem Kreislauf dein Fuß hinweg über den Menschenwurm, der ihn zu verrücken sich erkühnte. Verloren habe ich das furchtbare Spiel,— noch keinem blieb Kaspar Ehrenfried schuldig,— nur wenig Stunden noch, und der Einsatz ist bezahlt. An das Fenster meiner Kajüte pochen mit leisem Finger, wie mahnend, des blauen Mittelmeeres Wogen. Geduld, Geduld,— ich komme; gönnt Zeit mir nur, die Blätter zu vollenden, die des Schlusses harren; ich bin Kaufmann,— abschließen laßt mich mein Konto, wie es Ordnung und Sitte; es soll nicht lange währen,— ehe die nächste Wache wechselt, muß alles vorüber sein, alles hinter mir. Das Siegel, das ich auf diese Blätter drücke, setze ich zugleich auf mein Dasein. Zu Ende, zu Ende.— Ich öffnete die Thür meines Zimmer, halb erschreckt, halb unwillig, der nächtlichen Störung halber. Einer der jüngeren Diener stand auf der Schwelle,— während er zu mir sprach, kamen andere nach,— der Lärm im Hofe ward größer. „Herr Kommerzrath,"— der Bursche war leichenblaß und stammelte vor Erregung,—„ein furchtbares Unglück ist geschehen! Haben der Herr Kommerzrath vorhin einen Schuß gehört?" „Keinen Laut." Die Spannung zu heucheln, gelang mir trefflich.„Was war's?" „Uns kam es im Hause vor wie ein Knall,— aber wir forschten nicht weiter, denn er wiederholte sich nicht, und bei dem Wetter mochte keiner das Haus verlassen. Die meisten der Leute . waren im Begriff, zu Bette zu gehen. Aber es war keine Ein- bildung, es ist ein Schuß gefallen, in unserem Garten sogar, und— erschrecken der Herr Koinmerzrath nicht,— es ist jemand getroffen— tödtlich, der Herr Frankenthal aus Rothenstein liegt als Leiche mit einer Kugelwunde in der Tannenallee." „Frankenthal ? Das ist entsetzlich!" rief ich.„Aber um Gottes- willen, was hat der Mann denn zu so später Stunde in meinem Garten zu thun? Wer fand ihn dort?" „Jakob, Herr Kommerzrath; er klagte über Kopfweh und wollte trotz des Unwetters ms Freie. Er kam mit der furcht- baren Nachricht heim,— er ist bereits wieder zurück an den Ort des Schreckens mit einigen Knechten, den armen Mann her- zubringen."
Ausgabe
6 (1.5.1880) 31
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten