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sind in den freien Reichsstädten Augsburg , Ulm und Nürnberg noch heute nicht vernarbt, denn die welthandelbeherrschende Stellung dieser Städte ist unwiderbringlich dahin. Die Post befand sich nach dem Westphälischen Frieden in demselben erbärmlichen Zustande wie die Straßen, obzwar sie schon unter der Regierung des Kaisers Maximilian I. eingeführt worden war. Ihre Leitung wurde als eine Art Privilegium dem kaiserlichen Oberjägermeister Roger von Tassis übergeben, welcher im Lande Tirol die erste deutsche Post ins Leben gerufen hatte. Die Zweckmäßigkeit der neuen Einrichtung bewährte sich sehr bald, der Kaiser ließ sich nnn auch eine Reitpost zwischen Wien und Brüssel organisiren und ernannte Roger von Tassis zum niederländischen Generalpostmeister. Man entlehnte die Bezeichnung Poſt" aus dem Lateinischen von dem Worte positus, zu deutsch ,, aufgestellt", weil die Verbindung auf einer Aufstellung von Pferden beruhte. Bernhard, der Sohn des Vorgenannten, veränderte seinen Namen in Turn und Taxis. Er war es, der die Niederlande, Deutschland und Tirol mit Italien postalisch verband und zwar von Brüssel über Lüttich , Trier , Speier und Augsburg nach Mailand . Die Post hatte ,, kaiserliche Vollmacht", d. h. alle Fuhrwerke mußten dem Reichspostreiter ausweichen, die Reiter gaben Raum für ihn und wo noch vereinzelte Raubritter in den Schluchten verborgen hausten, da zogen sie sich sofort zurück, wenn das Posthorn sich hören ließ. Achtzig Jahre nach ihrer Einführung war die Post durch den Troß der deutschen Fürsten arg in Verfall gerathen, bis ihr der dreißigjährige Krieg vollends den Garaus machte. Erst nach dem Friedensschluß von Münster und Osnabrück ( 24. Oft. 1648) dachte man an die Wiederherstellung dieser öffentlichen Verkehrsanstalt und verbesserte sie wesentlich durch Einrichtung von Personenposten. Von einem kleinem Orte im Lande Hannover , von dem jetzt gänzlich unbekannten Bütter, zwischen Hildesheim und Bremen , war der erste Personenpostcours ausgegangen. So gering wie sein Ursprung, war auch seine Einrichtung. Schwere, plumpe Leiterwagen beförderten die anspruchslosen Passagiere, kein Dach schützte sie vor Regen und Sonnenschein, Schnee und Hagel konnten ungehindert die Köpfe mit Silberstaub pudern. Und eine Reihe von Jahren hindurch ließ sich die damalige Menschheit derartige Marterkasten geduldig gefallen; dann erst fonstruirte man Leinwanddecken über Tannenreifen und noch viel später entstanden die dauernden ledernen Wagendächer, deren gelber Anstrich dem Postwagen den Namen der gelben Kutsche verlieh. Daß neben der Reichspost verschiedene Landesposten entstanden, ist bei der politischen Vielköpfigkeit Deutschlands selbstverständlich. Doch gerade diese Rivalität trug zur Vertheuerung des Porto bei. Noch in den ersten Jahren unseres Jahrhunderts, kurz vor der 1804 erfolgten Auflösung des alten deutschen Reiches kostete ein Brief von Hamburg nach Nürnberg auf der Taxis'schen Post 12 Kreuzer, auf der Taris'schen und brandenburgischen Post von Nürnberg nach Berlin , 14 Meilen Entfernung weniger, zahlte man über 27 Kreuzer, und, wenn auf dem Wege über Leipzig die sächsische Post hinzukam, waren gar 35 Kreuzer zu erlegen für den einfachen Brief. Beim Zusammenbruch des heiligen römischen Reiches deutscher Nation( 1804) gab es 31 verschiedene Postanstalten. Seit dem Jahre 1871 haben wir so weit die deutsche Zunge klingt", wie Vater Jahn sagen würde, deren nur 4, und zwar die deutsche , die öster reichische, die bayerische und die würtembergische; jedenfalls sind drei 9. zu viel.
Die Beeren der Tollkirsche als Vogelfutter. Es ist ein betannter Erfahrungssaß, daß gewisse Pflanzen nur für gewisse Thiere ,, giftig" sind, während dieselben Pflanzen für andere Thiere sich unschädlich erweisen und sogar dritten Thieren als beliebte Nahrung dienen. Der Ausdruck Giftpflanze" ist somit kein allgemein gültiger, sondern nur ein relativer. Dies erweist sich am frappantesten in der Thatsache, daß die Beeren der Tollkirsche von den Drosseln ohne allen Nachtheil verzehrt werden, während ja einige wenige jener berückendschwarzglänzenden Beeren hinreichen, einen Menschen vom Leben zum Tod zu befördern. Andererseits ist für uns Menschen die Kermesbeere ( Phytolacca decandra) unschädlich( sie wird ja in südlichen Gegenden auch reichlich zum Färben des Weines verwendet), während sie für die Drosseln eine ,, Giftpflanze" ist, von anderen Vögeln zugleich aber ohne Schaden genossen wird. Von all' den glänzenden saftigen Früchten der verschiedensten Gewächse, die seit Adams Zeiten als giftig" verschrieen sind, muß angenommen werden, daß sie für gewisse Thiere durchaus schadlos sind und diesen letteren sogar als beliebte Nahrung dienen; denn anders läßt sich die verlockende Ausstattung jener Früchte nicht erklären. Sie sind die Produkte einer natürlichen Zuchtwahl, bei welcher diejenigen Thiere, welche jene Früchte genießen, als Züchter fungirten. Die in den Beeren und anderen fleischigen Früchten ein
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geschlossenen hartschaligen Samen gelangen häufig nur dann zum Keimen, wenn sie den Darmkanal eines Thieres passirt haben. Es leuchtet also ein, daß die Samen jener Pflanzen am meisten Aussicht hatten, unter günstigen Verhältnissen zu feimen, wenn sie in Begleit der verlockendsten Anziehungsmittel für früchteverzehrende Thiere zur Reife gelangten. Bekanntlich keimen die von saftigem Fruchtfleisch umgebenen Samen des Weißdornes am besten, wenn sie erst von einem Vogel genossen wurden und mit den Auswurfsstoffen desselben ausgesäet werden. In England benutzen die Gärtner diesen Umstand, indem sie die Weißdornfrüchte den Truthühnern als Nahrung vorlegen und hernach die Erkremente dieser Vögel mit den darin enthaltenen unversehrt gebliebenen, nun aber aufgeweichten Samen zur Aussaat bringen. Die glänzenden Beerenfrüchte bilden ihre Farben und ihr saftiges Fleisch nicht Das durch diese Momente angelockte Thier dient unohne Nußen. bewußt als Säemann für die betreffende Pflanzenart. Die für den Menschen so ,, giftige" Einbeere( Paris quadrifolia), welche in unseren Gegenden so häufig ist, findet bei ihrer Reisezeit, da sie in wunderbarem Lachschwarz erglänzt, ganz entschieden Liebhaber unter den Thieren des Waldes, die sie schadlos genießen; denn die schwarze Beere fault nicht furze Zeit auf dem Stock, noch weniger vertrocknet sie unbenugt, nach ihrer Reife findet man die Pflanze ihrer Beere beraubt. angeführten Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, daß auch die Philosophie der Giftpflanzen", die seinerzeit im Sinne der teleologischen Weltanschauung so viel Irrthum verbreitete, seit dem Plaßgreifen Dr. D- P. des Darwinismus eine andere geworden ist.
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Die
Der Blasentang als Arzneipflanze. Bekanntlich liefern die Meertangen in ihrer Asche beträchtliche Mengen von Jod und Brom , welche beiden Stoffe in der heutigen Arzneimittellehre eine wichtige Rolle spielen. Das ,, Carraghen" des Handels, unpassend auch ,, irländisches Moos" genannt, dient ſeit alten Zeiten als Mittel gegen Abzehrungskrankheiten und ist nichts anderes als ein mariner Rothtang( Chondrus crispus). Nun ist neuerdings auch der fast in allen europäischen Meeren vorkommende Blasentang, Fucus vesiculosus, plöglich wieder als Arzneipflanze zur Berühmtheit gelangt, nachdem er lange Zeit faft ganz außer Kurs gesezt war. Ein englischer Arzt wandte das Extrakt des Blasentanges als Mittel gegen Fettleibigkeit an sich selbst an und verlor innerhalb 3 Wochen 8 Pfund an Gewicht, in den folgenden 3 Wochen neuerdings 1½½ Pfund und bis zum Ende der 12. Woche zusammen 13 Pfund. Es muß aber erwähnt werden, daß er genaue Diät einhielt und Butter, Zucker, Bier 2c. vermied. Letzteres hatte er auch schon früher gethan, aber ohne eine Gewichtsabnahme zu verspüren. In einem andern Falle verlor ein Mann in 6 Wochen 8 Pfund, ohne eine Aenderung in seiner Lebensweise einzuführen. Eine Dame verlor in 9 Wochen über 20 Pfund, ebenfalls ohne besondere Diät einzuhalten. Alle diese Personen nahmen das flüssige Extrakt von Fucus vesiculosus und verspürten in ihrem Allgemeinbefinden keine nachtheiligen Wirkungen. Da der Blasentang an den felsigen Küsten der europäischen Meere in solcher Masse vorkommt, daß auf kleinem Raume ganze Wagenladungen gewonnen werden können, so dürfte er ein sehr billiges und in keinem Falle schädliches Hausmittelchen abgeben, das unseren dickleibigen Tanten und Onkeln etliche Jahre weiterer Lebenszeit einbringen wird. Dr. D- P.
Als Gewichtsstücke können in der Noth unsere Reichs- Kupferund Nickelmünzen benüßt werden. Nach dem im Reichsgeseße vom 5. Februar 1874 angegebenen Normalgewichte wiegt nämlich 1 Bfennig ( neu) genau 2 Gramm, ein 2- Pfennigstück 33 Gramm, ein 5- PfennigStück 2½ Gramm, ein 10- Pfennigstück 4 Gramm. Es läßt sich hiernach folgende Tabelle aufstellen:
1 Gramm gleich zwei 5- Pfgstück weniger ein 10- Pfgstück,
ein 1- Pfgstück,
2
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3
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zwei 5- Pfgstück weniger ein 1- Pfgstück,
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ein 10- Bfgstück,
"
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zwei 5- Pfgstück,
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drei 1- Pfgstück,
"
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zwei 5- Bigitüd und ein 1- Pfgstück,
"
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zwei 10- Bfgstück,
"
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zwei 5- Bfgstück und ein 10- Pfgstück,
10
"
vier 5- Pfgstück.
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"
Wer etwa vorziehen sollte, mit Gold- statt mit Nickelmünzen zu wiegen, der kann auch statt eines 10- Pfennigstücks ein 10- Markstück auf die Wagdas Gewicht ist gleich. schale legen
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Inhalt. Ein verlorner Mann, von Hermann Hirschfeld( Schluß). Zum Porträt Schillers). Das neue Recht im neuen Reich, von P. D.( IV. Fortsetzung). von Rothberg- Lindener. Dem Schicksal abgerungen, Novelle von Rudolph v. B.. Vergangenheit und Gegenwart. Historische Skizze von Dr. M. Vogler( Fortsetzung). Die Beeren der Tollkirsche als Vogelfutter.- Der Blasentang als Arzneipflanze.
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neunten Mai. Ein Gedenkblatt von Bruno Geiser( mit dem Verbrennung und Wärmeeffekt unserer Brennmaterialien, ( Fortsetzung). Die Republiken Südamerikas in ihrer Reise vor zweihundert Jahren( mit Illustration). Reichsmünzen als Gewichtsstücke.
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