von Schillers ,, Räubern" hören wollte, niemand anders sei, als der hochberühmte Poet der ,, Räuber" selbst.

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Hatte Schubart zu Schiller   bewundernd hinaufgeschaut, ehe er ihn kannte, so besaß dieser sein ganzes Herz von dem Augen blicke an, wo er ihn zum erstenmal erblickt. Kurze Zeit nach dem Besuche im Kerker schreibt er seiner Frau: ,, Schiller   ist ein großer Kerl, ich lieb' ihn heiß, grüß' ihn." Und so, wie ihn Schubart liebte, so liebten ihn alle, die sein innerstes Sein und Wesen, sein Dichten und Denken in aller Wahrheit und Tiefe erfaßt hatten. Man braucht nur auf seine Freundschaft mit Körner und Wieland, mit Fichte, Wilhelm von Humboldt   und vor allen andern auf die mit Goethe hinzudeuten, dieses klassische einzige Freundschaftsbündniß, dem unsere Literatur unberechen bare Förderung verdankt, um des Beweises dafür überhoben zu werden.

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Daß zu solch einer edlen, herzenbezwingenden Natur auch die Frauenwelt sich hinneigte und mehr als ein Weiberherz in heißer Leidenschaft entbrannt war, wird dem röthlichen Haar zum Troh niemand bezweifeln wollen. Und nicht minder erklärlich ist, daß es, vielleicht nur mit Ausnahme von Neigungen, welche ungebändigte Jugendleidenschaft gezeitigt hatte, ausschließlich Frauen von hoher geistiger Begabung waren, die ihm und denen er sich in Liebe zuwandte..

Wie sinnlich warm Schiller empfand und welch' edlen Aus­druck er seiner Leidenschaft zu geben vermochte, lehrt u. a. das Gedicht Die Erwartung", dessen Schluß hier Kaum finden möge:

Seh' ich nichts Weißes dort schimmern? Glänzt's nicht, wie seidnes Gewand? Nein, es ist der Säule Flimmern An der dunklen Taxuswand.

D, sehnend Herz, ergöße dich nicht mehr, Mit süßen Bildern wesenlos zu spielen! Der Arm, der sie umfassen will, ist leer, Kein Schattenglück kann diesen Busen kühlen; O führe mir die Lebende daher,

Laff' ihre Hand, die zärtliche, mich fühlen, Den Schatten nur von ihres Mantels Saum! Und in das Leben tritt der holde Traum.. Und leis, wie aus himmlischen Höhen Die Stunde des Glückes erscheint, So war sie genaht ungesehen

Und weckte mit Küssen den Freund.

Also liebessehnsüchtig, und nicht minder jugendmuthig und titanenhaft geistesstart, als auf unserm Bilde, wenn auch wohl fröhlicher, glücklicher, denn hier, mag er dreingeschaut haben, als er in der zehnten Morgenstunde des 22. Februar 1790 in das jenenser Gasthaus ,, Zum Weimarischen Hof" trat, um seine Braut zur kirchlichen Einsegnung ihres Lebensbundes abzuholen.

Am Tage vorher, am Sonntag Invocavit, hatte der Archi­diakonus der Hauptkirche von St. Michaelis zu Jena   von der Kanzel herab eine Neuigkeit verkündigt, welche nicht nur die frommen Kirchgänger mächtig interessirt, sondern sogar einen Sturm der Bewegung und Erregung hervorgerufen hatte bei der nicht andächtigen Versammlung vor der Kirche, welche gebildet wurde von den sporenklirrenden, schleppsäbelrasselnden Studenten in ihren Sammetpekeschen und Uniformröcken, und mit dem statt­lichen, federbuschgeschmückten Dreimaster auf dem kecken Haupte.

Der Professor Schiller   heirathet!" und: Er kann nicht rasch genug ins Ehejoch kommen- nicht dreimal, wie es Brauch, sondern ein für allemal ist er heute aufgeboten worden," so erzählte einer dem andern.

Únd so war es auch.

,, Aufgeboten werden" hatte der Archidiakonus gesprochen, ,, und zwar nach eingeholtem Konsistorialkonsens ein- für allemal, Herr Johann Friedrich Schiller  , Fürstlich Sachsen- Meiningenscher Hofrath, Fürstlich Sachsen- Weimarischer Rath und außerordent licher Lehrer der Weltweisheit allhier, Herrn Johann Friedrich Schillers, Hauptmanns in Herzoglich Würtembergischen Diensten eheleiblich einziger Sohn, und Fräulein Louise Charlotte Antoi nette v. Lengefeld   aus Rudolstadt  , weiland Herrn Joël Christoph von Lengefeld, Fürstlich Schwarzburg- Rudolstädtischen Jäger­meisters und Kammerraths zu Rudolstadt  , eheleibliche zweite Tochter."

Die Studenten hatten den ganzen Sonntag und in allen

Kneipen von wenig anderm gesprochen, als von der überraschen­den Heirat des Mannes, in dem sie den Dichter wie ihren Lehrer gleich sehr verehrten und bewunderten. Sie waren ent­schlossen, ihm durch jubelnde Ovationen ihre Theilnahme zu be­weisen, aber alle Kundschafter, die sie ausschickten, um zu erfahren, wo er zu finden wäre, kehrten mit der Nachricht zurück, das erste Stockwerk in dem allbekannten Eckhaus am Markt, wo der Pro­fessor Schiller   hauste, sei für heute vereinsamt und keine Spur, wo er weile, zu finden.

In später Nachtstunde endlich, nur von wenigen bemerkt, hatte eine alte gelbe, riesengroße Postkalesche vor dem Weimarischen Hof" gehalten, aus der der vielgesuchte Schiller   auf die jammer­voll gepflasterte Straße gesprungen war, um zwei in Pelzen ein­gemummten Frauengestalten aus der schwankenden Arche Noah der Turn- und Taxis'schen Postbeförderung auf festen Grund und Boden zu helfen.

Geschlafen hatte er nicht viel, als er sie um zehn Uhr früh wieder abholte. Es galt, der Mutter der beiden Schwestern, die er gestern nach Jena   geführt, entgegenzufahren.

Ueber die Saale   hinüber, am Ufer entlang, ging der Weg, da, wo dieselben alten Weiden   und hohen Erlen standen, welche in Goethe die Idee seines Erlkönigs erweckt haben sollen, als er des Abends einem auf müdem Gaule mit seinem kranken Kinde im Arm heimreitenden Bauersmann begegnet war. Der Abend dämmerte auch bereits herein, als die alte Postkutsche vor dem winzigen Kirchlein von Wenigenjena   anhielt. Hier, in einſamſter Stille, nnd nicht in Jena  , wo eine Menge Menschen auf die Brautschau gekommen wären, wie alle jenenser Kirchen zusammen sie nicht hätten fassen können, sollte die Trauung statt­finden.

Auf der Landstraße vor dem Kirchhof empfing die Ankom­menden der Pfarrer Schmid und geleitete sie zum Altare. Dann schloß er die Kirchthür, um nach dem Wunsche des Brautpaars jegliche Neugier fernzuhalten. Die Ceremonie der Trauung hatte der Adjunkt des Pastors, sein Sohn, der gleichzeitig, oder viel­mehr hauptsächlich Magister und Dozent der Philosophie in Jena  war, Karl Christian Erhard Schmid, übernommen.

Der Kantianer im geistlichen Talare hielt eine Predigt, wie sie nicht oft von den Wänden einer Kirche widergeklungen sein mag. Er begann mit der wie zum Abschrecken eingerichteten Trauungsformel, welche Luther   dem alten Testamente entnom­men hat:

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Also sprach Gott der Herr zum Weibe: Du sollst mit Schmerzen Kinder gebären, und dein Wille soll deinem Manne unterworfen sein und er soll dein Herr sein. Und zu Adam sprach er: Dieweil du hast gehorchet der Stimme deines Weibes flucht sei der Acker um deinetwillen, mit Kummer sollst du dich darauf nähren dein Lebenlang. Dornen und Disteln soll er dir tragen und sollst das Kraut auf dem Felde essen. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis daß du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist."

Das klang gewiß furchtbar und erpreßte den weiblichen Mit­gliedern der kleinen Hochzeitsgesellschaft, insbesondere der wür­digen Brautmutter, heiße Thränen. Dem glücklichen Bräutigam, welcher sich extra diese alte Trauungsformel, der Frau Schwieger­mutter zu Gefallen, bei seinem Freunde Schmid bestellt hatte, ging sie garnicht zu Herzen. Er war einmal seelenfroh gestimmt an dem Tage und fand den ,, Auftritt" der Trauung ,, kurzweilig", trotz der düsteren Drohungen des menschenfeindlichen Jehovah, die sich an ihm freilich dennoch erfüllen sollten.

Nachdem sich der Jünger Kants   mit der Bibel, wie es seines Amtes war, abgefunden hatte, kam er auf die Kritik der prakti­schen Vernunft. An den Gedanken, daß die Eheschließung der kategorische Imperativ der Pflicht für die Leidenschaft sei, knüpfte er seine philosophische Betrachtung. Dann erklang zweimal das laute und feierliche Ja!" und Schiller war mit seiner Lotte verbunden. In den Augen der Frauen standen noch immer die Thränen. Lotte weinte vor Glück, Karoline, die Schwester, vor Leidsie liebten beide den herrlichen Mann, dessen leidenschaft­liches Herz vor nicht allzulanger Zeit noch in unentschiedener Neigung zwischen ihnen beiden hin- und hergeschwankt die ältere opferte das eigene Glück starken Muthes für das der Schwester und das des geliebten Mannes. ( Schluß folgt.)

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