wenn die Erde sich dreht, so ist doch überall oben und unten, diesseits und jenseits der gepriesene Ort!" Ich sezte meinen Korb auf die Erde und fing an, ihr die neuesten Forschungen am Himmelsgebäude in einfachen Worten mitzutheilen. Wie lange ich zu diesem Vortrag gebraucht habe, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, daß Elisabeth mit weitgeöffneten Augen die neuen Mittheilungen in sich aufnahm und jedesmal, wenn ihr etwas einfach und gegen die althergebrachten Ansichten gar einleuchtend erschienen war, mit lauten Beifallsworten ihren Gefühlen Aus­druck gab. Als ich meinen Korb wieder von der Erde auf­nahm, durch die Begeisterung, in die mich meine eigenen Worte versezt hatten, aufgeregt, drückte sie meine Hand und sagte leise, den Mond nun mit andern Augen anschauend: Ich danke, o, ich danke Ihnen." Ich hielt ihre Hand in der meinen und ihre Hand zitterte ein wenig, als ich erwiderte: ,,, ich wollte, daß ich fortfahren könnte, alles, was ich in durchwachten Nächten und Abenden mir Wissenswerthes angeeignet, Ihnen zu erzählen. Wo ist eine Seele, die mir aufmerksamer zulauschte, die mich besser und williger verstünde, als Sie, Elisabeth?" Sie lächelte sanft und schaute mich so kindlich- freudig an, daß ich es jetzt war, der ihre Hand ergriff, um sie mit sonderbaren Gefühlen an meine Lippen zu drücken.- ,, Kommen Sie," mahnte sie darauf, ,, es ist spät und die Eltern werden uns schelten." Wir gingen stumm heimwärts.

Man kann es als Zeitungsschreiber keinem Menschen recht machen. Es vergeht fast kein Tag, an welchem die Post nicht Stöße von Beschwerdeschriften, Wunschzetteln und Ergänzungs­artikeln uns zuträgt. Wollte man alles beantworten, was Laune, Unverstand und Egoismus diktirt hat, so würde man nie zu Ende und an sein Geschäft kommen. Der Papierkorb also muß das Meiste in seinen geräumigen Schoß aufnehmen. Zuweilen über­fallen uns auch besonders muthige Personen persönlich mit ihren Wünschen und Forderungen, und wenn ich in der ersten Zeit mit Bergnügen diese Auseinandersetzungen übernahm, so geschah es, um die Methode der Bittsteller zu studiren. Der Theater­

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rezensent ist besonders schlimm gestellt. Man klagt, daß er diesen nicht genug herausgestrichen, daß er gegen den zu hart gewesen, daß er jene Dame zu sehr gelobt, daß er die Primadonna kaum berührt habe.- Dabei bewundere ich die Elastizität des Rezen­senten, der nie um Worte in Verlegenheit ist, ein und dieselbe Kritik in verschiedene Phrasen zu hüllen versteht, und dieses lang­weiligste Geschäft von der Welt unverdrossen jahrelang fortsetzen kann. Sowenig erfreut ich von der Seichtigkeit der Kritiken bin, so muß ich doch das Talent des Fabulirens anerkennen. Ich hatte auf einige Tage neulich die Kritik übernommen, und keiner war froher als ich, meine kritischen Utensilien schon nach dem dritten Tage wieder niederlegen zu können. Der Personenkultus ist mir verhaßt, und dieser ist bei allen Kritiken über Theater die Hauptsache. Auf unserer Redaktion erscheinen die Künstler in einem ganz andern Lichte. Jeder kehrt mit mehr oder weniger Ostentation seinen Egoismus heraus, und alle sind enchantirt, wenn man ihnen den ,, kleinen Gefallen" erweisen will. Ich be­greife nicht den Zauber, mit dem für die meisten Leute vorzugs­weise die Frauen vom Theater umgeben sind, abgesehen von den Männern, von denen die meisten am Größenwahnsinn leiden. Allerdings ist es begreiflich, daß der Gefühlsmensch eine Ideal­person, wie sie auf der Bühne dargestellt wird, mit der Person, wie sie im Leben ist, gern identifizirt; aber immerhin zeigt der Enthusiasmus für Theaterpersonen auf einen geringen Bildungs­stand unserer Jugend, welche die wahrhaften Größen, die ein­flußreich auf die Entwickelung des Menschengeschlechts eingewirkt haben, kaum dem Namen nach kennt, es sei denn, es müßte eine oder die andere mit dem Theater im Zusammenhang stehen! Als ich ein Kind noch war, pflegte ich mit Entzücken den Vor­stellungen von Puppentheatern beizuwohnen. Mein Enthusiasmus übertrug sich damals auch auf die Besizer der Theater, und heute, wo ich mich dessen entsinne, möchte ich behaupten, daß der Kultus der Theaterpersonen in gewissem Sinne die Bethätigung eines kindlichen Zeitalters sei, über das verständige Leute nur lächeln können. ( Fortsetzung folgt.)

Die Republiken Südamerika's   in ihrer Vergangenheit und Gegenwart.

Historische Stizze von Dr. Mar Vogler. ( Fortsetzung.)

Obgleich in den folgenden Jahren das Kriegsglück auf beiden Seiten wechselte, blieben jedoch im ganzen die Spanier im Nachtheil. Am 15. Februar 1819 wurde zu Angostura ein Generalfongreß von Venezuela   eröffnet, welcher Bolivar zum Oberdirektor dieses Staates mit diktatorischer Gewalt ernannte. Noch im Sommer desselben Jahres bertrieb der Freiheitsheld die Spanier aus Neu- Granada und vereinigte diesen Freistaat und Venezuela   zu einer Republik unter dem Namen Columbia( 9. September). Nach einem am 25. November 1820 zu Truxillo zwischen Bolivar und Morillo abgeschlossenen Waffenstillstand trat nicht der Friede ein, sondern der Krieg zwischen den Spaniern unter General La Torre und den Republikanern unter Bolivar und Baez begann vielmehr im Mai des folgenden Jahres von neuem. Nachdem die Republikaner   am 24. Juni bei Carabolo einen entschei­denden Sieg davongetragen hatten, wurde Bolivar trok seiner Weige­rung wenige Tage darauf von dem Kongreß Columbia's abermals zum Präsidenten gewählt; er leistete dabei aber auf jedes Gehalt und National­geschent ausdrücklich Verzicht.

Die Peruaner hatten zwar inzwischen ebenfalls ihre Unabhängig­keit erkämpft; dieselbe war jedoch infolge des im Schoße der jungen Republik   ausgebrochenen Parteizwistes wieder in Gefahr, großen Schaden zu erleiden, aus welchem Grunde Bolivar zunächst den General Sucre  zu Hülfe schickte, dann aber selbst dem an ihn ergangenen Rufe folgte und am 1. September 1823 mit einem Heere in Lima   einzog. Ob­gleich es ihm nicht gelang, die inneren Zwistigkeiten unter seiner Dit tatur beizulegen, da der Verrath sein abscheuliches Handwerk trieb, so befreite er doch nach der unter Sucre   am 9. Dezember 1824 bei Aya­ cucho   geschlagenen Entscheidungsschlacht das Land gänzlich von der Herrschaft der Spanier. Peru   spaltete sich bald darauf in zwei Staaten, von denen sich der eine, Oberperu, nach der am 6. August 1825 er­folgten Vereinigung der vier Provinzen Charcas( Potosi), La Paz  , Cochabamba   und Santa Cruz als selbstständiger Freistaat dem Liber tador" zu Ehren den Namen Bolivia   gab. Für diese Republik   ent­warf dann Bolivar im Jahre 1826 eine Verfassung, indem er gleich­zeitig den General Sucre   zu ihrem Präsidenten bestellte. Bolivar selbst begab sich hierauf wieder nach Lima  , um in den Sißungen des Kon­gresses das Präsidium zu übernehmen. Die rücksichtslose Energie seines Auftretens, die durchaus geboten war, vermehrte die ihm feindlich

gegenüberstehenden Parteien und hatte sogar die Anzettelung einer Verschwörung wider ihn zur Folge, die zum Glück rechtzeitig genug entdeckt wurde und für ihn, gleichwie einst die Pichegru- George'sche Verschwörung für Bonaparte, die gute Wirkung hatte, daß man ihn am 19. August des Jahres 1826 zum lebenslänglichen Präsidenten von Beru ernannte.

Die letzten Lebensjahre Bolivars brachten leider für ihn mehr Aergernisse und Gefahren mit sich, als man ihm seiner vorhergegange nen glänzenden Thätigkeit zufolge hätte wünschen mögen; indessen scheint er an manchem Ungemach, das ihn in diesen Jahren traf, selbst einige Schuld zu tragen. Wir berichten der Vollständigkeit halber dar­über das Folgende.

Gleich zuerst und sehr bald wurde die Lebenslänglichkeit" seiner Präsidentschaft in Peru   arg in Frage gestellt; denn kaum war er zu Anfang des Jahres 1827 nach Caracas   zurückgekehrt, als die von ihm in Lima   zurückgelassene Regierung zu Fall gebracht und ein neuer Präfident auf seinen Posten berufen ward. Nicht nur gelang es Bolivar nicht, sich wieder Ansehen zu verschaffen, sondern das Beispiel Peru's  fand vielmehr Nachahmung, da der erst vergötterte Held in Columbia die Preßfreiheit unterdrückte und sich auch durch andere Maßregeln in den Verdacht monarchischer Gelüste sezte. Man bezeichnete ihn jetzt selbst als den Bonaparte Amerika's", so sehr er in Reden und Trink­sprüchen gegen den Usurpator Europa's  " auftrat und Washington  fortgesetzt als sein Vorbild erklärte. In dieser Lage sandte er, ent­weder gereizt durch die gegen ihn ins Werk gesetzten, vor allem von dem Vizepräsidenten Santander ausgehenden Umtriebe, oder vielleicht auch mit kluger Berechnung, am 8. Februar 1827 von Caracas   aus dem Kongreß in Bogota   die Erklärung zu, daß er aus Abscheu gegen alle Usurpation seinem Posten entjage." Jedenfalls hatte diese ent­schiedene Erklärung zur Folge, daß Bolivars Partei wieder oben auf kam und der Kongreß die Verzichtleistung auf die Präsidentschaft nicht annahm, sondern ihn vielmehr bat, nach Bogota   auf seinen Bosten zurückzukehren. Bolivar schenkte dieser Bitte Gehör und wurde durch eine vom 27. August 1828 datirte neue Konstitution mit denselben Machtbefugnissen ausgestattet, wie Napoleon Bonaparte   als erster Kon­sul. Das erregte neues Mißtrauen, und Santander leitete abermals eine Verschwörung ein, der Bolivar in der Nacht vom 25. zum 26. September des genannten Jahres beinahe zum Opfer gefallen wäre. Mehrere Theilnehmer an der Verschwörung wurden hingerichtet, wäh­rend Santander und siebzig andere die Strafe der Verbannung traf. Kaum war das vorüber, so erhob sich neuer Widerstand gegen die Herrschaft des so hoch verdienten Mannes; insbesondere sagte ihm die Provinz Venezuela   den Gehorsam auf und sprach Ende November 1829