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Schooß gefallen ist und nicht weiß, was er mit seinem Geld und Glück gleich anfangen soll. Vor lauter Vergnügen arrangirte man einen Fastnachtsball. In aller Eile und wie im Nu ent­standen an allen Enden prächtige Bauwerke; schlecht gezimmert, leicht gegründet. Das mußte eines guten Tages zusammen fallen. Wo zwei unternehmende Köpfe waren, da etablirte sich eine Aktiengesellschaft. Wie die Pilze nach lästigem Regenwetter, so sproßten aus dem Boden unseres Vaterlandes diese auf den Bankerott eingerichteten industriellen Unternehmungen empor. Es waren Eintagsfliegen. Am Morgen trank man Champagner, am Mittag kam der Leichenwagen und am Abend war das Ganze eine Ruine. Jeder beeilte sich, theil an dem großen Fischzug zu nehmen. Die Zeitungsschreiber steckten zumeist mit diesen Aktienmachern unter einer Decke. Sie lobten das Unternehmen, halfen so die Aktien an den Markt bringen und steckten für ein paar unbedeutende Druckzeilen ein Pack Aktien als Douceur ein. Sie wurden auf diese Art unwillkürlich Aktionäre und Börsen spekulanten. Die große, die goldne Zeit hatte jeden Skrupel

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geheiligt, hinweggescheucht. Und auf diesen Freuden- und Sieges­taumel ist nun die Entnüchterung gefolgt. Es wird eine schreck­liche in Bezug auf die Nachwirkung sein. Die Magazine find mit Waaren überhäuft, der Preis der Lebensmittel ist um ein Bedeutendes gestiegen, der Lohn, die Einnahmen sind gefallen, die Bedürfnisse geblieben. Die Haushalter haben nicht weise gewirthschaftet, sie haben auf einmal ihre Schränke und Speise­fammern geöffnet, und nun gähnt überall Dede und Leere. Ihr Doktor Müller wird auch nicht skrupulös gewesen sein, und war er flug, so könnt ihr ihm nichts beweisen. Nur vor dem Tribunal der moralischen Ueberzeugung kann man ihn richten, doch welche Wirkung wird dieses Richterthum auf ihn ausüben? Aber nun habe ich Ihnen genug vorgeschwazt," sagte Lieber. Stecken Sie endlich Ihre Cigarre an, vergessen Sie auf ein Stündchen die leidige äußere Welt, und indem wir die Gläser in die Hand nehmen, wollen wir auf irgendetwas, was uns ,, Bravo!" rief ich. gemeinsam lieb und werth ist, anstoßen!" ( Fortsetzung folgt.) Ihre Damen sollen leben!"

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Bum neunten Mai. Ein Gedenkblatt von Bruno Geiser. ( Fortsetzung statt Schluß.)

Das Titanische, das überwältigend Bedeutende in Schillers Wesen, wie es aus den Zügen unseres Porträts uns entgegen­blitzt, macht sich nirgend entschiedener und unleugbarer geltend, als da, wo er als Anwalt der höchsten Ideen der Menschheit und als Richter der Gedanken und Bestrebungen seiner Zeit auftritt.

Wer Schillers dichterische und prosaische Arbeiten studirt denn studiren muß sie auch der Scharfsinnigste, der Literatur kundigste, der mit den besten Geisteswaffen Ausgerüstete, nicht blos lesen und wieder lesen, wenn er ihn ganz verstehen, den erstaunlichen Reichthum seiner Gedanken nach Gebühr ermessen will, bei dem wird sich neben der Bewunderung für die außer ordentliche poetische Kraft, welche sich ihm überall offenbart, auch das Gefühl geltend machen, daß er sich in dem Banne eines gewaltigen, politischen Genius befindet, eines Genius, vor dessen Augen nicht nur die politischen und sozialen Gestaltungen seiner Gegenwart mit allen ihren Schwächen und Fehlern un­verhüllt offenlagen, sondern der auch in die Zukunft schaute, wie in ein aufgeschlagen Buch, und kommenden Geschlechtern wie seinen Zeitgenossen die Wege gewiesen hat, die sie zum Ziele der Völkerfreiheit und des Völkerglückes zu wandeln haben. Poeta propheta der wahre Dichter ist Prophet das hat sich an keinem so glänzend bewährt, als an unserem Schiller!

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Und seines Volkes Prophet und Führer zu sein, bei dessen Wanderung durch die Wüste der geistigen Unreise und sittlichen Niedrigkeit in das gelobte Land der wahren inneren Freiheit, deren äußere, garnicht erst besonders zu erstrebende, ganz von selbst dem geistigen Kerne sich organisch angestaltende Form die sozialen und politischen Einrichtungen sind, diese höchste Auf­gabe des Dichters und des Menschen überhaupt, den umwölften Blick zu öffnen und die tausend Quellen dem Durstenden in der Wüste zu zeigen,"- wie er selbst sagt, hat Schiller stets unwandelbar vor der Seele gestanden und hat er gelöst in un­vergleichlicher Weise.

Versuchen wir, die Hauptmomente seines Wirkens mit einem Blicke zu umspannen, um Grund oder Ungrund dieser Behaup­tung zu erkennen.

Mit den Räubern" wagte der kaum zwanzigjährige Dichter den ersten großen Wurf. Es war ein Schuß ins Schwarze der furchtbar zerrütteten Zustände jener Zeit, zu Anfang der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Er leuchtete mit grellem Fackel schein in die finstere Nacht des tintenflecksenden Säkulums", dieses schlappen Kastratenjahrhunderts" hinein und zeigte, daß seine Zustände das Verbrechen zum Siege und die Zugend zur Vernichtung führen müßten. Gegen so furchtbare Verrottung ließ er sich den Räuber, den losgebundesten aller Empörer, als Vertreter der kettenbelasteten Menschheit, erheben; der Mann, der sich ganz auf sich selbst gestellt, der kein anderes Gesetz gelten lassen will, als seinen eigenen Willen und die Laune eines

Augenblicks, er spricht und handelt im Namen der Gerechtigkeit, deren oberstes Gesetz das der persönlichen Freiheit ist, weil diese keinen anderen Fürsprecher mehr findet. Und der Räuber erweist sich zum Schlusse bis zur Selbstvernichtung unterthan dem Gesetze, in dem er die Gerechtigkeit der Wiedervergeltung anerkennt.

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Was er in den Räubern" begonnen, setzte er im Fiesco  " fort. Spielt in jenen der Guerillakrieg entfesselter, nur auf Ver­nichtung des Bestehenden gerichteter Leidenschaften seine zerstörende Rolle, so gilt es hier dem zweckbewußten Kampf für eine be­stimmte politische Idee.

Einzelherrschaft und Republik   stehen sich im Fiesco  " gegen­über. Die Zügel der Herrschaft führt ein Mann, Andreas Doria, der dem Gemeinwesen, das er sich unterworfen, die dankens werthesten Dienste geleistet. Aber das Recht, über die vielen zu herrschen, hat sich auch damit der Eine nicht erwerben können; noch weniger aber das Recht, seine Herrschaft so zu stabiliren, daß sie sein unwürdiger Erbe mit den todten Schäßen, die jener hinterließ, übernehmen dürfte. Gegen die Usurpation erhoben sich die Vielen, nicht als Räuber, sondern als politische Verschwörer, deren Führer, Fiesco  , Graf von Lavagna, dem Maler zuruft: Du stürzest Tyrannen auf Leinwand, bist selbst ein elender Sklave! Geh', deine Arbeit ist Gaukelwerk der Schein weiche der That." Aber es sind mißvergnügte Nobili, der dem Tyrannen zunächst­stehende Adel der die Doria stürzt, und der Graf von Lavagna vermag der Versuchung nicht zu widerstehen, welcher der im Momente des Aufruhrs als Diktator geduldete Erste der Ver­schwörer ausgesetzt ist: an die Stelle des Tyrannen von gestern tritt der Sieger von heute, und diesen stürzt in der Stunde des höchsten Triumphs der Repräsentant des starren Republikanerthums, der alte Verrina, der selbst, wie die Leute alle, die nichts weiter sind, als Revolutionäre, nur Tyrannen verjagen oder morden und nicht freie Staaten auferbauen kann." Ich gehe zum Andreas" zu dem von den Verschworenen vertriebenen Tyrannen" Andreas Doria,- damit endet die Tragödie,' wie Cliquen- und Klassen­verschwörungen allezeit geendet haben und allezeit endigen müssen.

In dem ein Jahr nach" Fiesco  " vollendeten Drama Kabale und Liebe  " wandte sich Schiller   mit der Anklage auf unerträg­liche Erbärmlichkeit so unzweideutig und so schonungslos gegen die damaligen Zustände Deutschlands  , wie es bis dahin ganz unerhört gewesen. Selbst Lessing   hatte den Schauplatz seiner " Emilia Galotti  " noch nach Italien   verlegt, um seiner Tragödie in Deutschland   die Existenz zu ermöglichen; Schiller   brandmarkte offen vor allem Volke den deutschen   Duodezdespoten, der seine Unterthanen wie Viehheerden an den Meistbietenden zum Ab­schlachten zu verkaufen und in jämmerlicher Mätressenwirthschaft Hab und Gut seines Volkes zu vergeuden pflegte, sammt der feilen Adelssippe, die bei ihm höfisch scherwenzte, und dem ver­worfenen Handlangervolt seiner Beamten. Diesem in Grund und Boden hinein verdorbenen Theile der Gesellschaft jener Zeit gegenüber ergriff Schiller   Partei für den sittenreineren Bürger­