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wir also diese Unterhaltung, wir sprechen vielleicht ein andermal mehr darüber. Sagen Sie mir lieber, was das für eine merkwürdig große, altmodische Kutsche ist, die uns da entgegenfommt?"
Willisch schien es angenehm zu sein, daß das Gespräch auf ein anderes Thema überging.
Er schaute nach dem von Fritz Lauter erwähnten Fuhrwerk. Alle Wetter," sagte er." Die hab' ich selber erst einmal gesehen. Das ist ja die Staatskutsche vom Kloster Althaus." " Kloster Althaus, die große Frrenanstalt meinen Sie?"
,, Natürlich, die Frrenanstalt. Da bringen Sie wieder so einen armen Teufel, der vor lauter Freude über die schöne Welt sein bischen Verstand verloren hat."
Der Wagen fuhr an den beiden vorüber.
" Drei Frauen saßen darin," sagte Frizz Lauter, als die große, festgeschlossene Kutsche des Irrenhauses, an deren Wagenfenstern die Vorhänge aber nicht herabgelassen waren, vorbei war. " Drei Frauen und ein Mann," bestätigte Willisch.„ Und der Teufel soll mich holen, wenn ich von den drei Frauen nicht wenigstens zwei kenne." ( Fortsetzung folgt.).
Die
Fang von Schwarzfischen an der Küste von Nantucket in Massachusetts . Unser Bild( Seite 388) führt uns an die transatlantische Westküste, und zwar an den flachen, sandigen Küstensaum der Insel Nantucket im nordamerikanischen Staate Massachusetts . Wie alles in den Vereinigten Staaten hat sich auch das seit 1620 kolonisirte und seit 1776 der Union angehörende Massachusetts überraschend schnell entwickelt, wozu nicht nur die günstige Lage zwischen der Bergreihe der Alleghanies, den Flüssen Connecticut und Merrimac und dem Atlanti schen Ozean, sondern auch die die Landwirthschaft, Industrie, Handel nnd Schifffahrt fördernden Landesinstitutionen und die enorme Einwanderung aus Europa beigetragen hat.( Die Anzahl der Einwanderer im ersten Quartal des laufenden Jahres beziffert die new- yorker Hafenbehörde auf 35 825 Köpfe.) Gleichen Schritt mit der Entwicklung des Staates Massachusetts hat die in seinen Verband gehörende Insel Nantucket mit ihrem gleichnamigen Hauptort gehalten. elenden Hütten haben zierlichen Villen Platz gemacht, seitdem das Fischerdorf Nantucket zu einem berühmten Seebad geworden ist, das neben Long Branch , Atlantic City und Newport genannt wird. Aus allen Theilen der Union kommen Gesunde und Kranke auf die schöne Insel Nantucket, um sich in der herrlichen Seeluft neue Lebenskraft zu holen und sich auf längere oder kürzere Zeit mit dem Fischfang zu vergnügen, der hier wie in allen Seebädern Nordamerikas die Lieblingsbeschäftigung der Badegäste ausmacht. Um dem Schwarzfisch nach zustellen, wird von mehreren Badegästen ein erfahrener Bootführer engagirt, der die Lagerplätze dieser kühnen und gefräßigen Seeräuber kennt, die sich immer heerdenweise im Meer und an den Mündungen größerer Flüsse herumzutreiben pflegen. Lohnender wird die Jagd, wenn sich eine größere Anzahl von Booten zur Umringung der Lagerplätze der Schwarzfische aufmacht und sie dem Ufer zutreibt, wie es unser Bild darstellt. Zu Zeiten der Stürme kommt es vor, daß Schwarzfische massenweise an das Ufer verschlagen werden, wo sie ein sicherer Tod erwartet, denn die Bewohner wissen sehr gut ihren Speck zu schätzen, der einen gesuchten Thran gibt; viele finden auch das Fleisch recht schmackhaft. Der Schwarzfisch gehört zu der Spezies der delphinartigen Wale( Denticete). Wie der gemeine Delphin schießt er pfeilschnell vorwärts, umkreist die Schiffe, hebt neugierig den ungeschlachten Kopf empor und taucht schnell wieder unter. Er ist ein Seesäugethier mit sehr großem, nicht vom Rumpf abgeseztem Kopf, nackter Haut, borstenlosen Lippen und auf der Stirn stehenden Nasenöffnungen. Die Oberhaut ist verhältnißmäßig dünn, die Lederhaut aber schließt eine dicke Specklage ein. Die Sinnesorgane scheinen im Wasser sehr viel, außerhalb desselben sehr wenig zu leisten. Deshalb ist das Thier, wie es unser Bild zeigt, auf den Strand getrieben, mit Ausnahme der Schweifflossen, wehrlos. Das Weibchen wirft nach zehn Monaten ein bis zwei Junge. Die Mutter nimmt sich der Jungen mit großer Liebe an und vertheidigt sie rücksichtslos. Der Schwarzfisch würde wahrscheinlich ein sehr hohes Alter erreichen, wenn ihn die unersättliche Jagdlust des Menschen nicht daran hinderte. Trotzdem der Schwarzfisch vom 64. bis zum 75. Grad nördlicher Breite und wahrscheinlich wohl auch südlicher Breite vorkommt, wird er, gleich den Bewohnern der europäischen Hochgebirge, den Gemsen und Steinböcken, bald zu den Seltenheiten gehören, um in nicht zu ferner Zeit als Opfer seines thranreichen Wanstes völlig ausgerottet zu werden. Die Jagd auf die Wale war den alten Völkern, wegen ihres Schauplages in den nordischen Meeren, nicht bekannt. Die erste Kunde davon datirt aus dem 9. Jahrhundert. Schon um diese Zeit wurde sie von den Norwegern betrieben, wie uns skandinavische Tradition meldet. Zu ähnlichem Zweck drangen die Basken im Jahre 1372 bis zum 50. Grad nördlicher Breite in die St. Lorenzbay an die Gestade der Insel New Foundland und später, wohl wegen Abnahme der Jagdbeute, bis ins Eismeer vor. 1614 beutete die ,, Nordische Gesellschaft", von holländischen Rhedern gegründet, die Jagdgründe des Atlantischen Ozeans aus, wie es vor ihnen schon 1598 eine englische Gesellschaft gethan hatte. Im Jahre 1615 forderte Dänemark , in der Vorausseßung, Spißbergen sei ein Theil von Grönland , von den Engländern Tribut oder Antheil an den Erträgen des Walfischfangs. Die Thranfrage" hätte beinahe zwei seefahrende Nationen in Krieg verwickelt, zum Glück wurde sie dadurch aus der Welt geschafft, daß jede Nation ein besonderes Jagdrevier erhielt. Das massenhafte Erscheinen oder das gänzliche Fernbleiben der Wale hängt, wie das der Häringe, von Naturgesetzen ab, die uns vorderhand vollständig unbekannt sind, aber jedenfalls mit den klimatischen Verhältnissen der Polarzone zusammenhängen. Die Moskowitische
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Kompagnie büßte ihr gesammtes Gründungskapital ein, weil die Wale ein paar Jahre um New Foundland recht rar geworden waren, und man im 17. Jahrhundert ihre Tummelpläge in den arktischen Gewässern noch nicht kannte. Zu Anfang des 18. Jahrhunderts besuchte der Walfisch die nordamerikanischen Küsten in so großer Zahl, daß die Jagd mit Booten betrieben werden konnte. Später entwickelte sich dieselbe mit größeren Schiffen zu hoher Blüthe, und 1858 betrug der Gehalt ihrer Schiffe 198 000 Tonnen und der Ertrag belief sich auf mehr als 30 mill. Mark. Der englische Walfischfang war im J. 1866 mit nur 35 Schiffen vertreten und lieferte ein Erträgniß von beiläufig 2 millionen Mark. Bei der sinnlosen Massenvertilgung der sich nur langsam fortpflanzenden Wale ist ihr gänzliches Verschwinden nur eine Frage der Zeit. Unsere Nachkommen werden sich ihren Thranbedarf in den antarktischen Gewässern( Polarmeer der südlichen Halbkugel) holen müssen. Y.
Oberstein.( Bild Seite 389.) Wohl nirgends ist ein Thal zu finden, wo in gleicher Fülle auf so engem Raum die seltensten landschaftlichen Reize mit historisch hochbedeutsamen Erinnerungen und den lieblichen Gebilden der Sage sich so zusammendrängen, wie dort, wo zwischen ruinengekrönten Felsen die rebenumgürtete Nahe dem Vater Rhein zueilt. Romantisch ist es überall, doch nicht allerorten hat die Natur ihre Gaben in so verschwenderischer Weise ausgegossen, wie um die Mündung der Nahe. Unser Bild führt uns in die rauhe, unwirthliche Gegend der oberen Nahe, nach Oberstein , dessen Umgebung zahllose Schlupfwinkel mittelalterlicher Schnapphähne aufweisen kann. Bis auf unsere Tage hat sich das Buschklepperthum erhalten, denn in der nicht weit von Oberstein entfernten Ruine Montfort hauste der berüchtigte Schinderhannes, dessen Schandthaten noch in der Erinnerung älterer Leute fortleben. Zur Ehrenrettung der Nahethalbewohner wollen wir aber noch hinzufügen, daß sich in ihrem Heimatfluß auch die klassischen Reste der Ebernburg spiegeln. Dieser Stammsiz des ritterlichen Kämpen Franz von Sickingen war der Zufluchtsort der kühnen Freidenker Ulrich von Hutten , Melanchthon , Aquila, Bucer und Decolampadius. Das Städtlein Oberstein ist jetzt durch seine Achatindustrie in der ganzen Welt bekannt. Hoch oben auf steilem Melaphyrfelsen sieht man die Trümmer zweier Burgen hängen, der Alten und der Neuen Burg und darunter die vorzüglichste Sehenswürdigkeit des Ortes, eine Kirche, mühsam aus der harten, senkrechten Steinwand herausgemeißelt. 150 Felsenstiegen führen zu ihr hinauf. Im Schiff der im romanischen Styl aufgeführten Kirche sprudelt ein heller Quell. Wir lassen uns von dem Küster die Entstehungsgeschichte des Kirchleins erzählen. Der Schlüsselbewahrer deutet mit wichtiger Miene auf das in schwindelnder Höhe über uns hängende Gemäuer der Alten Burg und beginnt im näselnden Tone: Vor alten Zeiten hausten da droben zwei Brüder, Wyrich und Emich genannt, von denen der ältere die Katzen nicht leiden konnte. Einmal hat Emich scherzeshalber seinem Bruder einen Kater in den Stiefel gesteckt, welcher grausam gefreischt und gefaucht, als Graf Wyrich mit dem Bein hineinfuhr. In grimmigem Jähzorn hat der Gefoppte den Bruder vom Felsen hinabgeschleudert. Nach vollbrachter That von Gewissensbissen gefoltert, wallfahrtete er nach Jeru salem , wo er mit dem Bedeuten Vergebung für seine schwere Schuld erhielt, er solle mit eigenen Händen an der Stätte eine Kirche erbauen, wo er des Bruders Blut vergossen." Ein schweres Stück Arbeit für ein paar Menschenhände, wenn man die Härte der Melaphyrfelsen in Betracht zieht. Wahrscheinlich haben dem jähzornigen Wyrich einige hundert Hörige geholfen. Doch kehren wir von der Legende zur Wirklichkeit zurück. Die stolze Veste der Grafen von Oberstein hat der Zahn der Zeit zernagt und aus den ärmlichen Hütten ihrer Leibeigenen sind stattliche Häuser geworden. Das ist der Segen der Arbeit- Achatschleiferei. Dieselbe beschäftigt etwa 6000 Personen in Oberstein und dem benachbarten Jdar. Der Werth der jährlich umgesetzten Waaren, bestehend aus Reibschalen, Glättsteinen, Kameen, Ringsteinen, Agraffen, Armbändern, Rosenkränzen, Stockknöpfen, Messerstielen und vielen andern Kleinigkeiten, dürfte eine million Thaler betragen. Es ist ein saures Stück Arbeit, welches die obersteiner Achatschleifer im Schweiße ihres Angesichtes verrichten. Da der Arbeiter alle Kraft anwenden muß, um das zu schleifende Achatstück an den Schleifstein in den Achatmühlen anzudrücken, so liegt er mit Brust und Leib auf einem niederen Schemel mit ausgestreckten und an starken Querleisten angestemmten Beinen. Das Vertiefen von Schalen, Mörsern, Tassen u. dgl.
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