Die Republiken Sudamerika'S   in ihrer Vergangenheit und Gegenwart. Historische Skizze von I)r Mar Dogler. (Fortsetzung.) Selbst eine nur flüchtige Skizzirung der Geschichte des ameri- konischen Südens kann die Befreiung des letzteren von der spanischen  Herrschast nicht erzählen, ohne dabei der Stellung zu gedenken, welche die seit der Entdeckung des Landes in Amerika   das Machtwort spre- chendealte Welt" zu der Veränderung in den staatlichen Verhältnissen des Westens eingenommen hat. Die nach den sogen.Freiheitskriegen" in Europa   hereinbrechende Reaktion ließ es in der That nicht an Be- mühungen schien, auch diesmal ihren Einfluß jenseits des Ozeans zu ihren Gunsten geltend zu machen. Sie faßte die freiheitliche Bewegung in Südamerika  , so sehr war das kranke Europa   von seiner sehr zweifel- Haft gewordenen Würde eingenommen, wie eine Art von persönlicher Beleidigung auf, und die drei Allianzmächte zeigten Lust, die Angelegen- heit zum Gegenstand der Berathungen eines Kongresses zu machen, um ihren- natürlich!berechtigten Wünschen" Erfolg zu verschaffen. Diese Wünsche liefen aber, ganz den griesgrämlichen Alltagsneigungen der alten, furchtsamen Dame entsprechend, aus nichts anderes als auf die unbedingte Wiederherstellung der spanischen   Herrschaft oder wenig- stens die Aufrcchterhaltung des monarchischen Prinzips durch Einsetzung bourbonischer Prinzen in jenen Staaten hinaus. Eigenwillig, wie kranke Alte sind, würde man sich weder durchdie handgreifliche Lächer- lichkeit, die darin lag, daß Preußen oder Oesterreich sich um die Regie- rungssorm eines Landes bekümmerte, von dem sie durch die Breite zweier Weltmeere und zweier Kontinente geschieden waren", noch durch die warnende Stimme des damaligen Präsidenten der nordamerikani- scheu Union, James Monroe  (18171825), daß das Zeitalter curo- päischer Staatengründungen auf amerikanischem Boden geschlossen sei", von dem thörichten Beginnen haben abbringen lassen, hätte nichtdie Stimme des gesunden Menschenverstandes diesmal einen Verbündeten an den merkantilen Interessen Englands und an der ruhigen Energie seines leitenden Staatsmannes gehabt." Es war der rcichbegabte, hu- mane englische Minister Lord George Canning, der bestimmend ins Mittel griff, derselbe, der auf einem Festmahl zu Harwich   den seit- dem als wahres Zeit- und Schlagwort in Millionen Herzen wider- klingenden Wahlspruch ertönen ließ-Bürgerliche und religiöse Freiheit über die weite Welt(all over the world)!"... Der englische   Handel nämlich hatte bei dem ungehemmten Verkehr, den die sreigewordenen Staaten suchen mußten, mehr Vortheil, als bei dem engherzigen und beschränkten Geiste der früheren spanischen  Handelspolitik, welche den englischen Erzeugnissen den Eingang verwehrte, und schon hatten sich zahlreiche Verbindungen Englands mit den süd- amerikanischen Republiken angeknüpft, deren Interessen den absoluten Widerstand gegen jede Neigung, die früheren Verhältnisse daselbst wie- der herzustellen gebieterisch erheischten. So erklärte denn Canning dem französischen   Gesandten am britischen Hofe, von Polignac, der sich zum Organ jener Jnterventionsideen derheiligen Allianz" machte, rund heraus,daß die Regierungsform, unter welcher ein Volk leben wollte, niemanden etwas angehe, als dieses Volk selbst", und betonte auf das bestimmteste, daß er fest entschlossen sei, jene europäische Einmischung in dein besagten Sinne niemals zuzulassen. Zur höchsten Entrüstung der kontinentalen Mächte ernannte er im Jahre 1823 britische Konsuln für die neuen Staaten, um die Interessen des britischen Handels da- selbst wirksam zu vertreten, und erkannte nach dieser mittelbaren An- erkennung am 1. Januar 1325 Mexiko  , Columbia und Buenos-Ayres in ihrer neuen staatliche» Gestaltung förmlich an.Ich rief die neue Welt ins Dasein", so sagte er mit gerechtem Stolze in einer diesen Meisterzug seiner Politik entwickelnden Rede im Parlament, welche von der liberalen Seite beS letzteren mit lautestem Beifall begrüßt wurde um das Gleichgewicht der alten herzustellen." Er hat Recht gehabt; jeder weitere Versuch, der im Verlause der folgenden Jahrzehnte unter­nommen wurde, in dieser oder jener Weise bestimmend auf die süd- amerikanischen und amerikanischen   Verhältnisse im weiteren Sinne ein- zuwirken, hat ein unglückliches Ende genommen. Was die weitere Geschichte der südamerikanischen Republiken, deren es gegenwärtig neun Peru  , Bolivia  , Paraguay  , Ecuador  , Argentina  , Chile  , Uruguay  , Bereinigte Staaten von Venezuela  , Bereinigte Staaten von Columbia gibt, in unserem Jahrhundert angeht, so ist schon daraus hingewiesen worden, daß dieselbe aus einer sortlaufenden Kette von Ausständen, Revolutionen und gegenseitigen Bekriegungen besteht, wovon der Grund jedenfalls in dem Charakter der dünngesäeten, wenig arbeitslustigen und auftegungsbedürftigen Bevölkerung, der die über- schwänglich reiche Natur nie ermüdend ihre zum größten Theile un- genützt wieder in ihren Schoß zurückgehenden Schätze darbietet, zu suche» ist. Ein von einer Anzahl der südamerikanischen Staaten be- Ichickter Kongreß, der im Jahre 1860 zu Lima   stattfand, und von dem energischen, feurigen General Ramon Caftilla, Präsidenten von Peru  , zusammengebracht worden war, erfüllte die durch ihn genährten Hoff- nungen auf eine größere gegenseitige Annäherung nicht. Eine Aus- nähme von dem allgemeinen Zustand in diesen Republiken hat eigent- lich nur eine der kleinsten, der dünnbevölkerte, halbindianische Binnen- staat Paraguay   aufzuweisen, welcher aber bekanntlich wieder durch den
fünfjährigen Kampf gegen dieTripleallianz"(186570) und die im letzten Jahre daselbst ausgebrochene Revolution in neuerer Zeit schwer heimgesucht wurde. Wir haben hier nur auf die Verhältnisse Peru's  , Bolivias und Chile's näher einzugehen, insofern diese Darstellung im Hinblick auf den gegenwärtig zwischen jenen beiden Republiken als Alliirten und dem letzteren stattfindenden Krieg veranlaßt worden ist. Mit Peru   beginnen wir dabei deshalb, weil dieser Staat unter den anderen Republiken Südamerika's   in mehr als einer Hinsicht den ersten Rang einnimmt. Die geographische Größe Peru's   wird, wie die fast aller südame­rikanischen Staaten, verschieden angegeben; wir glauben das Richtige zu treffen, wenn wir sie auf 24 000 Quadratmeilen mit gegen 3 mill. Einwohnern bemessen. Eines der reichsten und schönsten Länder Süd- amerika's, steht ihm jedenfalls eine große Zukunft bevor. Es ist von der Natur selbst in drei Theile getheilt: Die 1020 Meilen breite Küstengcgend die Balles deren größerer Theil sandig ist, zum kleinen Theil aber auch aus sehr fruchtbaren Thälern, welche von den in den Gebirgen entspringenden Flüssen bewässert werden, besteht, zweitens die Sierra, hohes Gebirgsland zwischen den beiden Andes- ketten drittens die aus feuchtem Wiesen- und Sumpfland und aus fruchtbaren Pampas bestehenden warmen Thäler am östlichen AbHange der Bergketten. Während die Sierra sehr wenig für den Ackerbau be- nutzt wird, liefert sie dagegen durch ihren großen Metallreichlhum für den Bergbau die vortheilhafteste Ausbeute. Die ebene Küstenstrecke hat besonders durch das hier sich dem Auge darbietende großartige Schau- spiel des stillen Ozeans mit seinen Wogen und die grünen Oasen, die man hier und dort zwischen den Sandflächen erblickt, einen hohen Reiz; von größerer Schönheit noch sind aber die Gebirgsgegenden, wo Himmel- anstrebende Berge mit furchtbaren Abgründen und Schluchten abwechseln und senkrechte, auf einander gehäuste Felsen ebenso viele Stufen zu sein scheinen, um die Cordilleras zu erklettern, aus deren Gipfeln der ewige Schnee leuchtet und prangt und die südliche Sonne(Peru   ist ganz in der südlichen Zone gelegen) das Auge durch die wunderbarsten Farbenspiele entzückt. Die Thäler an den Abhängen im Osten haben mehr einen freundlichen Charakter und zeichnen sich durch eine groß- artige Vegetation aus(Weizen, Reis, Kaffee, Zuckerrohr, Kacaobohnen, Baumwolle, von der man im Jahre drei Ernten erzielt, Flachs und Hanf, Tabak, Muskatnüsse, Ingwer, Pfeffer, in den unermeßlichen Ur- wäldcrn kostbare Holzarten, die ebenso gut zur Verwendung zum Schiffbau wie zur Kunsttischlerei dienen, wie z. B. Cedern, Acazien, Ebenholz, Eichenholz, zehn bis zwölf Palmcnarten, mehrere Arten Chinabäume, Aloe, Farbehölzer, Gummibäume, ferner osfizinelle Kräuter, Coca u. a. m.). Bekannt ist der Mineralienreichthum Peru's  , der geradezu unerschöpflich zu sein scheint und bereits eine ungeheure Aus- beute geliefert hat. Gold und Silber wird nicht allein in den hohen Bergketten, sondern auch in den Sandgegenden und selbst in den Flüssen gefunden. Ferner gewinnt man Quecksilber in Ueberfluß, Salpeter, Kupfer, Zinn, Blei, Eisen, Nickel, Schwesel, Asphalt, Salz. Schließlich und vor allem ist noch der unermeßlichen Guanolager zu gedenken, die sich hauptsächlich auf den drei Chinchasinseln, aber daneben auch noch aus anderen Eilanden finden. Der Guano bildet neben dem in neuerer Zeit gleichfalls in großen Mengen zur Versendung gelangenden salpeter- sauren Natron den ergiebigsten und bedeutendsten peruanischen Aus- fuhrartikel und die Erträgnisse seines Verkaufs haben der Staatskasse schon mehrere hundert Millionen Dollars eingebracht. Und dabei scheinen die Lager noch lange nicht erschöpft zu sein.(Fortsetzung folgt.)
Reise vor zweihundert Jahren.(Bild Seite 377.) Wir sehen uns in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts zurückversetzt, in dessen erster ein blutiger Krieg die deutschen Lande verwüstete. Noch tragen die wenigen Straßen die Spuren rastlos hin und wieder ziehender Heere mit schwerem Geschütz und endlosem Troß. Zudem schießt seit Tagen unendlicher Regen herab und verwandelt die Fahrbahn in ein Meer von Schmutz, in den die Räder zur Hälfte einsinken. Wider- willig keuchen die Rosse unter den Peitschenhieben, und mißmutig bergen sich die Reisenden hinter den Schutzledern der schwerfälligen Kutsche, die eher einem aus Räder gestellten Sarg, als einem Verkehrsmittel für Lebende gleicht. Noch machen brotlos gewordene Soldaten aus aller Herren Länder die Straße unsicher und bieten sich im günstig- sten Falle den wenigen Reisenden, die die eiserne Nothwendigkeit auf die Straße treibt, zum bewaffneten Geleite an. Holpert so ein Auszug durch eines der halb niedergebrannten Dörfer des heiligen römischen Reiches deutscher Nation, so schaut kaum ein halbes Dutzend zerlumpter Kinder aus den Fenstern, die Alten schließen ängstlich die Thüre zu, denn die vorüberziehende Rotte könnte nach Gutdünken eine Brand- schatzung vornehmen und selbe noch obendrein mit dem rothen Hahn auf dem Dache quittiren. Auch in den Städten liegt Handel und Wandel darnieder und die Bevölkerung ist durch Pest und Hunger dezimirt. Das sind die Segnungen der guten alten Zeit nach dem dreißigjährigen Kriege. Und doch paßt unsere düstere, aber wahrheits- getreue Schilderung nur auf die reichen Reisenden des 17. Jahrhunderts. Die armen griffen zu tausenden zum Bettelstab und gingen ohne festes Ziel in die weite Welt hinaus, nur um dem Elend zu entfliehen, das sie daheim umgab und tausende jagte die Reue über begangene Misse- thaten in die Fremde. Die Wunden dieses dreißigjährigen Siechthums